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Bahnlärm – wie viel muss sein?

Mittrelrheintal
Im Mittelrheintal führen Bahnstrecken direkt neben Wohngebiete entlang | Bild: SWR

Das Mittelrheintal ist eigentlich ein schönes Stück Deutschland, aber es gibt ein Problem: Lärm durch Güterverkehr! "Wenn der Güterverkehr hier weiter zunimmt, kann hier eigentlich niemand mehr leben" sagt ein Anwohner "Man sitzt quasi nachts senkrecht im Bett" meint ein anderer. Lothar Kahl lebt seit Geburt an im Rheintal. Ihn stört, dass der Lärm mehr und mehr wurde: "Wir haben hier am Mittelrhein nix gegen die Bahn, die war schon immer da gewesen und das ist auch nie ein Problem gewesen. Nur sind die Züge in den letzten Jahren immer lauter geworden. Die uralten Waggons, die rattern hier durch, die werden immer schwerer, im Haus vibriert es." Vor allem Güterzüge hauchen den Wohnungen ungewollt Leben ein. Und Anwohner wie Lothar Kahl müssen - ob sie wollen oder nicht - alle paar Wochen zum Werkzeug greifen. "Das ist kein Witz, denn durch den starken Güterverkehr vibriert hier alles und dann muss man eben nach einer gewissen Zeit alles nachziehen."

Die Bahn könnte viel leiser sein

Räder eines Güterzugs
Hauptproblem sind die Räder | Bild: SWR

Wo gehobelt wird, fliegen aber doch eben nun mal Späne, und Gütertransport ist eben laut, oder? Professor Markus Hecht, der Technikexperte in Sachen Bahnlärm, meint, das muss nicht sein: "Es gibt viele technischen Maßnahmen, die man einfach nur anwenden muss, die jetzt eingesetzte Güterzugtechnologie die stammt noch aus der Zeit, wo man sich wenig um Lärm gekümmert hat. Aber das ist dreißig vierzig Jahre her, in den letzen zwanzig Jahren ist sehr viel entwickelt worden, sind sehr viele Patente erstellt worden, aber ist noch fast nichts umgesetzt worden und da müssen wir jetzt dringend schauen, da ran zu gehen und dieses ins Alltagsleben einzubinden."

Wo an den Güterwaggons der Hauptlärm entsteht, ist schnell gefunden. Hauptübeltäter sind die Räder. "Beim Bremsen wird die Lauffläche aufgeraut und das bleibt viele tausend Kilometer nach der Bremsung erhalten und durch die Rauigkeit werden Rad und Schien stark zu Schwingungen angeregt und das erhöht den Lärm ganz erheblich" so Bahnexperte Hecht. "Würde man mit glatten Laufflächen fahren, die durch andere Bremsklötze entstehen, dann könnte man den Lärm um neunzig Prozent reduzieren." Doch das kostet Geld. Die Bahn sieht hier den Staat in der Pflicht zu investieren. Denn das es ein Lärmproblem gibt, ist auch den Verantwortlichen bewusst.

Das meint auch die DB selbst

Teil eines Radschallabsorber
Teil eines Radschallabsorbers | Bild: SWR

"Ganz klar, die Sensibilität der Anwohner hat zugenommen bei dem Thema. In dem Maße, wie andere Lärmquellen geringer geworden sind, beispielsweise Industrielärm, aber auch weil es mehr Untersuchungen zu dem Thema gibt" so Peter Westenberger aus dem Bereich DB-Umwelt. Doch die Lärmbelastung hat tatsächlich zugenommen. Die Güterzüge im Rheintal sind länger geworden, schneller und sie fahren häufiger. Professor Markus Hecht weiß, wie sich der Lärm zumindest teilweise abstellen ließe. Mit seinem Team hat er so genannte Radschallabsorber entwickelt. Doch im Rheintal fahren viele Güterzüge weit über der maximalen Erträglichkeitsgrenze von rund 80 Dezibel.
Und so sind auch die Schallabsorber nur eine von vielen notwendigen Maßnahmen um den Glockenton zu zähmen.

Flüstertechnik

Schienendämpfer
Sie reduzieren Lärm direkt an den Schienen: Schienendämpfer | Bild: SWR

Spezielle Schienendämpfer sind eine weitere Möglichkeit. Sie fangen die Schläge der Waggons ab und senken so den Lärm an den Gleisen. Solche Maßnahmen sind zwar teuer, würden aber das Leben mit der Bahn wieder so erträglich machen, wie noch vor wenigen Jahren. "Es ist ja nicht so, dass ich etwas gegen Güterzüge per se hätte. Ich weiß ja auch, jeder Güterwaggon sind zwei LKWs und die Autobahnen sind ja auch dicht bis oben hin. Insofern ist es ja schon gut, dass der Güterfernverkehr über die Schiene läuft, aber dann sollte man das Ganze auch so gestalten, dass die Anwohner nicht darunter zu leiden haben, wie es jetzt bei uns der Fall ist" meint Lärmopfer Michael Bock.

Es gibt eine einfache Lösung

Eine mögliche Lösung zeigt das Beispiel Schweiz. Das Zauberwort heißt: Lärmabhängige "Trassen-Preise". Das System der Eidgenossen kennt Bahnexperte Hecht nur zu gut. Dort fordert der Staat für jeden Güterzug, der zu laut ist einen Aufpreis. Deshalb zwingt die Schweizer Bahn private Betreiber in Flüstertechnik zu investieren. Doch diese Art der Lärmreduktion geht nicht von heute auf morgen meint Markus Hecht von der TU Berlin: "Einen üblichen Zeitbereich, den man für die ersten Erfolge braucht, sind acht Jahre. Und wenn ich da nicht anfange, dann beginnen diese acht Jahre nicht. In der Schweiz hat es 2003 begonnen und jetzt sind sie Ende 2010 durch und bei uns hat es noch nicht mal angefangen. Also insofern sind die uns mindestens acht Jahre voraus in der Lärmbekämpfung."

Acht Jahre, eine sehr lange Zeit, - nicht nur für die Menschen im Rheintal.

Autor: Axel Wagner (SWR)

Stand: 29.07.2015 11:42 Uhr

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