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Nigeria: Ärztin, Hubschrauberpilotin, Unternehmerin – eine Frau glaubt an Afrika

PlayOla Orekunrin führt die "Flying Doctors".
Nigeria: Ärztin, Hubschrauberpilotin, Unternehmerin - eine Frau glaubt an Afrika | Bild: NDR

Sie ist mit einer Vision angetreten, mit der Vision, einen Unterschied zu machen in Afrika. Für ihre Idee, in der medizinische Hilfe für jeden zugänglich sei sollte, ist Dr. Ola Orekunrin unermüdlich unterwegs.

Die morgendliche Konferenz in ihrem Büro in Lagos startet mit einem eher ungewöhnlichen Thema: Übergewicht. Dr. Ola bespricht mit ihren Mitarbeitern der Flying Doctors, der Fliegenden Ärzte, ein modernes afrikanisches Phänomen. "Im Westen waren Infektionskrankheiten nahezu erfolgreich bekämpft, bevor die Zivilisationskrankheiten aufkamen. Aber hier in Afrika kämpfen wir beide Schlachten auf einmal", sagt Ola Orekunrin.

Von England nach Nigeria

Konferenz in Lagos.
Seit sechs Jahren lebt Orekunrin in Nigeria, die Heimat ihrer Eltern. | Bild: NDR

Vor sechs Jahren zog Orekunrin in die Heimat ihrer Eltern. Sie gründete die Flying Doctors Nigeria. Aufgewachsen ist die 30-Jährige in England. Dort studierte sie Medizin und wurde Hubschrauberpilotin. Der Anlass für ihr Engagement: Ihre kleine Schwester war während eines Urlaubs in Nigeria gestorben. Das Rettungsflugzeug aus Südafrika kam zu spät.

"Hilfsorganisationen spielen zwar eine wichtige Rolle, ich wollte aber keine Organisation haben, die wie so viele andere auf Geldgeber von außen angewiesen ist. Afrika muss darüber hinaus wachsen. Als ich kam, hatte ich dieses leidenschaftliche Gefühl, dass Nigeria in der Lage sein muss, für sich selbst zu sorgen - ohne Spendengelder", sagt Orekunrin.

Statt Hilfsorganisation ein profitorientiertes Unternehmen

Schild des Weltwirtschaftsforums für Afrika
Weltwirtschaftsforum für Afrika: Austausch mit Unternehmer-Frauen.  | Bild: NDR

Sie entschied sich, statt einer Hilfsorganisation ein profitorientiertes Unternehmen zu gründen. Seitdem ist Ola ausschließlich Geschäftsfrau. Als Ärztin und Pilotin ist sie nicht mehr tätig.

In Ruandas Hauptstadt Kigali nimmt Ola Orekunrin am Weltwirtschaftsforum für Afrika teil. Sie tauscht sich mit Frauen des ganzen Kontinents aus. Sie haben das Gefühl, dass sich etwas ändert in Afrika. "In früheren Konferenzen ging es hauptsächlich darum, ausländische Konzerne dazu zu bewegen, in Afrika zu investieren und Jobs zu schaffen. Jetzt heißt es aber, afrikanische Unternehmen sollten das selbst übernehmen", sagt Orekunrin.

"Für mich sind die weiblichen Stimmen besonders wichtig. Als Unternehmerinnen, als Expertinnen, als Studentinnen, Mütter, Ehefrauen", sagt eine Teilnehmerin. "Afrikanische Frauen sind bisher meistens ignoriert worden. Die Hälfte der Bevölkerung dieses Kontinents hat ihr volles Potenzial noch gar nicht erfasst", ergänzt eine andere Geschäftsfrau. Dabei tragen sie überall Verantwortung. So wie diese drei Geschäftsfrauen aus Simbabwe, Liberia und Nigeria.

Immer mehr Frauen bauen Mini-Unternehmen auf

Auf dem ganzen Kontinent sorgen oft die Frauen mit ihren Mini-Unternehmen für die Familien, gelten auch als weniger bestechlich. Und das nicht nur in Ruanda, das die höchste Frauenquote in einem Parlament weltweit hat. "Ruanda hat einen Riesenschritt nach vorne gemacht – im Bereich Gesundheit, Ausbildung, Digitalisierung der Gesellschaft. Das sind alles Dinge, die Nigeria von Ruanda lernen kann – genau wie mehr Effizienz und Attraktivität für Geschäftsleute", erklärt Orekunrin.

Afrika schafft es alleine

Ola Orekunrin
Ihre Zukunft sieht die gebürtige Britin Orekunrin in Nigeria. | Bild: NDR

Nigeria ist tatsächlich ganz anders – mit seiner chaotischen Wirtschaftsmetropole Lagos. Freizeit gönnt Dr. Ola sich selten. Aber wenn, dann fährt sie gerne zur Takwa Bay, einem Strand auf einer der Inseln der Lagunenstadt Lagos.

Ihre Zukunft sieht die gebürtige Britin in Nigeria – trotz der Afrika-Klischees, die ihr auf ihren Geschäftsreisen immer wieder entgegen schlagen. Viele sehen nur Armut, Kriege, Krankheiten. "Vor ein paar Wochen war ich in Prag. Da hab ich wieder gemerkt, wie schlecht Afrikas Image ist. Wann auch immer ein Typ mich anquatscht und ich sage, ich komme aus Afrika, dann wollen sie mich retten - egal ob sie Schuhputzer oder Kellner sind. Ich denke dann, Ihr kennt mich doch gar nicht. Ihr wisst nicht, ob ich es mag, in Afrika zu leben. Warum denken sie immer gleich, mich retten zu müssen?", erzählt Dr. Ola.

Retten möchte Ola Orekunrin lieber selbst – nämlich Menschen in ihrer Wahlheimat Nigeria, Auch wenn sie von ihrer Vision von medizinischer Hilfe für jeden noch weit entfernt ist. Afrika, so ist sie dennoch überzeugt, schafft es alleine.

Hintergrund
Ola Orekunrins Geschäftsmodell funktioniert so, dass sie ihre Dienste Firmen, Unternehmen und Einzelpersonen anbietet – gegen Bezahlung. Man kann Mitglied bei Flying Doctors werden, dann wird man gerettet (so wie im übrigen auch in Kenia). Armen Menschen hilft sie derzeit indirekt, indem sie Schulungen und Weiterbildungen für die nigerianische Regierung anbietet, also Ärzte und medizinisches Personal schult. Den Charity-Aspekt will sie weiter ausbauen, aber so weit ist sie nach sechs Jahren noch nicht.

Autorin: Sabine Bohland, ARD-Studio Nairobi

Stand: 12.07.2019 00:14 Uhr

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