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USA: Videotestament für Todkranke

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USA: Videotestament für Todkranke | Bild: Das Erste
Kurz vor der Aufzeichnung des Videos
Kurz vor der Aufzeichnung des Videos | Bild: Bild: BR

Dies wird ein ganz besonderes Interview werden. Der Techniker bereitet alles professionell vor. Wohnzimmeratmosphäre – der Gast soll sich wohlfühlen. Der Gast heißt Judy Davanzo. Sie will schön sein für ihren Mann, für ihre Kinder.

Letzte Absprache: Gastgeber Carri Rubinstein wird das Interview führen und mit Judy ihr Leben durchgehen.

Carri Rubinstein:

»Nichts, von dem was wir hier aufnehmen, wird jemals veröffentlicht. Das garantiere ich.«

Hier entsteht ein privates Vermächtnis, ein Testament, das Videotestament einer Todkranken.

Judy Davanzo:

»Jetzt bin ich noch in der Lage, meiner Familie mein Leben zu erzählen, ihnen zu sagen, was ich ihnen mit auf den Zukunftsweg geben will. Ich will damit nicht warten, bis ich im Krankenhaus liege. Jetzt kann ich noch normal sprechen, sehe wie ein normaler Mensch aus.«

Ein typisches amerikanisches Zuhause, die Kinder wollen versorgt werden. Von dem Video ihrer Mutter wissen sie nichts. Vitamintabletten für den Sohn Tracy, sechs Jahre alt, gute Ratschläge für die Tochter Reese, 14 Jahre. Dann sind die Haustiere dran.

Die Medikamente von Judy Davanzo
Die Medikamente von Judy Davanzo | Bild: Bild: BR

Judy hat uns zu sich nach Hause eingeladen, schenkt uns einen Tag ich ihrem Leben – einen kostbaren Tag, sie hat nicht mehr viele davon. Judy hat Krebs – unheilbar, inoperabel. Sie will keine Bestrahlung mehr. Sie nimmt Medikamente, die sie den Tag überstehen lassen.

Judy Davanzo:

»Das ist Morphium. Das nehme ich gegen die Schmerzen in meiner Leber, die jetzt auch vom Krebs befallen ist.«

Judy hat Buch geführt über das, was der Krebs ihrer Familie angetan hat: 2001, als ihre Tochter ein Jahr wurde, da war sie erkrankt. Brustamputation, Chemo, Schuldgefühle, weil sie zu schwach war, ihrem Mann eine Frau und ihren Kindern eine gute Mutter zu sein.

Judy Davanzo und Markus Schmidt
Judy Davanzo und Markus Schmidt | Bild: Bild: BR

Was sie vom Krebs gelernt habe? Zu kämpfen. Und sie glaubte, den Kampf gewonnen zu haben, bis zu jenem Samstag im März 2012.

Familienfest: Es ist der Tag, an dem sie erfahren hatte, dass der Krebs zurückgekommen war und sie lächelte:

Judy Davanzo:

»Alle waren so fröhlich, ich wollte die Party nicht sprengen. Also erzählte ich niemanden davon.«

Sohn Tracy ist noch viel zu jung, um zu verstehen, wie schlimm es um seine Mutter steht, und auch Tochter Reese kennt nur die halbe Wahrheit. Sorgen um das Wohl der Tochter.

Judy Davanzo:

»Reese ist zurzeit so materialistisch, sie ist fasziniert von Popstars, von Leuten, die viel Geld haben.«

Das Videotestament gibt Judy die Möglichkeit, frei zu sprechen, ihren Kindern Ratschläge zu geben für eine Zeit, die sie nicht mehr erleben wird, per Videobotschaft, wenn ihre Kinder reif genug sind.

Judy Davanzo:

»Bitte, nehmt Euch Zeit, schaut Euch genau um, macht nichts des Geldes wegen. Tut nur etwas, zu dem ihr stehen könnt, was ihr gerne tut. Nur das Innere zählt, nicht der äußere Schein. Das ist mein Ratschlag.«

Carri Rubinstein
Carri Rubinstein | Bild: Bild: BR

ThruMyEyes – Mit meinen Augen ist die Idee von Carri Rubinstein. Spendenfinanziert hat sie schon etwa 50 Familien helfen können. Jedes dieser Videogespräche wird psychologisch betreut und ist strikt privat.

Carri Rubinstein, ThruMyEyes:

»Ich gebe den Eltern die Möglichkeit, alles zu sagen, was sie sagen wollen, und ich gebe den Kindern ihre Eltern, so wie sie waren, ihre Gesten, ihre Gedanken, ihre Lebensgeschichte.«

Judy mag abgemagert sein, sie mag todkrank sein, aber das hindert sie nicht, zu geben – bis zum letzten Augenblick. Sie hat immer noch Energie genug, anderen Krebsopfern zu helfen. Judy hat ihre eigene Stiftung gegründet Caring On:

»Es geht darum, den Familienangehörigen, die uns Kranke Tag für Tag aushalten und pflegen müssen, eine Auszeit zu ermöglichen. Das brauchen die, um durchhalten zu können.«

Das Video liegt zuhause tief in einer Schublade versteckt und Ehemann Drew hat genaue Anweisungen, wie er nach ihrem Tod damit umgehen soll.

Judy Davanzo:

»Das ist doch schön, wenn man zum Schluss sagen kann: Wow, ich hab einige tolle Sachen in meinem Leben gemacht, trotz meiner Krankheit.«

Es ist das Videotestament einer starken Frau

Carri Rubinstein:

»Keine dieser 50 Videobotschaften, die wir bislang produziert haben, war ein Abschiedsfilm. Alle waren positiv, manchmal fröhlich. Und das können sich die Kinder ihr Leben lang anschauen.«

Autor: Markus Schmidt, ARD New York

Stand: 05.01.2015 09:14 Uhr

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