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Kenia: Gemeinsam sind sie stark

PlayIn einem Dorf in Zentralkenia helfen sich behinderte Menschen gegenseitig.
Kenia: Gemeinsam sind sie stark | Bild: NDR

Lesen, im Alltag wieder Zurechtkommen, das musste Pharis Karani ganz neu lernen. Vor mehr als 30 Jahren erblindete er plötzlich. "Ich musste mich an der Wand entlang hangeln, damit ich es aus dem Haus schaffte", erzählt er. "Die Sonne schien, aber ich konnte sie nicht sehen. Ich war sehr deprimiert." Nur seine Frau hielt damals zu ihm. "Auf der Straße wurde ich nicht mehr beachtet. Manche sagten mir, ich solle doch betteln gehen." Doch Pharis gab nicht auf. Eigentlich war er Lehrer, doch nach dem Unfall lernte er in einem Trainingszentrum, wie er trotz Behinderung Schuhe reparieren konnte.

Gegenseitige Unterstützung im Alltag

In einem Dorf in Zentralkenia helfen sich behinderte Menschen gegenseitig.
Die Mitglieder unterstützen sich, wo sie können. | Bild: NDR

Einen Dollar am Tag verdient er mit dieser Arbeit mindestens. Und Pharis beschloss, nicht alleine zu bleiben, sondern sich mit anderen Behinderten zusammen zu schließen. Gleich um die Ecke arbeitet Catheline Njoki. Pharis besucht sie häufig. Sie sind beide Mitglieder einer Gruppe von Behinderten, die sich gegenseitig im Alltag unterstützen. Catheline ist 26 und leidet unter einer Spastik. Bevor sie lernte, an einer Strickmaschine zu arbeiten, konnte sie selbst kaum für ihren Lebensunterhalt sorgen. "Manche kommen zu dir und bieten ihre Hilfe an, aber in Wahrheit wollen sie dir gar nicht helfen", sagt sie. "Sie wollen deine Behinderung nur für sich ausnutzen. Diese Arbeit hier hilft mir, und unsere Gruppe hat sie mir vermittelt."

Die Gruppe trifft sich häufig

Ihre Gruppe: Für Catheline und Pharis ist sie einer der wichtigsten Bestandteile ihres Lebens. Die Gruppe trifft sich häufig, vor allem um miteinander zu lernen, wie sie Felder bestellen können. Pharis begrüßt die Mitglieder. Mehr als 20 sind es. Die Gruppe hat sich ganz ohne Hilfe von außen selbst gegründet. Schon vor 13 Jahren. Fast alle haben eine Behinderung, körperlich oder geistig. Es wird viel diskutiert: Wie läuft der Anbau, welches Mitglied steckt gerade in Schwierigkeiten. Sie protokollieren alles ganz genau.

Gemeinsames Lernen auf dem Maisfeld

In einem Dorf in Zentralkenia helfen sich behinderte Menschen gegenseitig.
Alle arbeiten zusammen, jeder packt genau da an, wo er sich nützlich machen kann. | Bild: NDR

Heute gibt es einen besonderen Grund für das Treffen. Die Gruppe hat Peter Murage eingeladen. Er soll ihnen beibringen, wie sie effektiver Mais anpflanzen können. Immer zwei Fuß Platz zwischen den Reihen lassen, erklärt er ihnen. Wer es nicht verstanden hat, dem hilft schnell nochmal der Sitznachbar. Dann ab zum gemeinsamen Trainingsfeld, um das Gelernte direkt anzuwenden. Pharis macht den Anfang und legt für das Saatgut eine Furche an. Dann verteilen sie den Kompost. Alle arbeiten hier zusammen, jeder packt genau da an, wo er sich nützlich machen kann. Jetzt ist das Saatgut an der Reihe. Peter Murage zeigt noch einmal, worauf sie achten müssen.

Zusammen sind sie besonders fleißig

Philis Gacoki kann nur auf einem Auge sehen. Sie und ihr Mann haben der Gruppe das Feld überlassen. "Manche können nicht hören, andere sind blind, können nicht laufen, wieder andere können ihre Hände aufgrund ihrer Behinderung nicht nutzen", sagt sie. "Aber als Teil der Gruppe fühle ich mich vollständig, wie jemand ohne Behinderung." Und zusammen sie sind besonders fleißig. "Diese Gruppe hier fordert mich sehr", sagt Peter Murage. "Sie sind richtig eifrig darin, alles ganz genau zu lernen."

Kredite für die Mitglieder

Auch wer es aufgrund seiner Behinderung nicht selbst zu den Treffen schafft, soll Mitglied der Gruppe sein. Pharis und Philis besuchen Irene Njeru und ihren Sohn Godwin. Godwins Mutter vertritt ihn in der Behindertengruppe. Seit seiner Geburt ist Godwin schwer körperlich und geistig behindert. Die Familie hat von der Gruppe einen Kredit bekommen. "Die Hilfe ist sehr wichtig für mich, denn ohne sie hätte ich niemals die Kühe kaufen können", sagt Irene Njeru. Und die Kühe tragen zum Familieneinkommen bei, sichern das Essen für Godwin und seine Mutter.

Geld für einen Brunnen und eine Kuh

In einem Dorf in Zentralkenia helfen sich behinderte Menschen gegenseitig.
Die Gruppe gewährt ihren Mitgliedern Kredite, damit sie sich etwas anschaffen können. | Bild: NDR

Auch bei Pharis hat das Geld der Gruppe viel verändert. Er konnte sich Zuhause einen Brunnen bohren lassen und eine Kuh kaufen. Die monatlichen Beiträge der Gruppenmitglieder finanzieren die Kredite. Jetzt hat der 57-Jährige noch einen großen Traum, auch für den wird die Gruppe ihm das Geld leihen. "Nächstes Jahr werden wir Steine und Zement kaufen und uns ein neues Haus bauen, das nicht aus Lehm besteht", sagt Pharis. "Wir werden es allen zeigen, dass auch wir aufsteigen können." Damit alle sehen können, dass ein behinderter Mensch es genauso weit schaffen kann wie alle anderen auch.

Autorin: Caroline Hoffmann, ARD Studio Nairobi

Stand: 31.07.2019 04:34 Uhr

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