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Kenia: Angst vor Al-Schabaab

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Kenia: Angst vor Al-Schabaab | Bild: BR

"Einigkeit, Frieden, Freiheit." – Clive Wanguthi singt die Nationalhymne mit Inbrunst. Aber sein Land, Kenia, macht es ihm zurzeit nicht leicht. Clive Wanguthi ist eine Autorität in Eastleigh, einem vornehmlich muslimischen Stadtteil der Hauptstadt Nairobi. Er hat die Friedensdemonstration gegen die Terroristen von Al-Schabaab organisiert. "Nieder mit Al-Schabaab", rufen sie. Mit den Islamisten aus dem Nachbarland Somalia wollen sie nichts zu tun haben. Doch Kenia wird zunehmend von den Terroristen infiltriert.

Clive Wanguthi
Clive Wanguthi | Bild: Bild: BR

"Wir werden hier nur Frieden haben, wenn wir Al-Schabaab aus Eastleigh vertreiben. Wenn Ihr etwas mitbekommt, dann müsst Ihr zur Polizei gehen", schärft Clive der Menge ein. Seit dem schrecklichen Attentat auf eine Universität mit über 150 Toten schwappt eine Welle der Solidarität durch das ganze Land, wie es sie so noch nie in Kenia gab. Viele Menschen spenden Blut für die Verletzten. Muslime wie Clive werden seither aber auch offen angefeindet.

Clive Wanguthi:

»Meine Haut und mein Gesicht sehen nach Al-Schabaab aus, nach Terrorist. Wir merken, dass viele Leute Muslime mit Gewalt gleichsetzen. Wir sind nicht frei und wir sind nicht glücklich. Wir machen uns große Sorgen, wo das noch hinführen wird.«

Soldaten auf einem Markt
Soldaten auf einem Markt | Bild: Bild: BR

Schon vor dem Anschlag, und erst recht jetzt gibt es in Eastleigh regelmäßig Polizeirazzien. Die kenianische Regierung versucht, Al-Schabaab Herr zu werden – mit mäßigem Erfolg. Was geschürt wird, ist Misstrauen zwischen Christen und Muslimen.

Clive Wanguthi wollte Priester werden, konvertierte dann aber zum Islam. Er sieht sich als Mittler zwischen den Religionen. Der Christ Daniel Mutuku hat an seinem Imbissstand eine Bombe von Al-Schabaab überlebt, acht Menschen starben dabei.

Daniel Mutuku:

»Wenn jetzt ein fremder Somali herkommt, dann werde ich misstrauisch. Dann schaue ich, ob er etwas in der Hand hat. Wenn ja, dann habe ich noch mehr Angst. Ich fühle mich nicht mehr wohl in meiner Haut, ich vermeide Menschenansammlungen.«

Clive und einige andere Männer laufen regelmäßig in der Nachbarschaft Patrouille, auch um sich über mögliche Al-Schabaab-Aktivitäten zu informieren. Sie erkundigen sich, ob jemand neu im Wohnblock ist oder ob ihnen sonst etwas Ungewöhnliches aufgefallen ist. "Das nicht", sagt die somalisch-stämmige Frau, aber sie erzählt von ihren Sorgen.

Die Frau:

»Wenn wir im Bus in die Stadt fahren, dann sagen sie: "Ihr seid Al-Schabaab, Ihr müsst raus aus dem Land." Das ist mir mehrfach passiert. Es verletzt mich, wenn sie das sagen, ich habe mit dieser Terrortruppe nichts zu tun.«

Ihr Sohn ist bei der Al-Schabaab
Ihr Sohn ist bei der Al-Schabaab | Bild: Bild: BR

Diese Frau möchte nicht erkannt werden. Sie hat Angst, in Schwierigkeiten mit der Polizei zu geraten, denn ihr Sohn ist bei Al-Schabaab: "Wenn ich wüsste, dass er an dem Anschlag auf die Universität beteiligt war, dann wäre das schrecklich." Aber sie weiß noch nicht mal, ob ihr Sohn noch lebt. Seit drei Jahren hat sie ihn nicht gesehen.

Clive Wanguthi mit seiner Familie
Clive Wanguthi mit seiner Familie | Bild: Bild: BR

Endlich zu Hause: Als er seine Frau kennenlernte, hat Clive aufgehört, als muslimischer Wanderprediger unterwegs zu sein. Seitdem lebt er hier in Eastleigh, kümmert sich um die Gemeinde und kämpft gegen die Unterwanderung durch Al-Schabaab. Seine Frau hat manchmal Angst um ihn, aber sie und die Kinder unterstützen seine Arbeit. Clive Wanguthi: "Was soll ich sonst tun? Nur manchmal klopft jemand an die Tür und ich denke 'Nicht jetzt', weil ich so müde bin."

Zeit fürs Freitagsgebet. Zusammen mit seinem Sohn geht Clive in die Moschee. Für ihn wünscht er sich ein friedliches Kenia, ohne Terror. "Ich hoffe, dass mein Kind nie diskriminiert wird und dass es selbst nie jemanden diskriminiert, dass es Menschen als gleich betrachtet und sich selbst nicht von anderen Menschen ausgrenzt oder ausgegrenzt wird wegen seiner Hautfarbe oder seiner Religion", sagt Clive Wanguthi.

Clive ist einer von vielen Millionen, die in diesen Tagen in Kenia für Frieden beten. Der Alltag zwischen Terror und Politik, Misstrauen und Generalverdacht sieht leider anders aus.

Autorin: Sabine Bohland, ARD-Nairobi

Stand: 14.04.2015 18:04 Uhr

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