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Kleine Helden im Dienst des Menschen

Goldfliegen
Goldfliegen fressen fast alles. | Bild: hr

Fliegen, Ohrenkneifer, Kellerassel – vielen Menschen läuft schon beim Gedanken an diese Krabbeltiere ein kalter Schauer über den Rücken. Sie finden sie einfach nur eklig und lästig. Dabei haben Kellerassel und Co echte "Superkräfte" und leisten uns wichtige Dienst. Die Kellerassel hält den Nährstoffkreislauf in Schwung. Der Ohrenkneifer entlaust Pflanzen und ohne die Goldfliege würden Großstädte im Unrat ersticken.

Goldfliegen sind kostenlose Reinigungskräfte

Gerade noch saß die Goldfliege auf dem Hundehaufen, schon hat sie es auf unser Essen abgesehen, schwirrt über dem Esstisch und lässt sich auf unseren Lebensmitteln nieder. Ein Grund, warum Menschen sich vor ihr ekeln. Die Goldfliege frisst fast alles: tote Tiere, Wurst und Fleisch, Obst und sogar Kot. Einmal fündig geworden, saugt das Insekt die Nahrung auf, denn Zähne oder Mundwerkzeuge besitzen Goldfliegen nicht. Was fest ist, wird flüssig gemacht: Dazu "spuckt" die Fliege Speichel aus, der das Futter vorverdaut. Die Flüssigkeit wird dann mit dem Rüssel aufgesogen. Durch diesen Trick werden tierische Überreste regelrecht weggesaugt. Zugegeben, besonders hygienisch ist das nicht. Vor allem dann nicht, wenn die Fliege sich unsere Nahrung als Brutstätte für ihre Nachkommen aussucht – zum Beispiel in Fisch oder Fleisch. Das Weibchen legt Pakete mit jeweils bis zu 200 Eiern. Die Fliege lebt nur wenige Wochen. In dieser kurzen Zeit kann sie insgesamt bis zu 3.000 Eier produzieren. Damit die Larven gut gedeihen, brauchen sie nahrhaftes Futter. Auf der Suche danach hilft der Fliegenmutter ihr feiner Geruchssinn.

Goldfliegen sind vermehrungsfreudig

Kaum geschlüpft, fangen die Maden an zu fressen. Ihre Tischmanieren sind dabei um einiges besser als die ihrer Eltern: Fliegenlarven speisen mit einer Art Besteck, sogenannten Mundhaken. Mit ihnen raspeln sie ihre Nahrung Stück für Stück klein.
Tatsächlich profitieren auch wir Menschen vom Hunger der Insekten, zum Beispiel in städtischen Parks. Denn der Fliegennachwuchs gedeiht auch prächtig in Hundekot. Ein Hundegeschäft wiegt im Durchschnitt 60 Gramm. Um solch einen Haufen zu verputzen, genügen theoretisch die Nachkommen von vier Goldfliegen. Bei mehr als acht Millionen Hunden in Deutschland haben die gefräßigen Putzkolonnen gut zu tun – und leisten einen wichtigen Beitrag, damit Städte sauber bleiben.

Wie schnell die Larven ihr Verpuppungsgewicht von 50 Milligramm erreichen, hängt übrigens von der Temperatur ab: Bei 20 Grad brauchen sie etwa 108 Stunden, bei hochsommerlichen 30 Grad nur knapp halb so lang.
Die ausgewachsenen Fliegen machen sich auch noch auf andere Weise nützlich: Als Zwischensnack nehmen sie gern einen Schluck aus dem Blütenkelch. Damit sind sie wichtige Bestäuber für Pflanzen.

Kellerasseln produzieren Dünger

Um Abfälle kümmert sich auch die Kellerassel. Sie sieht aus wie ein Käfer, also ein Insekt – ist aber ein Krebs. Die Krabbler lieben es feucht und dunkel, ein Milieu, das früher oft in Kellern herrschte. Heute sind Kellerasseln unter Blumentöpfen, in Komposthaufen, Mauerspalten oder Totholz zu finden.

Kellerasseln sind perfekte Abfallverwerter im Dienst unserer Umwelt: alte Blätter, kleine Kadaver, sogar den eigenen Kot fressen sie. Daraus machen sie unter anderem Kohlenstoff, Phosphor oder Stickstoff: wichtige Nährstoffe für Pflanzen – also Dünger. Auch vor ihrer eigenen Haut machen die fleißigen Krabbeltiere nicht Halt. Vierzehn Mal häutet sich eine Assel bis sie ausgewachsen ist, die alte Hülle wird verspeist. Auch sie liefert Nährstoffe, beispielsweise Kalk für den eigenen Chitinpanzers. Kellerasselweibchen legen ein bis drei Mal pro Jahr Eier und können etwa zwei Jahre alt werden. Bis zu 285 Nachkommen kann ein Weibchen erzeugen.

Kellerasseln fressen Giftstoffe

Grafische Darstellung einer Kellerassel mit drei Giftschildern
: Pflanzenschutzmittel, Medikamente, Schwermetalle – Kellerasseln haut nichts um | Bild: hr

Die kleinen Landkrebse haben aber noch eine weitere beeindruckende Fähigkeit: Sie vertilgen auch Pflanzenschutzmittel, Medikamente, Schwermetalle wie Cadmium und sogar krebserregende Kohlenwasserstoffe – und speichern die Schadstoffe in ihrem Körper. Stirbt die Assel, werden die Gifte allerdings wieder freigesetzt. Die kleinen Krebse sind also keine Lösung für unser Giftmüllproblem. Allerdings könnten Untersuchungen an Kellerasseln zeigen, wo die Umwelt besonders belastet ist.

Ohrenkneifer fressen Blattläuse

Ohrenkneifer
Ohrenkneifer im Garten schützen vor Schädlingen. | Bild: hr

Ebenfalls nützlich, aber unbeliebt – ja sogar gefürchtet – ist der Ohrenkneifer. Im Mittelalter wurde das Insekt zermahlen und bei Ohrenschmerzen verabreicht. Daher stammt vermutlich auch sein Name. Doch das nachtaktive Insekt kriecht weder ins Ohr, noch kneift es hinein. Für Blattläuse ist der Ohrenkneifer allerdings gefährlich, denn sie sind sein Leibgericht. Deshalb lohnt es sich, die Schädlingsbekämpfer im eigenen Garten zu fördern, statt zu vertreiben. Das spart Pflanzenschutzmittel. Auch wer keine wurmstichigen Äpfel mag, sollte sich mit dem Ohrenkneifer gut stellen. Denn er frisst die Eier und Raupen des Apfelwicklers. Der Apfelwickler ist im Obstbau sehr gefürchtet, denn die Raupen des Schmetterlings richten große Schäden an. Deshalb: Je mehr Ohrenkneifer im Garten sind, desto besser.

Viele Ohrenkneifer dank Ohrenkneiferhotel

Ohrenkneifer sind ebenfalls sehr vermehrungsfreudig: Bis zu 90 Eier legt ein Ohrenkneiferweibchen in Erdlöcher oder Baumritzen, manchmal sogar zweimal im Jahr. Ohrenkneifer betreiben – für Insekten ungewöhnlich – intensive Brutpflege. Ähnlich wie Aschenputtel sortiert die Mutter schlechte, beispielsweise von Pilzen befallene Eier aus. Die guten werden geputzt und vor Feinden beschützt. Die Jungtiere schlüpfen nach etwa einer Woche. Die Entwicklung vom Ei bis zum fertigen Ohrenkneifer dauert etwa einen Monat. Dann ist eine kleine Armee einsatzbereit, zum Beispiel für eine Mission im Rosenbeet. Um die Schädlingsbekämpfer dort hinzulocken, wo man sie braucht, gibt es mittlerweile sogar spezielle "Ohrenkneiferhotels" bestehend aus Tontopf und Stroh. Die kann man dorthin hängen, wo die Tiere gebraucht werden.

Autorin: Katrin Linke (HR)

Stand: 15.08.2020 12:50 Uhr

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Sa., 28.09.19 | 16:00 Uhr
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