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Myanmar: Stoff aus Lotus und das Ende des Idylls

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Myanmar: Stoff aus Lotus und das Ende des Idylls | Bild: SWR

Seltene Einblicke in das jahrzehntelang verschlossene Myanmar gibt Ostasien-Korrespondent Norbert Lübbers. Er fand einen Stoff, der sieben Mal teurer ist als Seide und ein Land wie ein Idyll, das aber durch die Öffnung in Gefahr gerät.

Die Lotusblüte - sie steht für Reinheit, Fruchtbarkeit und Erleuchtung! Kyi Thin Nwe und Kyu Kyu Lin nennen sie Buddhas heilige Pflanze. Die beiden haben es auf die Stengel abgesehen. Denn tief im Inneren versteckt sich ein kostbarer Schatz - ein Stoff, dem magische Kräfte nachgesagt werden. “Wir nehmen nur die besten Pflanzen für die Verarbeitung“ erklärt Kyu Kyu Lin. „Das hat Tradition. Und das gibt es nur hier!”

Fischer auf Boot
Ein Fischer auf dem Inle-See | Bild: SWR

Hier - das ist der Inle See - im Herzen Myanmars. Die Heimat der Intha, der „Menschen vom See". Auf dem Wasser haben sie ihre ganz eigenen Fähigkeiten entwickelt. Stundenlang stehen die Fischer auf einem Bein, mit dem anderen umschlingen sie ihr Paddel. Nur so haben sie beide Hände frei, um die Netze auszuwerfen. Das Leben der Intha - eine Symbiose mit dem Element Wasser. Tomaten, Bohnen und Reis - all das bauen sie auf schwimmenden Gärten an. Hier mit beiden Beinen stehen - unmöglich. Der Boden gibt jedem Druck nach. Nur mit Bambuspfählen sind die Gärten am Grund des Sees verankert.

Pflanzenfasern
Aus diesen hauchdünne Fasern entsteht der teuerste Stoff der Welt | Bild: SWR

Kyi Thin Nwe und Kyu Kyu Lin sind von der Lotus-Ernte zurück. Viel Zeit bliebt ihnen nicht. Die Pflanzen müssen verarbeitet werden, solange sie noch feucht sind. Ein kurzer Schnitt. Und dann werden sie sichtbar: hauchdünne Fasern - fein wie Spinnweben. Aus ihnen machen sie den teuersten Stoff der Welt! Lotusseide. Buddhas Faden ist filigran. Er erfordert Geschick, Geduld und viel Zeit. Gerade mal 20 Meter Faden schaffen die Frauen an einem Tag. Ein jahrhundertealtes Handwerk - weitergegeben über Generationen. “Uns ist es nicht erlaubt, Lotusseide zu tragen“ sagt die Lotusweberin Kyu Kyu Lin. „Nur Buddha war rein genug war, um diesen kostbaren Stoff zu tragen. In Myanmar ist das sonst nur noch den Mönchen erlaubt!”

Doch jetzt sind die Touristen da. Und mit ihnen das Geld! Die heilige Lotusseide kann nun jeder tragen, der es sich leisten kann. Nach 50 Jahren Militärdiktatur weht ein Wind des Wandels durch Myanmar. Am Inle See hat er vor allem das Geräusch knatternder Motoren. Seit die Touristen das Land entdecken, ist es mit der Ruhe vorbei. ... Und die Fischer vom Inle See sind nun heißbegehrtes Motiv für den Schnappschuss! Noch vor Sonnenaufgang fährt Kyaw Kyaw Win raus zu seinen Netzen. Es sind nur kleine Fische, aber es reicht, um die Familie zu ernähren. Den Aufbruch in Myanmar - den bekommt auch er zu spüren. “Klar ist das gut, dass die Touristen an unseren See kommen. Doch für uns Fischer ist es schwieriger geworden. Immer öfter müssen wir die Netze flicken, wenn die Schnellboote sie zerreißen!”

Webstuhl
Nur wenige Frauen beherrschen die Kunst am Webstuhl | Bild: SWR

Nicht nur die Touristen kommen. Die Lotusseide zieht Händler aus Europa und Japan an den Inle-See. An diesen Webstühlen entsteht purer Luxus. Nur wenige Frauen beherrschen diese Kunst. Für einen Dollar pro Tag weben sie Lotusseide. Ein kleines Halstuch kostet 100 Mal so viel. “Lotusseide ist wie kein anderer Stoff“ meint Kyu Kyu Lin Es heisst, wenn Du krank bist und Dir einen Schal aus Lotusseide umlegst, dann lassen die Schmerzen nach!” Der Chef der Seidenfabrik ist zufrieden. Lotusseide - gefragt wie nie - als Souvenir und als Exportschlager. Ganze Ballen von Buddhas Faden gehen inzwischen nach Italien. Ein maßgeschneidertes Jackett kostet dort dann 7000 Euro. “Die Reformen sind gut für Myanmar“ sagt der 77jährige U Aye Maung. „Endlich können wir uns der Welt zeigen. Für mich ist das eine Chance, das Geschäft international aufziehen. Lotusseide hat eine goldene Zukunft!”

Doch der Wandel im Land - er hat zwei Geschwindigkeiten.Für das Volk der Intha hat sich bisher nicht viel verändert. Ihr Leben in Häusern auf Stelzen - ein idyllisches Fotomotiv. Doch für die Menschen auf dem See ist es Alltag - und nichts anderes als Armut. Strom, fließendes Wasser oder ein Handy - all das bleibt für sie unerschwinglich. Am Abend ist das Knattern der Touristenboote verstummt. Für ein paar Stunden gehört der Inle See nun wieder ganz allein ihnen - dem Volk der Intha!

Autor: Norbert Lübbers, ARD Singapur

Stand: 22.04.2014 13:52 Uhr

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