SENDETERMIN So., 24.06.12 | 17:00 Uhr

Bienen in Paris

Alte Oper von Paris (Palais Garnier)
Auf dem Dach der Alten Oper von Paris leben Bienen. | Bild: WDR

Seit Jahren klagen Imker über ein rätselhaftes Bienensterben. Allein 2012 schafften es in Deutschland 300.000 Bienenvölker nicht über den Winter. Als ein wichtiger Grund neben den hartnäckigen Varroamilben gelten in der Landwirtschaft versprühte Pestizide. Sie sollen Getreide und andere Nutzpflanzen vor Schädlingen schützen, werden aber auch von den Bienen aufgenommen. Die Gifte stören ihren Orientierungssinn, was für die Bienen tödlich ist: Sie sind stets auf den Rückweg zu ihrem Volk angewiesen. Seit einigen Jahren erobern Bienen nun allerdings Gebiete, in denen man nicht mit ihnen rechnen würde: Großstädte. Ob New York, Tokio oder Berlin – überall halten sogenannte Stadtimker inzwischen Bienenvölker. Angefangen hat das neue Hobby unter anderem an einem wunderschönen Ort, mitten in Paris.

Es summt auf dem Dach der Oper

Bienen auf Wabe
Die sogenannte Buckfast-Biene fühlt sich in Paris äußerst wohl. | Bild: WDR

Jean Paucton war früher Requisiteur an der Alten Oper von Paris. Heute kommt er noch immer regelmäßig her. Dabei zieht es ihn vor allem auf das Dach der Oper, denn dort warten seine Lieblinge. Jean Paucton ist Hobbyimker und hat es damit zu einiger Berühmtheit gebracht. Schon seit 27 Jahren hält er Bienen auf dem Dach der Pariser Oper. Geplant war die Schwärmerei auf dem berühmten Gebäude allerdings nicht: Eigentlich wollte er hier nur einen Bienenstock "zwischenparken", der auf seinem Balkon in der Stadt störte. Die Nachbarin hatte sich über die Bienen beschwert. Also schlug ein Freund, der an der Oper als Feuerwehrmann arbeitete, kurzerhand vor, die summenden Tiere auf dem Dach abzustellen. Als Paucton sie nach zwei Wochen wieder abholen und in sein Landhaus bringen wollte, staunte er nicht schlecht: Sie hatten viel mehr Honig produziert als seine Bienenvölker auf dem Land.

Die Großstadt als Paradies für Bienen

Blumen im Park
Die Blütenvielfalt ist in der Stadt größer als auf dem Land. | Bild: WDR

Jean Paucton entschied, gleich fünf Bienenvölker auf dem Dach der Oper anzusiedeln. Auch wenn er zunächst gar nicht wusste, warum sie sich dort so wohl fühlen. Eine Großstadt wie Paris wirkt nicht gerade wie ein gastliches Zuhause für Bienen. Wo sollen sie hier Nahrung finden, bei all dem Asphalt, den Autos, dem Beton? Doch gerade in Städten ist die Blütenvielfalt oft größer als auf dem Land angesichts der dort vorherrschenden, landwirtschaftlichen Monokulturen. Bäume und Blumen wachsen an Straßen und in Parks, auf Friedhöfen, Balkonen und in Gärten. Zudem blüht in der Stadt alles länger, denn es ist im Durchschnitt zwei bis drei Grad wärmer als auf dem Land. Die Großstadt ist ein Paradies für Bienen - das hat inzwischen nicht nur Jean Paucton bemerkt. Heute gibt es an die 500 Stadtimker in Paris.

Keine Schadstoffe im Honig

Reagenzgläser mit Honig
Prüfung im Polizeilabor: Im Stadt-Honig sind keine Bleirückstände. | Bild: WDR

Aber ist Honig mitten aus der Stadt auch gesund und frei von Schadstoffen? Das lassen die Imker regelmäßig testen - im Labor der Pariser Polizeipräfektur. Chemiker untersuchen hier, ob der Honig gefährliche Rückstände von Schwermetallen enthält. Ihre Hauptsorge gilt dem Blei. In Abgasen kommt es seit dem Verbot bleihaltigen Benzins nicht mehr vor. Doch es findet Verwendung beim Hausbau und in Dachmaterialien. Die Bienen nehmen es mit dem Regenwasser auf. Das Blei könnte wiederum den Honig belasten - und auf Dauer auch die Menschen, die ihn essen. Mit Hilfe eines Spektrometers ermitteln die Chemiker die chemischen Bestandteile des Honigs - und geben Entwarnung. Der Honig enthält nur extrem geringe Bleimengen, die unbedenklich sind. Man kann den "Beton-Honig", wie die Stadtimker ihn selbstironisch nennen, also bedenkenlos essen.

Pestizidfreie Städte helfen den Bienen

Die Imker haben dafür eine Erklärung: Schon die Blüten selbst sind vor belastetem Wasser, Feinstaub und Abgasen gut geschützt. Der Nektar, den die Bienen sammeln und zu Honig machen, sitzt tief im Inneren der Blüte, wo Schadstoffe nicht hinkommen. Sollten die Bienen über die Pollen oder Regenwasser dennoch Gifte aufnehmen, lagern sie sich in ihrem Körper ab, nicht im Honig. Der Stadthonig gilt unter Imkern inzwischen sogar als Zufluchtsort für Bienenvölker. Denn in der Stadt gibt es keine Pestizide. Auf dem Land hingegen werden sie meist großflächig eingesetzt und gelten als ein wichtiger Grund für das Bienensterben. Jean Paucton ist überzeugt, dass die Bienen in der Stadt besser geschützt sind als auf dem Land. Seinen Honig gibt es als Souvenir in der Boutique der Oper. Er ist dort ein Verkaufshit, trotz stolzer 15 Euro pro Glas. Stadthonig ist nicht immer so teuer. Und er spielt inzwischen eine wichtige Rolle: Die Bienen helfen dabei, die Blütenvielfalt in der Stadt zu erhalten – und erobern sich einen neuen, zusätzlichen Lebensraum.

Autorin: Sarah Zierul (WDR)

Literatur:
Erika Mayr
Die Stadtbienen. Eine Großstadt-Imkerin erzählt
Knaur 2012

Stand: 31.01.2013 12:35 Uhr