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Tausendsassa Zwiebel

Wer sich auf dem Münchner Viktualienmarkt einmal mit einer Standl-Frau wie Brigitte Dworschak unterhält, der erfährt: Mit der Küchenzwiebel lässt sich weit mehr machen als nur ein schmackhaftes Mittagessen! Die Zwiebel ist ein wahrer Tausendsassa - ein traditionelles Hausmittel.

Mit dem Lauchgewächs kann man Insektenstiche, Abschürfungen und kleinere blutende Wunden desinfizieren, erzählt Brigitte Dworschak. Säckchen mit gehackten Zwiebeln helfen gegen Ohrenschmerzen, Zwiebelbrustwickel gegen Erkältungen oder Zwiebelsirup gegen Husten.

Gemüse statt Medizin?

Was leistet die Küchenzwiebel in der Hausapotheke wirklich? Und wo sind ihre Grenzen?
Das bekannteste aller Zwiebel-Rezepte aus Großmutters Zeiten ist wohl der Hustensaft gegen Erkältungskrankheiten. Für dieses Hausmittel werden gehobelte oder geschnittene Zwiebeln mit Zucker angesetzt. Dann lässt man sie einige Stunden stehen, bis der Saft ausgetreten ist. Im dickflüssigen Sirup liegen die Inhaltsstoffe nun in konzentrierter Form vor. Der Hustensaft ist also ein Extrakt und deshalb weit wirksamer als die Zwiebel selbst. – Doch leider auch wesentlich geruchsintensiver: also nichts für empfindliche Nasen.
Der Marburger Professor Michael Keusgen vom Institut für Pharmazeutische Chemie hat sich auf Lauchgewächse spezialisiert. Er kennt das Geheimnis der Zwiebel – sie ist gut erforscht. Beim Schneiden entstehen die Schwefel-Verbindungen, die z.B. bei Erkältungen Heilkräfte besitzen, so Prof. Dr. Michael Keusgen. Diese Wirkstoffe sind in der Lage, den Schleim etwas aufzulockern, so dass er dünnflüssiger wird und leichter abgehustet werden kann.

Von Ärzten empfohlen

Auch Kinderärzte wie Prof. Dr. med. Walter Dorsch empfehlen oft lieber eine Zwiebel-Behandlung als Medikamente. Gegen Ohrenschmerzen zum Beispiel kann die Zwiebel äußerlich angewendet werden. Wenn keine eitrige Mittelohrentzündung vorliegt, muss man nicht gleich zum Antibiotikum greifen, meint Prof. Walter Dorsch. Dann hilft auch das Zwiebelsäckchen. Auch bei dieser äußerlichen Anwendung, sind es die schwefelhaltigen Verbindungen, die antibakteriell und schmerzlindernd wirken. Was hier medizinisch wirkt, sind eigentlich die Verteidigungsstoffe, mit denen sich die Zwiebel gegen Fressfeinde wehrt - etwa gegen Pilze, kleine Nager oder Schnecken, erläutert der Kinderarzt. Im menschlichen Organismus sind diese Verteidigungsstoffe antientzündlich wirksam, aber auch gegen Parasiten. Wurmerkrankungen sind eine gute Indikation für die Zwiebel.

Gute Erfahrungen

Evita Britsch ist begeistert vom Tipp ihres Kinderarztes: Die Ohrentzündungen ihrer vier Kinder hat sie nun schon häufiger mit Zwiebelsäckchen kuriert. Immer mit Erfolg, bestätigt sie: Nach ein paar Stunden sind die Schmerzen weg!

Kontrollierte Studien am Menschen fehlen

In anderen Fällen kann die Zwiebel Medikamente nicht ersetzen. Zwar wirkt sie Blutdruck senkend, Blut verflüssigend, antiasthmatisch und antidiabetisch – doch das wurde nur in Tierversuchen oder an Zellkulturen bestätigt. Daher sind diese positiven Effekte nicht ohne weiteres auf den Mensch übertragbar. Der antidiabetische Effekt zum Beispiel wurde an Ratten untersucht, berichtet Prof. Dr. Michael Keusgen, die Tiere seien mit Zwiebelpulver gefüttert worden- in relativ hohen Konzentrationen. Würde man das auf den Menschen hochrechnen, wären es gewaltige Mengen. Es ist daher fraglich, ob unser Magen das mitmachen würde, meint Prof. Dr. Michael Keusgen.

Zwiebeln senken das Krebsrisiko

Dennoch - wer täglich eine mittelgroße Zwiebel isst, tut etwas für seine Gesundheit. Zwiebelringe im Salat, Zwiebelkuchen oder Zwiebelsuppe können zur Krebs-Vorbeugung beitragen. Fans des scharfen Lauchgewächses erkranken deutlich seltener an Magen- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs. Das belegen Statistiken eindeutig. Verantwortlich dafür sind die Flavonoide in der Zwiebel, sie neutralisieren freie Radikale im Körper. Allerdings: Man muss mindestens 50 Gramm pro Tag verspeisen – und das am besten roh. Denn bei der Zubereitung gehen wichtige Inhaltsstoffe verloren.

Fazit. Die Zwiebel ist wirklich ein Tausendsassa. Doch einen Nachteil hat das gesunde Gemüse: Nach ausgiebigem Genuss ist man nur noch eingeschränkt gesellschaftsfähig…

Autorin: Sabine Denninger

Stand: 26.06.2015 12:58 Uhr

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