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Ukraine: Heimaturlaub nach einem Jahr an der Front

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Ukraine: Heimaturlaub nach einem Jahr an der Front | Bild: BR

 

Kurz vor ihrer Heimatstadt Schytomyr hat ein Zug der 95. Luftlandebrigade Halt gemacht. Die Männer bereiten ihre Schützenpanzer für die Heimkehr nach einem Jahr an der Front vor. Ihre Brigade gilt als Eliteeinheit, die Männer kämpften in Slowjansk und am Flughafen von Donezk.

Igor Pogrebyska
Igor Pogrebyska | Bild: Bild: BR

Igor Pogrebyska:

»Was am härtesten war? Wohl, diesen psychologischen Rubikon zu überschreiten, Anfang des vergangenen Sommers, als wir verstanden, dass wir schießen müssen, dass es Krieg ist, keine Übung mehr. Es ist ein richtiger Krieg. Das ist das härteste.«

Zurzeit ziehen beide Seiten schwere Waffen ab. Glauben sie, dass die Waffenruhe hält?

Ein Soldat:

»Wir hoffen es, denn Krieg – das ist wirklich nichts Gutes.«

Die Rückkehr wird inszeniert wie ein Triumph, aber die Männer haben blutige Niederlagen hinter sich.

Die Heimkehr ihrer Männer und Söhne hat sich in Schytomyr herumgesprochen wie ein Lauffeuer. Immer mehr Angehörige versammeln sich vor der Kaserne. Sie erwartet ihren Sohn Iwan.

Ljubow:

»Ich machte mir ständig Sorgen. Niemand sagte mir die ganze Wahrheit darüber, wo er war und was er tun musste. Ich wusste nur, dass er irgendwo dort auf Mission war.«

Die Helden der 95sten – willkommen zurück. Ein Jahr Trennung ist eine lange Zeit.

Nadja
Nadja | Bild: Bild: BR

Nadja:

»Ich warte auf meinen geliebten Mann. Wir machten uns Sorgen. Jetzt sind wir mit der ganzen Familie hergekommen, um ihn zu empfangen. Ich habe ihn ein ganzes Jahr nicht gesehen, bis auf eine einzige Woche.«

Nadjas Mann Iwan sitzt auf einem dieser Panzer. "Helden", rufen die Angehörigen den Männern zu. Doch auch Nadja weiß, dass viele Männer der Brigade im Donbass gefallen sind: Bis zu 100, glauben Eingeweihte. Offizielle Zahlen gibt es nicht.

Und dann hat Nadja ihren Mann entdeckt. Geheiratet haben sie im vergangenen Sommer; dafür bekam Iwan ein paar Tage frei.

Nicht alle haben das Glück, von ihren Familien empfangen zu werden. Was war für Iwan am härtesten, fragen wir:

»Ich weiß es gar nicht. Vermutlich, dass Familie und Freunde so weit weg waren.«

Und was fühlt er jetzt?

»Schwer zu erklären. Ich sah bisher nur im Fernsehen, wie heimkehrenden Soldaten empfangen wurden. Das ist unsere erste Rotation. Wir sind so froh und dankbar. So viele Gefühle und sogar Tränen.«

Die meisten ihrer Brigade sind Vertragssoldaten, viele hatten Einsätze als UN-Blauhelme im Kosovo, im Kongo, im Libanon, im Irak.

Und dann kommt die Nachhut: Man sieht ihren Fahrzeugen an, dass sie ein hartes Jahr hinter sich haben. Auch sie wurden von Freiwilligen versorgt, weil die ukrainische Armee in einem so desparaten Zustand ist.

Umarmung zweier Männer
Umarmung zweier Männer | Bild: Bild: BR

Erleichterung, heil herausgekommen zu sein. Ihr letzter Einsatz war der blutigste: Sie sicherten die Flucht aus Debalzewe.

Ein Soldat:

»Der Waffenstillstand jetzt ist doch keine reale Waffenruhe. Das ist offensichtlich; ich war doch Augenzeuge. Da wird nur Sand in die Augen gestreut.«

Der Kommandeur spricht russisch, so wie Iwan. Viele seiner Kameraden sprechen ukrainisch: Das ist völlig normal hier in ihrer Einheit.

Iwan
Iwan | Bild: Bild: BR

Iwan:

»Auf dass der Frieden kommt und alles gut wird.«

Nadja:

»Auf dass mein Mann nicht dorthin zurück muss, sondern bei mir bleibt – und alle anderen Männer auch.«

Autor: Udo Lielischkies und Oleksiy Stepura, ARD Moskau

Stand: 16.03.2015 01:03 Uhr

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