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Südafrika: Das Fest für die Toten – Sparen für den Leichenschmaus

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SÜDAFRIKA: Das Fest für die Toten - Sparen für den Leichenschmaus | Bild: Das Erste

Noch einmal kehrt Daniel Malindi zurück nach Hause. Eine Woche zuvor war er gestorben, mit 68. Jetzt bereiten die Nachbarn die Totenfeier vor, kochen und backen. Morgen soll Daniel Malindi beerdigt werden. Diese Nacht wird er noch einmal zu Hause verbringen.

In der Küche haben die Nachbarinnen das Kommando übernommen und brauen das traditionelle Bier aus Maismehl und Wasser.

Anna Malindi:
Anna Malindi: | Bild: BR

Die Totenwache hält Daniel Malindis ältere Schwester. Bis zum nächsten Morgen verlässt sie den Raum nicht mehr. Für die meisten Afrikaner ist der Tod ein Übergang. Der Tote wird auch weiter mit der Familie leben, deshalb muss er diese Nacht hier verbringen.

Anna Malindi:

»Morgen käme er sonst zurück. Dann steht er vor dem Tor und will hinein. Er lebte mit uns, ging hier überall herum, in der Küche in diesem Raum. Überall hier war er zu Hause. Wenn wir ihn jetzt nicht hier einlassen, dann geht er als Geist am Haus vorbei. Es geht einfach nicht, dass sie ihn direkt auf den Friedhof fahren.«

Für die Lebenden ist das Haus in den Tagen der Trauer auch offen. Es wird sogar erwartet, dass die Nachbarinnen helfen. In Soweto sind sie in sogenannten Beerdigungsgesellschaften organisiert. Die Sekretärin führt genauestens Buch, wer hilft und wer nicht.

Simangele Mazibuko
Simangele Mazibuko | Bild: BR

Simangele Mazibuko:

»Lasst mich ganz ehrlich mit euch sein: Wer die 20 Rand nicht bezahlt und hier nicht hilft, dem werden wir auch nicht helfen, wenn die Nachbarin uns braucht. Sie wird alleine blieben, sie wird alles alleine schneiden müssen und ganz alleine kochen.«

Am Abend kommt der Pastor. Christliche Traditionen und die des Volkes der Xhosa lassen sich gut miteinander vereinbaren. Allerdings nimmt die Totenehrung einen größeren Raum ein als zum Beispiel in Europa.

Die ganze Nacht über werden sie über Daniel sprechen, noch einmal sein Leben würdigen.

Die Tradition sieht vor, dass die Männer im Kral neben dem Haus beerdigt werden. In Soweto ist das nicht möglich. Hier bestatten sie die Toten auf einen zentralen Friedhof: 200.000 Gräber. Der Platz geht aus, denn wer hier begraben wird, ruht hier für immer.

Totengräber Dabula
Totengräber Dabula | Bild: BR

Dabula, Totengräber:

»Unsere afrikanische Kultur erlaubt es nicht, jemanden zu verbrennen. Wir graben für die Menschen. Wie ein zweites Zuhause ist das. Dann können die Familienmitglieder immer wieder kommen, ihre Verwandten besuchen, mit ihnen wichtige Angelegenheiten besprechen. Für uns leben sie immer noch unter uns.«

Es ist die Nichte, die am Morgen noch einmal Daniel Malindis Leben in Erinnerung ruft: Schuhmacher war er, geheiratet hatte er nie.

Der Pfarrer am Sarg
Der Pfarrer am Sarg | Bild: BR

Malindis Familie ist arm, deshalb findet die Trauerfeier an einem Mittwoch und nicht am Wochenende statt. Unter der Woche kommen nicht so viele Nachbarn, die später bewirtet werden müssen.

Aber auch wenn die Familie arm ist, die letzte Reise, in Soweto tritt sie niemand alleine an. Zwei Busse füllt die Trauergemeinde, und das ist eine kleine Beerdigung. Nicht selten sind die Konvois zum Friedhof so groß, dass die Polizei die Straßen absperren muss.

Die Zeit der Besinnung: am Grab selbst ist sie erstaunlich kurz. Noch einmal singt die Gemeinde. "Halte an deinem Glauben fest auf dem Weg in den Himmel."

Die Nachbarn und Freunde stehen um das Grab, die Angehörigen wohnen der Beerdigung etwas abseits, unter dem Zelt, bei.

Schließlich schaufeln Freunde und Bekannte das Grab zu. Verwandte dürfen nicht helfen. Sie trauern. An diesem Tag wird ihnen alles andere abgenommen, so will es die Tradition.

Eine Tradition, die kostspielig ist: Eine ehrenhafte Beerdigung kostet umgerechnet mindestens 700 Euro. Nach oben gibt es keine Grenze. Bestatter verdienen gut in Soweto. Um sich so etwas leisten zu können, zahlen – vor allem die Armen – ein Leben lang in die Sterbekassen ein.

Nonhlanhla Ndaba
Nonhlanhla Ndaba | Bild: BR

Nonhlanhla Ndaba, Bestatterin:

»'Lieber esse ich nicht, um für die Beerdigung zu sparen.‘ So sehen es die meisten. Heutzutage kommt bei vielen zuerst das Sparen für die Beerdigung.«

Es ist ein Muss, die Gäste großzügig zu bewirten. Niemand darf beim Leichenschmaus abgewiesen werden. Auch auf diese Weise wird das Ansehen des Toten geehrt.

Sie alle haben Daniel Malindi auf seinem Weg zum Friedhof begleitet. Seine Ruhestätte: die ewige Ruhestätte im Wortsinne.

Monica Matshidisi:

"Diese ganze Sache mit dem Wiederausgraben von den Knochen, nach zehn Jahren oder so, das ist nicht richtig“, als sie von den europäischen Gepflogenheiten hört. "Nur wenn es Verwandte wären, können sie hier ein Grab teilen.“

Aber ein Grab aufzulösen oder Menschen anderer Familien dort zu begraben, das ist ein Tabu. Der Geist des Verstorbenen würde die Hinterbliebenen so lange peinigen, bis er eine eigene Ruhestätte bekäme.

Anna Malindi:

"Aber da, wo er jetzt liegt, ist er glücklich.“ Da ist sich Anna sicher. "Wir haben ihm eine ehrenvolle Beerdigung gegeben. Alle Nachbarn, die Neffen und Nichten, alle haben sie ihn auf gute Weise verabschiedet. Er ist glücklich und zufrieden, da wo er jetzt ist.“

Und die Nachbarn sprechen auch gut über den Verstorbenen. Zwar wurde keine Ziege geschlachtet, wie sonst oft üblich, aber das Essen war trotzdem reichlich. Eine würdevolle Beerdigung für Daniel Malindi, den Schuhmacher.

Autor: Ulli Neuhoff, ARD-Johannesburg

Stand: 15.04.2014 10:53 Uhr

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