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Brasilien: Marina gegen Dilma

Eine Amazone will Präsidentin werden

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Brasilien: Marina gegen Dilma | Bild: ARD
Marina Silva im Wahlkampf
Marina Silva im Wahlkampf | Bild: Bild: BR

Sie ist die Herausforderin: Marina Silva wirbt für eine neue Politik, die viele Brasilianer in den Sozialprotesten der letzten anderthalb Jahre gefordert haben. Sie setzt auf den im Land weit verbreiteten Frust über Parteienfilz und die Unzufriedenheit. Der Korruption hat sie den Kampf angesagt und Verleumdungskampagnen der Regierungspartei gegen ihre Kandidatur, weil sie deren Sozialprogramme abschaffen wolle.

Marina Silva:

»Ich werde mich nicht wandeln und bleibe bei meinen Werten. Ich möchte die Lügereien bekämpfen, aber mit der Wahrheit und nicht, indem ich auch etwas vorlüge.«

Xapuri im Bundesstaat Acre, unweit von Peru und Bolivien. Hier hat Marina Silva Führungsqualitäten erlernt, und wie man politisch Widerstand leistet.

Mit ihrer persönlichen Geschichte hat sie viele Brasilianer überzeugt. So wie hier ist die Politikerin in einer verarmten Familie aufgewachsen, als eines von elf Kindern.

Der Unterschied: ihnen ist heute ein Mindesteinkommen garantiert.

Suely de Souza:

»Jeden Monat kann ich durch das Sozialprogramm „Bolsa Familia“ einkaufen. Und es reicht auch für Strom und Wasser. Ohne diese Hilfe ging hier gar nichts.«

Und das sichert heute Präsidentin Rousseff Wählerstimmen, trotz der Sympathien für Marina.

Weil die amtierende Regierungspartei Rousseffs und deren Amtsvorgänger Lula diese Sozialprogramme aufgelegt hatten, fürchten ihre Bezieher, dass eine Wahlsiegerin Marina dieses Wohlfahrtsprogramm einfach streichen könnte – eine Behauptung im Wahlkampf der regierenden Arbeiterpartei. Lügen, kontert Marina und appelliert an Respekt, Fairness und Wahrheit, denn sie wisse genau, was es heißt, Hunger zu haben.

Marina Silva:

»Alles, was meine Mutter für uns Kinder hatte, waren Eier, ein wenig Mehl, Zwiebeln und Salz.«

Nicht nur in dieser Favela wird Marina Silva als neuer Politstar gesehen. Eine zierliche Herausforderin, die für die sozialistische Partei antritt, und eine neue Politik verspricht, für alle 200 Millionen Brasilianer.

Marina Silva als Umweltministerin
Marina Silva als Umweltministerin | Bild: Bild: BR

Marina will Veränderungen: Als Umweltministerin in der Regierung des populären Expräsidenten Lula kämpfte sie fünf Jahre lang dafür und setzte ihre Projekte prominent ins Rampenlicht. Aber wirtschaftliches Wachstum und Agrarlobby waren der Regierung dann doch wichtiger als Schutz der Natur und mehr Rechte für Kleinbauern und Ureinwohner. Konsequent trat sie 2008 zurück.

Amazonien, die Heimat der Präsidentschaftskandidatin und grüne Lunge der Welt. Sie hat als Kind, so wie heute Deuzuite und Claudio als Kautschukzapfer gearbeitet. Um fünf Uhr morgens ist sie aufgestanden, ging kilometerweit und half ihrem Vater, den weißen Saft für die Gummiindustrie zu ernten. Im Regenwald hat Marina, so erzählt sie bei ihren Wahlkampfauftritten, Demut gegenüber der Natur gelernt.

Mit dem legendären Umweltschützer Chico Mendes, der 1988 kaltblütig ermordet wurde, war sie in der Gewerkschaft der Gummizapfer. Schon damals wollte sie die Welt verändern. Der Mitbegründer der Gewerkschaft Seu Sabá erinnert sich genau:

Seu Sabá
Seu Sabá | Bild: Bild: BR

Seu Sabá, Kautschukgewerkschaft:

»Marina hat keine Konflikte gescheut. Sie ist mit uns über Zäune gestiegen, hat mit uns Landbesetzungen gemacht. Auch wenn sie krank war, hat sie immer weiter gekämpft, auch bei den Auseinandersetzungen mit der Militärpolizei. Da gab es viel Gewalt. Die Polizei hat immer die Großgrundbesitzer verteidigt.«

In einer kommunistischen Untergrundorganisation hat sie gegen die Militärdiktatur gekämpft. Aber das für sie wichtigste Erlebnis war, dass sie es schaffte, als junge Frau doch noch das zu erleben, was sie heute für jeden einfordert. Ein Schulbesuch.

Marina Silva

»Die Bildung, das war ein Wunder in meinem Leben. Ich konnte, bis ich 16 war, nicht lesen. Aber ich hatte Glück und konnte dann später die Schule besuchen, danach die Universität und wurde Lehrerin.«

Mit 16 verließ sie ihre Familie, wollte Nonne werden in der Hauptstadt von Acre, in Rio Branco.

Terezinha da Rocha Lopes
Terezinha da Rocha Lopes | Bild: Bild: BR

Bei Donna Terezinha hat Marina Lesen und Schreiben gelernt und bei ihr als Hausmädchen gearbeitet. Jetzt wirbt die alte Dame für ihre ehemalige Angestellte.

Terezinha da Rocha Lopes:

»Sie repräsentiert alles, das brasilianische Volk. Sie hat sehr viel Kraft, obwohl sie aus ärmsten Verhältnissen kommt. Sie kam aus dem Dschungel hierher zu mir und schon damals hatte sie sehr klare Vorstellungen. Sie wollte immer etwas bewegen.«

Und dabei passt sie eigentlich in keine Schublade. Arbeiterkampf, links, grün und offen für eine konservative Wirtschaftspolitik. So will sie jetzt Präsidentin werden.

Marina Silva:

»Wir sind euphorisch über die gute Sache, die wir auf den Weg bringen können: für das Gesundheitswesen, die Bildung, die Sicherheit, bei den Rechten für Indianer und Kleinbauern, für die Infrastruktur und die nachhaltige Entwicklung. Dafür wollen wir gewinnen.«

Große Pläne, die begeistern, aber die gleichen verkündet auch Marinas Rivalin, Präsidentin Rousseff.

Autor: Michael Stocks, ARD Rio de Janeiro

Stand: 06.10.2014 00:09 Uhr

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