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Japan: Traumurlaub für Stofftiere

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Japan: Traumurlaub für Stofftiere | Bild: BR

Endlich mal raus aus den eigenen vier Wänden. Im Haus von Familie Yamamoto steht eine Traumreise an: Die japanische Westküste, mit Bootstrip und Seilbahnfahrt. Nur: die Yamamotos wollen die Reise nicht selber antreten. Sie haben den Trip für ihr Stofftier gebucht.

Kiyomi Yamamoto
Kiyomi Yamamoto | Bild: Bild: BR

Kiyomi Yamamoto:

»In letzter Zeit ist mein Mann nur noch bei der Arbeit. Er hat kaum Zeit mit mir zu verreisen. Wir haben dann von der Stofftier-Reiseagentur gehört. Da hat mein Mann gesagt: ‚Komm, dann schicken wir halt unser Stofftier los.‘ Ich mache mir auch ein bisschen Sorgen. Heimlich bete ich, dass unser Stofftier gut wieder nach Hause kommt.«

Statt Ehepaar Yamamoto erkundet also ihr kleiner Frotteehase die japanische Provinz. Die Reise beginnt im Pappkarton – 600 Kilometer gen Süden. Hier wartet schon ein vertrauenswürdiger Reiseleiter: Sudachi-Kun – eine Limette und auch Namiko Miki: ihr gehört die Reiseagentur für Stofftiere.

Sie hat sich die Tour ausgedacht – für das Häschen aus Tokio und die zehn anderen quietsch-bunten Typen: Pigu, Panko, Toni. Ein flauschiger Bär, ein Teddy mit roter Fliege, ein zotteliger Hase in pink.

Namiko Miki
Namiko Miki | Bild: Bild: BR

Namiko Miki, Stofftier-Reiseagentur:

»Es gibt alle möglichen Kunden, die ihre Stofftiere auf Reisen schicken wollen: Ein Mann im Rollstuhl, der selbst nicht verreisen kann, aber über sein Stofftier die Welt entdeckt. Andere sind zu alt zum Reisen. Die meisten aber haben einfach keine Zeit, selbst in Urlaub zu fahren wegen ihrer Arbeit.«

Noch ein Schnapschuss – schon geht’s weiter. Das Angebot der Stofftier-Reiseagentur ist riesig: Es gibt Städtereisen nach Tokio, Yokohama inklusive Riesenrand. Auch eine Pilgerreise ist dabei inklusive Tempelbesuch. Heute ist die Reisegesellschaft an die japanische Westküste unterwegs, zu den Meereswirbeln von Naruto.

Namiko Miki:

»Vor allem wer keine Kinder hat, der liebt seine Stofftiere wie ein Ersatzkind. Manche nähen ihrer Puppe extra ein Kleid für die Reise. Oder, wie jetzt bei der Bootstour, gibt der Kunde seinem Stofftier einen Sonnenhut mit. Der Puppe soll auf Reisen ja nichts passieren.«

Die innige Liebe der Japaner zu ihren Stofftieren – sie hat auch mit dem Shintoismus zu tun, dem Glauben daran, dass allen Dingen eine Seele inne wohnt.

In manchen Restaurants in Tokio müssen Singles nicht alleine essen. Der Tischnachbar: ein Stofftier.

In Pflegeheimen können die alten Leute mit sprechenden Stofftieren knuddeln.

Und wenn die Puppen selbst in die Jahre kommen, werden auch sie umsorgt: Der Chofu-Kujuji Tempel in der Nähe von Tokio ist so was wie ein Altersheim für Stofftiere – seit 400 Jahren.

Ein Priester
Ein Priester | Bild: Bild: BR

Hier dürfen Pooh der Bär, Micky Maus, Snoopy in Würde ihre letzten Atemzüge tun.

Choshu Imai, Priester:

»Die Menschen haben ihr Stofftier ein ganzes Leben lang abgöttisch geliebt. Die Puppe ist ein Teil des Lebens geworden. Wenn sie ausgedient hat, kannst du sie nicht einfach wegschmeißen, du würdest ja dein Herz weggeben. Die Leute wollen sich gebührend verabschieden, deswegen kommen sie zu uns.«

Wer will, verfasst einen letzten Gruß für sein Stofftier: Ein Dankeschön, für die vielen gemeinsamen Stunden. Einmal im Jahr werden Kuscheltier und Grußbotschaft per Glutofen ins Jenseits befördert – ein Abschied, der vielen sehr nahe geht.

Choshu Imai, Priester:

»Einmal hat eine Frau beim Gebet angefangen zu weinen. Ich habe versucht, sie zu trösten. Sie hat sich dann ins Auto gesetzt und zwei Stunden lang bitterlich geweint. Dann kam sie wieder und sagte: 'Ich kann mich einfach nicht von meinem Stofftier trennen. Ich nehme die Puppe wieder mit nach Haus.‘«

Der lustigen Truppe um den pinken Hasen bleibt so ein trauriges Schicksal erst mal erspart.

Kiyomi Yamamoto
Kiyomi Yamamoto | Bild: Bild: BR

Von der Traumreise gibt es jetzt die ersten Urlaubsgrüße an die Daheimgebliebenen. Fotos per E-Mail: So kann Kiyomi Yamamoto, ein Glück, zu Hause bleiben und sich trotzdem an der weiten Welt erfreuen.

Kiyomi Yamamoto:

»Als ob meine eigenen Kinder verreist sind, so fühle ich mich. Ich würde zwar selbst auch gerne losfahren, aber ich bin zufrieden damit, wenn mein Stofftier unterwegs ist und mir dann von seinen Erlebnissen berichtet.«

Was für ein Ausblick – selbst für den, der nur Knopfaugen hat. Wenn Frau Yamamoto wüsste, wo ihr Frotteehäschen und seine Kumpane jetzt schon wieder gelandet sind: Beim Mittagessen in den Bergen von Tokushima – ein absolutes Muss für alle Japan-Touristen.

Namiko Miki, Stofftier-Reiseagentur:

»Bei vielen Kunden ist es so, dass sie selber gerne verreisen wollen, aber sie schicken zuerst mal ihre Stofftiere zu uns.«

"Am schönsten wäre es“, sagt Namiko später, "wenn nicht nur die Stofftiere, sondern auch die Kunden irgendwann gemeinsam verreisen würden.“

Wenn nur ausreichend Zeit da wär, für die beschäftigten Japaner.

So gehen die Stofftiere erst mal allein weiter auf Entdecker-Tour – ganz zur Freude Ihrer Besitzer.

Wohl dem, der nicht mehr selbst verreisen muss.

Autor: Philipp Abresch / ARD Tokio

Stand: 05.01.2015 09:30 Uhr

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