SENDETERMIN So., 02.12.07 | 17:03 Uhr | Das Erste

Golfstrom in Gefahr?

Von hier aus kommt der Golfstrom zu uns: der Karibik. Die Sonne über dem Äquator sorgt für Wassertemperaturen von fast 30 Grad. Das warme Wasser fleißt dann nach Norden.

Angezogen von einem ungeheuren Sog, überquert es den Atlantik und erreicht schließlich Europa. Hier sorgt es für das typische Klima mit kurzen, milden Winter und warmen Sommern – bis in den hohen Norden.

Ein Kreislauf des Wassers

Im Nordmeer um Grönland kühlt das Wasser ab. Kaltes und salzhaltiges Wasser hat eine hohe Dichte und sinkt daher in die Tiefe. Dort fließt es kontinuierlich wieder zurück in die Golfregion – der Kreislauf ist geschlossen.

Dieser Saugmotor sorgt seit Jahrtausenden für eine stabile Strömung - eine transatlantische Zentralheizung, die verlässlich für das milde Klima in Europa sorgt.

Ob der Golfstrom mit dem gegenwärtigen Klimawandel kippt oder nicht, entscheidet sich in Grönland. Nur wenn der Salzgehalt im Nordatlantik so hoch ist, dass genug schweres und kaltes Salzwasser in die Tiefen sinkt, bleibt der Golfstrom so stabil, wie die letzten 8.000 Jahre.

Empfindliches Kreislaufssystem

Allerdings reagiert der Golfstrom als nicht-lineares System durchaus empfindlich auf starke Einträge von Süßwasser. Wenn nämlich im Norden zu viel Eis schmilzt, gerät der Saugmotor des Golfstroms ins Stocken. Eis nämlich besteht aus Süßwasser, und das ist leichter als Salzwasser.

Dadurch würden die Wassermassen nicht mehr Absinken, der Golfstrom im schlimmsten Fall zum Stillstand kommen. Das ist im Laufe der Erdgeschichte schon mehrfach geschehen – mit katastrophalen Folgen.

Eiszeit durch Klimaerwärmung

Dies geschah vor 8.000 Jahren: Damals lag auf dem nordamerikanischen Kontinent ein Panzer aus gefrorenem Süßwasser. Durch die damalige Klimaerwärmung wurde das Eis immer schwächer.

An der dünnsten Stelle gab der Eispanzer nach. 160.000 Kubikkilometer Wasser – das ist das achtfache Volumen der Ostsee ergossen sich über die Hudson-Bay in den Nordatlantik. Das Süßwasser brachte die Motoren des Golfstroms zum Stillstand. In Europa brach die bisher letzte Eiszeit aus, obwohl die Temperaturen weltweit stiegen.

Arktis erwärmt sich besonders schnell

Viele Forscher befürchten, dass der heutige Klimawandel ganz ähnliche Auswirkungen haben könnte. Das Eis der Arktis nämlich ist ein gigantisches Süßwasserreservoir, das ebenfalls ausreichen würde, den Golfstrom zu stoppen. Und gerade in der Arktis erwärmt sich das Klima derzeit viel schneller als irgendwo sonst auf der Erde.

Grönland taut auf

Grönland gibt zur Zeit etwa 230 Kubikkilometer Süßwasser pro Jahr in den Nordatlantik ab. Das ist offensichtlich noch zuwenig, um den Golfstrom zu gefährden. Allerdings steigt die Menge jedes Jahr an.

Wie sich das Inlandeis Grönlands in den nächsten Jahrzehnten verhalten wird, ist auch in der Wissenschaft umstritten. Fakt ist: Grönland taut an den Rändern, der Schmelzwasserabfluss steigt, die Zahl der Eisbeben nimmt zu, die Durchschnittstemperaturen steigen an.

Die Klimamodelle sagen voraus, dass es zu stärkeren Niederschlägen in Form von Schnee über Grönland kommen wird. Aber auch bei einer ausgeglichenen Massenbilanz bedeutet dies einen verstärkten Süßwasserabfluss.

Wenn der Golfstrom wieder kippt, wären die Folgen der globalen Erwärmung in Westeuropa paradoxerweise längere und härtere Winter – womöglich sogar eine kleine neue Eiszeit.

Autor: Dethlev Cordts
Bearbeitung: Sebastian M. Krämer

Stand: 11.05.2012 13:03 Uhr

Sendetermin

So., 02.12.07 | 17:03 Uhr
Das Erste

Externe Links