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Südafrika: Aids unter Kontrolle?

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Südafrika: Aids unter Kontrolle? | Bild: BR

Straßenstrich in Südafrika – für Prostituierte einer der gefährlichsten Arbeitsplätze der Welt: jeder fünfte Kunde hier könnte AIDS haben. "Manchmal platzen die Kondome", sagt Victoria, die nicht wirklich so heißt und nicht erkannt werden will. "Manche Kunden sind betrunken oder gehen sehr rau mit uns um. Manche Kunden täuschen uns und benutzen einfach kein Kondom."

"Victoria"
"Victoria" | Bild: Bild: BR

In diese Pille setzen Victoria und andere Prostituierte große Hoffnungen. In zehn Kliniken im Land können sie sie inzwischen kostenlos bekommen. Wer sie täglich einnimmt, hat einen Ansteckungsschutz von 90 Prozent. Und die Nebenwirkungen scheinen nicht schwer zu sein.

Mariette Slabbert
Mariette Slabbert | Bild: Bild: BR

Mariette Slabbert vom Nationalen AIDS-Rat Südafrika: "Was wir bisher erlebt haben, ist, dass der Wirkstoff manchmal Kopfschmerzen oder Übelkeit verursacht. Aber nach ein paar Monaten verschwinden diese Nebenwirkungen."

Medikament als Prävention

Zwei antiretrovirale Wirkstoffe sind enthalten. Bisher hat man sie als Medikament für bereits infizierte Patienten benutzt, um die Vermehrung des Virus einzudämmen. Doch der Wirkstoff funktioniert auch vorbeugend. Die Frage ist, wie viele südafrikanische Prostituierte tatsächlich auf das Angebot eingehen, denn sie müssten sich als Prostituierte outen. Und Sex zu verkaufen, ist in Südafrika illegal.

"Victoria", die Prostituierte, erzählt uns: "Die Polizei schikaniert uns: Sie stecken uns vier Stunden in eine Zelle und lassen uns nur gehen, wenn wir ihnen unser Geld geben. Auch in vielen Kliniken werden wir schlecht behandelt: statt sich um unsere Probleme zu kümmern, fragt man uns, ob wir auch Kondome verwenden und warum wir überhaupt als Prostituierte arbeiten."

Frauen vor der mobilen Klinik
Frauen vor der mobilen Klinik | Bild: Bild: BR

Mit mobilen Kliniken in LKWs fahren die AIDS-Berater deshalb hin zu den Prostituierten, statt auf ihren Besuch zu warten, so wie hier in Pretoria. Wo immer sie die Klinik aufbauen, sie versuchen die Angst zu nehmen und über den neuen Wirkstoff zu informieren. Vor allem erinnern sie in Gesprächen immer wieder daran, dass man die Pille regelmäßig einnehmen muss.

Systematische Behandlung und Vorbeugung

Mariette Slabbert, Nationaler AIDS-Rat Südafrika: "Es ist sehr einfach: eine Pille am Tag – dann seid ihr geschützt.“

Wer in die mobile Klinik kommt, wird zuerst auf HIV getestet. Wer bereits infiziert ist, nimmt den Wirkstoff zur Eindämmung der Krankheit. Wer noch gesund ist, nimmt ihn zum vorbeugenden Schutz. Viel Disziplin verlange die Einnahme von den Prostituierten, denn man könne die Pille nicht spontan kurz vor einem Geschlechtsverkehr einnehmen. Die Schutzwirkung entsteht erst nach drei Wochen täglicher Einnahme.

Bald will Südafrika das Medikament kostenlos auch an andere junge Frauen verteilen. Und auch auf dem freien Markt ist es zum Kauf erhältlich. Sogar manche Krankenkasse zahlt schon für die Pille.

Kondome immer noch als erste Wahl

Kondome werden damit aber nicht überflüssig. Nach wie vor verteilen diese Sozialarbeiterinnen sie kostenlos an die Prostituierten. Vor allem deshalb, weil man sich vor anderen Geschlechtskrankheiten nur so schützen kann.

Mariette Slabbert vom Nationalen AIDS-Rat Südafrika ist eindeutig: "Wir empfehlen ganz klar weiter Kondome zu benutzen. Die neue Pille gibt dann zusätzliche Sicherheit, für den Fall, dass mit dem Kondom etwas schief geht. Dann hat man immerhin 90 prozentigen Schutz gegen HIV."

Eine Prostituierte auf der Straße
Eine Prostituierte auf der Straße | Bild: Bild: BR

Die Diskussion um die neue Pille, sie hat in Südafrika auch eine neue Diskussion um die Ware Sex ausgelöst. Die Prostituierten selbst hoffen, dass ihnen das am Ende mehr Verständnis für ihre Situation bringen wird. Noch einmal "Victoria": "Wir Prostituierte tun doch niemandem etwas zuleide. Deshalb sollte man uns auch nicht mehr als Kriminelle behandeln. Wir rauben niemanden aus, wir verdienen einfach nur Geld, um unsere Familien und Kinder zu ernähren."

Die Legalisierung der Prostitution würde auch den Kampf gegen AIDS erleichtern, ist Victoria überzeugt. Es sei ganz einfach, so sagt sie: gesunde Prostituierte bedeuten am Ende auch gesunde Kunden.

Autor: Thomas Denzel, ARD Johannesburg

Stand: 12.07.2019 07:42 Uhr

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