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Polen: Rechtsdrall

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Polen: Rechtsdrall | Bild: SWR

Am 11. November feiert Polen den Tag seiner Unabhängigkeit. Und jedes Jahr nutzen rechte Gruppen den nationalen Feiertag, um zu zeigen wie stark sie mittlerweile sind. Ob die "Allpolnische Jugend" oder das "National Radikale Lager ONR".

Rechtsextreme Gruppierungen schaffen es mittlerweile leicht, Hunderttausende auf die Straße zu bringen, um gegen Fremde, Minderheiten und  auch gegen Europa zu demonstrieren.Nicht nur die polnische Regierung driftet immer deutlicher nach rechts und polarisiert das Land, auch ein Großteil der Jugend wendet sich radikal dem Nationalen zu.

Das Schwert als Symbol

Sie sind gut gelaunt auf dem Weg nach Warschau. Sie gehören zum ONR, dem Nationalradikalen Lager. Eine rechtsextremistische Organisation. Chefin der niederschlesischen Gruppe ist die 26–jährige Justyna Helcyk. Gerade hat sie ihr Chemiestudium beendet. Es geht zum alljährlichen Unabhängigkeitsmarsch. Die Binde zeigt das Symbol: Das Schwert in der Hand, die Mitglieder wähnen sich im Kampf. Immerhin 75.000 marschieren in diesem Jahr mit. "Es gibt immer mehr Attacken auf nationale Identität, katholische Religion, katholische Kirche. Wir wollen uns dagegen wehren, wir wollen hier alle zusammen sein und zeigen, dass man den polnischen Stolz nicht brechen kann."

Teilnehmer einer Demonstration mit Fahnen und Banner
75.000 Teilnehmer hatte der Unabhängigkeitsmarsch dieses Jahr.  | Bild: SWR

Es hat etwas Furchteinflößendes wie Zigtausende nationale Parolen skandieren und so durch die Stadt ziehen. Gott, Ehre, Vaterland rufen sie, und weg mit der EU. Manche werden auch präziser wie Politikstudent Mateusz von der allpolnischen Jugend, eine mitgliederstarke, offen rechtsextremistische Gruppe. "Wir wenden uns gegen das, was aus Westeuropa kommt: Immigranten, Werbung für Homosexualität und Abtreibung. Das sind alles zersetzende Trends."

Klares Feindbild

Extremer Nationalist sein, das ist in Polen offenbar kein Problem mehr. Ungestört beging das nationalradikale Lager seinen Jahrestag in Bialystok. Ausländischen Studenten wurde empfohlen in der Zeit im Wohnheim zu bleiben, es könnte gefährlich für sie werden, meinte die Unileitung. Das Nationalradikale Lager wurde schon 1934 gegründet, und schnell wieder verboten. Die Mitglieder waren gewalttätig und offen antisemitisch. Nach der Wende gründeten sie sich neu: die Mitgliederzahl ist geheim, das Feindbild ist klar. "An den Grenzen Europas stehen 5 Millionen Migranten. Der Dschihad ist schon da. Kein Pazifismus mehr. Komm zu uns."

Demonstranten mit Fahnen
"Gott, Ehre, Vaterland" lautet eine der Parolen.  | Bild: SWR

Letzte Woche in Warschau: Ordner vom ONR üben für den großen Marsch. Linke Provokateure sollen ausgeschaltet werden. Mit großen Problemen rechnen sie allerdings nicht. Seitdem die nationalkonservative Regierung an der Macht ist fühlen sie sich gut behandelt. "Als die Liberalen von der PO an der Macht waren,  wurden wir ständig von der Polizei überwacht, wurden wir unter Druck gesetzt", meint Damian Kita vom ONR. "Zur neuen Regierung haben wir, sozusagen, mehr Vertrauen, wir werden nicht mehr so verfolgt."

Glaube und Nation

Nationalisten sind auch im polnischen Parlament vertreten, wie Robert Winnicki. Er ist Chef der Gruppe Nationale Bewegung. Gewählt vor allem von jungen Polen, vielen war die Regierungspartei PIS nicht rechts genug. Er ist gegen die Liberalen, den Islam, die EU. Damit fühlt er sich hier in guter Gesellschaft. "Bei der regierenden Partei, denke ich, dass ich ziemlich viele leise Anhänger habe. Nach meinen Auftritten kriege ich meistens viel Beifall von der Seite."

Jedes Treffen der Allpolnischen Jugend beginnt mit einem Gebet: "Allmächtiger gib uns die Kraft, durchzuhalten im Kampf um Polen, für das wir unser Leben opfern." Es gilt für alle Nationalisten Polens, ein starkes Bekenntnis zur katholischen Kirche, Glaube und Nation gehören für sie zusammen. So kommt auch von der katholischen Kirche kaum offizielle Kritik an den Nationalisten. "Wir wollen eine Politik, die auf der christlichen Moral beruht, auf Werten des katholischen Glaubens", erklärt Mateusz Plawski von der Allpolnische Jugend.

Jacek Miedlar
Jacek Miedlar, Kultpriester der Rechten. | Bild: SWR

Fremdenfeindlichkeit und christliche Moral? Jacek Miedlar, ist der Kultpriester in den rechten Kreisen. Sein Auftreten aggressiv. "Gelobt sei Jesus Christus und sein heiliges Evangelium." Und dann kommt er schnell zur Sache. Es wütet gegen den Islam: "Wir müssen uns widersetzen. Wir wollen den Hass im Koran nicht." Evangelium statt Koran ruft die aufgepeitschte Masse. Und: nationaler Stolz. Nun reichte es auch der Kirche er verlor sein Priesteramt. Und macht als Youtube-Prediger weiter.

Die Stimmung im Land ändert sich

Dass sich die Stimmung im Land ändert, spürt auch Brian Scott, aus Guyana, er ist begeisterter Lehrer in Krakau, Sein Fach Englisch. Er ist mit einer Polin verheiratet. Bis vor kurzem noch fühlte er sich sehr wohl in seinem Gastland. Aber die Sorge wächst. "Ich habe meinen Kindern gesagt: Jungs, wenn ihr nicht nach der Dunkelheit nicht draußen sein müsst, dann lasst es. Und wenn ihr an bestimmten Orten nicht unbedingt sein müsst, dann meidet sie. Der echte Pole ist nun offenbar katholisch, der echte Pole darf kein Protestant sein, ein echter Pole ist weiß, er darf kein Araber sein, es darf kein Schwarzer sein. Ist also Brian Scott Pole? Verdammt ja! Ich liebe dieses Land."

Jerzy Kochanowski mit Verband am Kopf
Jerzy Kochanowski, in der Straßenbahn attackiert, weil er deutsch sprach.

Hassmotivierte Übergriffe haben im ersten Halbjahr um 13 Prozent zugenommen. Eine Attacke in einer Warschauer Strassenbahn machte Furore. Als dort ein polnischer Professor deutsch sprach wurde er angegriffen. "Der hat uns aufgefordert, dass wir in seiner Gegenwart kein Deutsch sprechen sollen", erzählt der Historiker Jerzy Kochanowski. "Ich habe ihm sehr ruhig erklärt, dass ich Deutsch sprechen muss, weil mein Bekannter, mit dem ich in der Straßenbahn saß, kein Polnisch kann. Dann stand er auf, und knallte seine Stirn gegen meine."

Es sind vor allem junge Menschen, die an diesem Wochenende in Warschau marschieren. Antiliberal, katholisch. Ihr Kick: Die polnische Nation. "Die ganze Woche habe ich nicht geschlafen", meint Justyna Helcyk nationalradikalen ONR, "das ist einer der schönsten Tage in meinem Leben."

Ein Bericht von Griet von Petersdorf (ARD-Studio Warschau).

Stand: 03.08.2019 14:11 Uhr

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