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Syrien: Aleppo vor der Schlacht

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Syrien: Aleppo vor der Schlacht | Bild: Das Erste

Aleppo ist eine geteilte Stadt, seit langem. Doch jetzt, nachdem die Truppen Assads mehrere Rebellenorte an der Grenze zum Libanon zurückerobert haben, sucht das Regime offenbar die Wende auch im Kampf um die zweitgrößte Stadt Syriens. Truppen werden zusammengezogen. Derweil strömen immer mehr kampferfahrene Dschihadisten, viele aus Tschetschenien und dem Irak, in die Stadt. Sie dominieren dort mittlerweile die Opposition und kämpfen für einen islamischen Staat. Eine aktuelle Reportage von Kurt Pelda.

Verschnaufpause im Krieg. Syrische Kurden stimmen ein Freiheitslied an. In ihrem Viertel im Norden Aleppos. Tanz mit Laute und Sturmgewehr. „Normalerweise organisieren wir kurdische Kultur-Veranstaltungen. Seit kurzem aber müssen wir unser Viertel vor den Soldaten Assads verteidigen. Viele Kurden mussten aus der Stadt fliehen, kaum einer ist geblieben. Wir hier sind also gezwungen, uns zu bewaffnen und zu kämpfen.“

Bewaffnete Rebellen
Die Rebellen der Freien Syrischen Armee fühlen sich waffentechnisch unterlegen | Bild: SWR

Wenig später beginnt das, was sie Verteidigung nennen. Mit Schießbaumwolle befüllen sie einen selbstgebauten Mörser. Ihr Ziel: Ein benachbartes Stadtviertel, das noch von den Truppen Assads kontrolliert wird. Wahllos wird in das Wohngebiet hineingeschossen. Laut bejubeln sie den Einschlag: „Gott ist groß“! Eine schwer umkämpfte Front liegt etwas außerhalb Aleppos, beim Vorort Kafr Hamra. Seit ein paar Tagen werden die Nachschublinien der Rebellen wieder heftig von Regierungstruppen beschossen. Ganz offensichtlich versammeln sich Regierungs-Truppen, um einen Groß- Angriff auf Aleppo zu starten. In den Schützengräben dort drüben, so sagt man uns: Hunderte Kämpfer der libanesischen Hisbollah. Seite an Seite mit Assads Armee. „Die Hisbollah ist keine normale Armee sondern die Armee des Teufels“, schimpft einer der Rebellen. Dank der Hisbollah konnte Assad in letzter Zeit einige kleinere Städte zurückgewinnen. Die Kämpfer der Freien Syrischen Armee bräuchten dringend eine bessere Bewaffnung. „Dort drüben haben sie Panzer, die stärksten Waffengattungen und auch Panzer-Abwehrgeschosse“, sagt Hamdi Amin Hashab, Kommandant bei den Rebellen. „Auf ihren Panzern haben sie die gelbe Flagge der Hisbollah gehisst.“

Ein paar Meter hinter der Front: Sandsäcke füllen im Akkord. Diese Männer sind Gefangene. Sie haben Glück gehabt, sie wurden nicht ermordet, wie viele andere. Dieser Krieg verläuft immer mehr entlang religiöser Zugehörigkeiten. Schiiten gegen Sunniten und umgekehrt. Die Gefangenen müssen einen Schutzwall aufbauen gegen die anrückenden Truppen. Häuser werden vermint. Sprengfallen gelegt.

Wohin dieser Krieg führen wird, lässt sich sehen nördlich von Aleppo. Genauer: am Flughafen in Minnagh. Seit fünf Monaten belagern Rebellen den Stützpunkt des Regimes. Im Wasserturm verschanzt: Assads Truppen. Die die hier den Kampf gegen Assad anführen, sind keine Syrer. Es sind Tschetschenen. Sie zu filmen ist streng verboten. Es sind hunderte Glaubenskrieger – straff organisiert. Nur diese eine Aufnahme von ihnen gelingt uns heimlich. Und überall flattern die Fahnen von al-Qaida. Die Terrortruppen haben Syrien auch zu ihrem Schlachtfeld gemacht. Hier in Minnagh führt sie das Kommando. Die Felder rings um Aleppo brennen bereits.

Scharfschütze
Scharfschütze bezieht Position | Bild: SWR

Zurück ins Zentrum der Stadt. Ins Viertel Salaheddin. Tücher dienen als Sichtschutz. Assad-Soldaten und Rebellengruppen sind manchmal nur einen Block voneinander entfernt. Scharfschützen gibt es auf beiden Seiten. Das Leben hier scheint unwirklich. In Gefechtspausen kümmern sich Kämpfer der Rebellenarmee FSA um ihren Nachwuchs. „Ich habe meine Kinder am Anfang zu Hause gelassen. Dann wurden Raketen auf mein Haus geschossen und seitdem sind die Kinder hier bei mir an der Front.“ Kein Spiel ist es für diese Jungs. Sie sind Kämpfer der Freien Syrischen Armee. Kindersoldaten auf beiden Seiten. „Seit wann bist Du bei den Rebellen?“ „Einen Monat“, antwortet der 15-Jährige Khaled. Dann gehen sie zusammen mit Eltern und Verwandten auf Patrouille. Sie durchkämmen Hinterhof für Hinterhof. Scharfschützen beziehen Position. In einem Krieg, der vielleicht in seine entscheidende Phase geht. In dem es aber keinen Gewinner geben wird.

Stand: 15.04.2014 11:18 Uhr

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