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Sturmsicherer Wald

Wind im Labor

Messung von Wirbeln
Messung von Wirbeln | Bild: HR

Warum knicken mächtige Bäume bei Sturm um wie Streichhölzer, warum bleiben andere dagegen unbeschadet stehen? Sind es Schneisen- oder Fallwinde, die eine Spur der Verwüstung hinterlassen? Welche Kräfte wirken tatsächlich bei Sturm in einem Wald? Und wie könnte man ihre Zerstörungskraft beeinflussen? Die Beantwortung dieser Fragen ist für Wissenschaftler immer noch eine große Herausforderung.

Die Wissenschaftler der Technischen Universität Dresden haben sich dieser Herausforderung gestellt – und sich ein ehrgeiziges Ziel gesteckt: Sie wollen die Windverhältnisse in einem Wald mit einem Computermodell berechnen und daraus ein Modell entwickeln, das Prognosen für jedes Waldstück ermöglicht.

Chaos wie in der Kaffeetasse

Forschung im Wald
Zuerst müssen die Forscher in den Wald | Bild: HR

Doch das ist ziemlich verzwickt, denn was bei Sturm im Wald vorgeht, ist extrem chaotisch. Ähnlich wie die Wirbel der Milch in einer Kaffeetasse sucht sich der Wind seinen Weg durch den Wald. Doch kann man so ein Chaos überhaupt berechnen? Die Kunst besteht darin, den natürlichen Prozess so weit zu vereinfachen, dass er sich mit den Computern berechnen lässt, ohne dabei die natürlichen Strömungseigenschaften des Windes im Wald zu verfälschen. Ein vereinfachtes Computermodell für die Wirbel suchen die Forscher also, das trotzdem die Wirklichkeit möglichst genau wiedergibt. Diese Aufgabe können Ronald Queck und Anne Bienert von der TU Dresden nicht rein theoretisch am Schreibtisch bewältigen. Die Antworten auf ihre Fragen liegen draußen in der Natur.

Ultraschall und Laser vermessen den Wald

Vermessung mit Hilfe eines Lasers
Vermessung mit Hilfe eines Lasers | Bild: HR

Ein Waldstück im Tharandter Forst südlich von Dresden soll das Vorbild sein für ihr Computermodell. Doch wie macht man aus einem echten Wald einen virtuellen? Die Baumkronen scheinen für Messungen unerreichbar. Kein Problem jedoch für die Dresdener Wissenschaftler. Sie kommen mit ihren Instrumenten trotzdem genau dort hin, wo die Wirbel entstehen: in die Wipfel der Bäume. Denn dazu die Wissenschaftler haben vier 40 Meter hohe Türme mitten in den Wald gestellt.

Mit Ultraschallsensoren können die Forscher so zum ersten Mal in den Baumkronen ganz genau die Richtung und Stärke der Windwirbel messen. Sie entstehen an der Grenzschicht zwischen Baumwipfel und Luft. Bei Sturmgeschwindigkeit haben sie dann die Kraft, ganze Baumkronen einfach abzuknicken.

Aus der Natur in den Computer

Forscher im Wald
Forscher im Wald | Bild: HR

Um nun aus den einzelnen Messungen ein Computermodell zu entwickeln, das den Wind im gesamten Wald vorhersagen kann, brauchen die Forscher zunächst ein genaues Abbild des Waldes, und das machen sie mit einem Laserscanner. So halten sie für jeden Baum den genauen Standort, die Höhe und die Ausdehnung der Baumkrone fest.

Jetzt müssen sie nur noch Messdaten und Laserbild miteinander verknüpfen und fertig ist ein erstes Computermodell für den virtuellen Wald. Doch was sich so einfach anhört, ist ein höchst komplizierter Prozess, der nur mit viel intelligenter Mathematik gelingen kann. Doch wie können die Forscher sicher sein, ob die Vorhersagen des Computermodells dann auch wirklich stimmen?

Wald im Windkanal

Waldmodell aus Draht im Windkanal
Waldmodell aus Draht im Windkanal | Bild: HR

Um das Modell zu überprüfen, brauchen die Wissenschaftler noch mehr Daten, und die gewinnen sie diesmal im Labor. Aus Draht bastelt Thomas Eipper den Tharandter Wald im Maßstab 1:1000 nach - auch wenn das Ganze erst einmal überhaupt nicht nach einem Wald aussieht. Denn er verwendet keine Bäumchen der Modelleisenbahn, sondern ein Drahtgeflecht, weil Vergleichsmessungen gezeigt haben, dass sie das Strömungsprofil im Wald besser nachbilden als Eisenbahnbäume.

Im Windkanal können die Wissenschaftler nun das tun, was in der Natur unmöglich ist: Sie führen Messungen unter kontrollierten Bedingungen durch. Denn im Windkanal bläst es immer nur aus einer Richtung - mit 20 Metern pro Sekunde. Die Herausforderung ist nun, das Computermodell möglichst exakt mit den Messdaten aus Windkanal und Freiland in Übereinstimmung zu bringen. Wenn das gelingt, könnten künftig in jedem Wald gefährdete Bäume schon vor einem Sturm erkannt und beseitigt werden.

Darüber hinaus aber wollen die Forscher aber auch noch eine wichtige Frage der Klimaforschung beantworten. Denn noch immer ist unklar, wie genau CO2 zwischen Wald und Atmosphäre hin- und herwandert. Ihr Computermodell soll auch das eines Tages beantworten.

Adressen & Links

Darstellung der Strömungsverhältnisse im Wald der Universität Siegen
www.uni-siegen.de

Autor: Alexander Schlichter (HR)

Stand: 12.08.2015 12:57 Uhr

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