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Die Rache der Marianne Bachmeier

Marinne Bachmeier
Marinne Bachmeier | Bild: WDR/dpa

6. März 1981. Marianne Bachmeier erschießt im Gerichtssaal von Lübeck den Mann, der ihre Tochter Anna ermordet hat. Eine größere Sensation hat die deutsche Justizgeschichte bis dahin nicht erlebt. Entsprechend groß die öffentliche Anteilnahme am Schicksal der Frau, die 'aus Liebe zu ihrer Tochter Rache' nahm. "Den hätte ich auch erschossen. Die Frau muss freigesprochen werden", so die Meinung der Lübecker Bürger.

Marianne Bachmeier ist eine attraktive Frau. Die Männer liegen ihr zu Füßen. Dennoch wählt sie immer die falschen aus. Sie lässt sich von ihnen reinlegen und ausnehmen. Sie ist immer das Opfer. Sie scheint unglückliche Beziehungen zu bevorzugen. Sie kann wohl nicht glücklich sein.

Das ist die Geschichte, die vor Prozessbeginn in vielen Medien ausgebreitet wird. Durch die Boulevardpresse aufgewühlt, ist sich dabei Volkes Meinung einig: diese Frau verdient eher Lob für ihre Tat als Gefängnis. Drohbriefe erreichen das Gericht: Sollte Marianne Bachmeier bestraft werden, haften Staatsanwalt und Richter mit ihrem Leben.

Im November 1982, im Prozess gegen die "Rachemutter" Marianne Bachmeier, werden ihre Anwälte die Justiz für Grabowskis Verbrechen mitverantwortlich machen. Klaus Grabowski war mehrfach wegen Sexualdelikten an Kindern vorbestraft. Die Argumentation der Anwälte: hätte die Justiz dem unter Bewährungsaufsicht stehenden Grabowski untersagt, sich nach seiner Kastrierung einer Hormonbehandlung zu unterziehen, dann wäre Anna nicht ermordet worden und Marianne Bachmeier hätte nicht Rache üben müssen.

Marianne Bachmeier sagt vor Gericht aus, sie habe gar nicht töten wollen. Sie habe ganz unüberlegt aus dem Affekt heraus geschossen. Sie habe auch nie schießen geübt. Sie wird zu sechs Jahren Haft verurteilt und nach drei Jahren bereits entlassen.

Doch die Geschichte der Marianne Bachmeier muss noch einmal geschrieben werden. Die Wahrheit sieht anders aus. Der Staatsanwalt war schon damals davon überzeugt, dass Marianne Bachmeier nicht die volle Wahrheit gesagt hatte: "Das war eine hervorragende Schützenleistung. Das kann man nur, wenn man geübt hat." Und Freunde von damals bestätigen, dass Marianne Bachmeier sehr wohl Schießübungen gemacht hat, sich somit doch auf den Ernstfall vorbereitet hat.

In einem Live-Auftritt bei "Fliege" gibt Marianne Bachmeier 1995 selbst zu, dass sie den Mörder ihrer Tochter nach reiflicher Überlegung erschossen hat, um Recht über ihn zu sprechen, und um ihn daran zu hindern, weiter gemeine Unwahrheiten über Anna zu verbreiten. Es war also doch ein Racheakt.

Doch auch das Bild der fürsorglichen liebevollen Mutter gerät etwas ins Wanken. Marianne Bachmeier hatte zwei frühe Töchter zur Adoption weggegeben und wollte auch ihr drittes Kind Anna einem befreundeten Ehepaar überlassen. Eine Schulfreundin erinnert sich, dass Anna "wie ein freier Vogel war... Aber sie hatte einfach kein Zuhause."

Alle, die Anna kannten, schwärmen noch heute von diesem wunderbaren Mädchen, das mit sieben Jahren sterben musste. Michael Grambergs Film wird dann auch eher zu einer Widmung an das Kind als an die schillernde Figur der Mutter, die damals so im Vordergrund gestanden hatte.

Film von Michael Gramberg (WDR)

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