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Nigeria: eine Wahl – zwei Welten

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Nigeria: eine Wahl - zwei Welten | Bild: ARD

Willkommen in Eco Atlantik City – der schönen neuen Welt Nigerias. Hier, vor den Toren der Mega-Metropole Lagos entsteht gerade ein Stadtteil der Superlative – mitten auf dem Atlantik.

Millionen – ach was, Milliarden Tonnen Sand werden dafür aufgeschüttet und befestigt, erzählt die Sprecherin des Projekts, Valentina Halim. Sie ist Nigerianerin, hat in London studiert, lebt jetzt wieder in Lagos – weil es hier – anders als in Europa – boomt, sagt sie.

Valentina Halim, Sprecherin Eco Atlantic:

»Hinter mir entsteht ein Hochhaus mit 84 Apartments. Die sind alle verkauft. Das kleinste – mit zwei Zimmern kostet 710 Tausend Dollar. Das sind ja Preise wie in Manhattan, sage ich. Ja, wir wollen ja auch so sein wie Manhattan.«

Und so soll das nigerianische Manhattan mal aussehen: Luxuswohnungen, im Luxusviertel für Luxusmenschen. Und immer mehr können sich das auch leisten. Im Süden Nigerias wohlgemerkt.

Finanziert und gebaut wird Eco Atlantic von ausländischen und nigerianischen Investoren und Ingenieuren. Mit Boko Haram und dem Leid im Norden des Landes scheint das hier – gar nichts zu tun zu haben.

George Carapiperis, Projektdirektor/Ingenieur:

»Der Terror ist doch weit weg. Und hoffentlich bekommen sie es dort bald in den Griff.«

Nigeria ist gespalten. Der Süden ist vor allem christlich. Hier sitzt das Geld. Die Zahl der Superreichen wächst. Und die Zahl derer, die es werden wollen auch. Für sie ist Nigeria voller Möglichkeiten. So wie für Valentina. Viele kommen wie sie aus dem Ausland zurück, weil sie hier mehr Chancen sehen. Wer die Wahlen nächste Woche gewinnt spielt für sie –  keine Rolle.

Immer mehr Superreiche. Die Millionen-Metropole Lagos boomt.
Immer mehr Superreiche. Die Millionen-Metropole Lagos boomt.

Tosim Ofufa:

»Nigeria ist auf der Überholspur. Egal wer gewinnt – wir greifen nach den Sternen.«

Wir verlassen Lagos, die größte Wirtschaftsmetropole des Südens – und reisen nach Kano – in die größte Wirtschaftsmetropole des Nordens.

Etwa 11 Millionen Menschen leben hier. Vor allem Muslime. Die Stadt ist eigentlich die Handelsmetropole im Norden. Eigentlich. Seit dem Terror der radikalislamischen Boko Haram hat sich alles geändert. Auch auf dem zentralen Markt von Kano. Erst vor drei Monaten haben zwei Selbstmordattentäter Dutzende Menschen mit in den Tod gerissen. Seitdem leben die Bewohner in ständiger Angst, erzählen die Händler.

Händler 1:

»Wegen des Terrors habe ich kaum noch Kunden. Die kommen nicht mehr hierher. Mein Geschäft ist zu 80 Prozent eingebrochen.«

Fehlende Kunden, das sei die eine Sache. Schlimmer noch wäre, dass sie ihre Waren nicht mehr exportieren könnten. Ihre Handelsrouten führen durch Boko Haram Gebiet.

Händler 2:

»Früher hatten wir viele Kunden in unseren Nachbarländer Tschad, Niger und Kamerun. Die sind nur einige hundert Kilometer entfernt. Doch wegen der Kämpfe durch Boko Haram sind die Grenzen dicht. Es gibt keinen Handel mehr zwischen uns.«

Für die Menschen hier spielen die Wahlen sehr wohl eine Rolle.

Händler 3:

»Die jetzige Regierung tut nichts für uns, für den Norden. Alles Übel passiert doch nur im Norden und den Präsidenten kümmert das nicht, weil er aus dem Süden kommt. Wir beten dafür, dass es einen Wandel geben wird.«

Geschäfte im Norden Nigerias - hier ist der Einfluss von Boko Haram vor allem zu spüren.
Geschäfte im Norden Nigerias - hier ist der Einfluss von Boko Haram vor allem zu spüren.

Auch im Industriegebiet von Kano: ein erschreckendes Bild. Eine Fabrik nach der anderen musste dicht machen. Die Konkurrenz durch Billig-Produkte aus China war schon hart.

Der Terror hätte ihnen nun das Genick gebrochen, erzählt Nasiru Sani. Er recycelt Plastik und stellt daraus Löffel und Eimer her. Ein Familienbetrieb, der mal richtig gut lief. Jetzt kämpfen auch sie ums Überleben.

Nasiru Sani, Kabawa Plastik:

»Wir haben nur zwei Stunden Strom am Tag. Wie soll man da produzieren? Früher, vor dem Terror, konnte ich mir wenigstens Generatoren leisten, weil der Handel mit den Nachbarländern funktionierte. Jetzt geht das nicht mehr.«

Vierzig Angestellte hatte er. Jetzt kann er sich gerade mal vier leisten. Immer wieder kommen ehemalige Arbeiter vorbei, so wie Usman. Fragen, ob es vielleicht etwas zu tun gibt. Es breche ihm das Herz, sagt Nasiru Sani, ihn wieder wegzuschicken.

Jeden Tag läuft Usman durch die Stadt, in der Hoffnung, irgendwo, irgendwas zu verdienen. Drei Kinder hat der 32jährige. Alles, was er sich wünscht, sei dass sie zur Schule gehen können, mal eine bessere Zukunft haben, sagt er.

Doch zurzeit wissen er und seine Frau oft nicht einmal, wie sie ihre Familie ernähren sollen.

Usman Ali:

»Unser Leben ist ein ständiger Kampf. Jeden Tag geht es nur darum, etwas zu essen zu bekommen. Ich bin jung und stark. Aber trotzdem ist es so schwer eine Arbeit zu finden.«

So geht es Abertausenden Menschen im Norden Nigerias. Während die jungen Erfolgreichen im Süden nach den Sternen greifen – greifen sie nach jedem Strohhalm.

Und beten. Die Ungerechtigkeit sei vielleicht mal ein Grund gewesen, warum sich manche Männer der Terrorgruppe Boko Haram angeschlossen hätten, sagt Usman. Aus Hoffnungslosigkeit und um sich zu wehren. Doch eigentlich, ist er überzeugt, wollen alle nur Frieden und Arbeit. Eine Zukunft eben.

ARD Studio Nairobi/Autorin: Shafagh Laghai

Stand: 23.03.2015 11:35 Uhr

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