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Die letzten Berberlöwen - Könige im Exil

Nachwuchs: Joco und Zari

Es war ein großer Tag für den Zoo Hannover: Zwei winzige Fellknäuel erblickten am 24. Februar 2011 das Licht der Welt, die Berberlöwen Joco und Zari. Erst seit März 2010 halten die Hannoveraner diese seltene Löwenart - die erste Begegnung der Eltern der Kleinen fand sogar erst im Juli statt. Das neue Zuchtprogramm ist also ein voller Erfolg.

Der König der Löwen

Löwenmännchen in einem Zoo-Gehege
Nicht umsonst heißt er der "König der Tiere": Die Männchen der Berberlöwen tragen eine beeindruckende Mähne. | Bild: DasErste

Der Berberlöwe hat eine Sonderstellung unter den Löwen. Er ist größer und stärker als alle anderen Löwenarten. Die Männchen werden bis zu 300 Kilogramm, die Weibchen bis zu 180 Kilogramm schwer. Die Mähne der Männchen ist besonders beeindruckend, sein üppiger Brustpelz zieht sich hinunter bis zum Bauchnabel. Kein Wunder also, dass Künstler ihn als Vorbild für ihre Darstellungen von Löwen in Bildhauerei und Malerei nahmen. Disney machte ihn gar zum "König der Löwen". Doch die Berberlöwen sind praktisch ausgestorben. Joco und Zari sind die Nummern 83 und 84 der derzeit bekannten noch lebenden Exemplare.

Die letzten ihrer Art

Ursprünglich lebten Berberlöwen in ganz Nordafrika. Doch durch die Ausdehnung der menschlichen Siedlungen und durch verstärkte Jagd wurden die Raubkatzen immer stärker zurück gedrängt, bis schließlich nur noch in Algerien und Marokko letzte Bestände zu finden waren. Schon in der Erstausgabe von Brehms Tierleben aus dem Jahre 1863 heißt es: "Namentlich in Algier ist er gegen früher sehr dünn geworden; die häufigen Kriege der Franzosen mit den Arabern haben ihn verdrängt, und die französischen Löwenjäger, zumal der berühmte Jules Gerard, haben seine Reihen sehr gelichtet."
Vermutlich 1942 wurde der letzte in Freiheit lebende Berberlöwe erschossen. Spätestens aber seit den Fünfzigerjahren waren die Tiere vom Erdboden verschwunden und für immer verloren. So schien es zumindest.

Rettung im Zoo

Eine Gruppe von Löwen in einem Zoo
Hoffnung für die Erhaltung der Art kam aus Marokko: Dort hielten Könige die Tiere als Palastlöwen. | Bild: DasErste

Wie sich später herausstellen sollte, gab es doch noch Hoffnung für diese seltene Löwenart. Die marokkanischen Herrscher - früher Sultane, später Könige - hatten sich Berberlöwen als Palastlöwen gehalten. Im Jahr 1970 übergab König Hassan II. seine Löwen an den Zoo der Stadt Rabat. Aber waren die Tiere wirklich noch reine Berberlöwen? Die Möglichkeit der Genanalyse existierte damals noch nicht. Uns selbst wenn - ohne in Freiheit lebende Exemplare fehlte die Vergleichsmöglichkeit. Als genetischer Abgleich kamen nur Knochen und Zähne ausgestopfter Exemplare in Frage, aber nur damit ist selbst bei heutigem Stand der Technik keine eindeutige Aussage möglich. Man verließ sich also auf die äußeren Merkmale der Tiere und die Tatsache, dass Berberlöwen in der Natur durch die Sahara von allen anderen afrikanischen Löwenarten getrennt waren, eine Durchmischung also praktisch unmöglich war.

Zucht ohne Ordnung

Der Wildbiologe Simon Black (links) und der englische Zoodirektor Adrian Harland
Wissenschaftler wie Simon Black (links) und Adrian Harland versuchen Ordnung in die Löwenzucht zu bringen. | Bild: DasErste

Der Zoo Rabat verteilte die ihm anvertrauten Tiere weiter. Nicht um damit Geld zu verdienen, sondern um die Nachzucht auf breitere Füße zu stellen. Elf Zoos weltweit halten inzwischen wieder kleine Berberlöwenpopulationen. Hannover war der jüngste Neuzugang, aber auch ein ungarischer Zoo hat nun Interesse signalisiert. Ein großes Problem für die Nachzucht ist die geringe Anzahl der verbliebenen Tiere. Je enger verwandt sie sind, desto größer ist die Gefahr der Inzucht. Trotzdem wurden längere Zeit Löwen miteinander verpaart, ohne dass ausreichend Informationen über ihre Herkunft und ihren genetischen Hintergrund existierten.

Bereits in den Neunzigerjahren gab es einen ersten Versuch, für die verbliebenen mutmaßlichen Berberlöwen ein Zuchtbuch zu erarbeiten. Er wurde jedoch nicht vollendet. Erst 2009 gelang es dem englischen Wildbiologen Simon Black - mit Unterstützung durch die Forscher Noboyuki Yamaguchi und Jim Groombrigde sowie Adrian Harland von der Aspinall Foundation für bedrohte Tierarten - eine verlässliche Ordnung in die Löwenzucht zu bringen.

Liebesmüh, nicht vergeblich

Eine Gruppe Löwen in einem Zoo
Erstaunlich: Alle Berberlöwen in den europäischen Zoos stammen von lediglich zwölf Urahnen ab. | Bild: DasErste

"Das größte Problem", sagt Black, "war der totale Mangel an Aufzeichnungen. Einer meiner Kollegen hat sich in Marokko durch alte Unterlagen und Notizen gearbeitet, um herauszufinden, was für Zuchtprogramme es gab, und welche Tiere daran beteiligt waren. Ich habe das Gleiche für die europäischen Zoos gemacht. Wir haben Pressemitteilungen gesichtet, Transportpapiere und eventuell vorhandene Zuchteinträge in den Zoounterlagen. Und aus alledem haben wir versucht, uns ein Bild davon zu machen, welches Tier mit welchem wie verwandt ist und ob es sich bei einigen Tieren überhaupt um Nachfahren der marokkanischen Palastlöwen handelt." Die Arbeit dauerte fast sechs Jahre, aber am Ende stand ein erstaunlich präzises Ergebnis fest: Alle heute in den europäischen Zoos lebenden Berberlöwen lassen sich auf nur zwölf Urahnen zurück führen - die im Zoo in Rabat lebenden sogar auf nur sechs. Von diesen und weiteren im Zug der Forschung gewonnen Fakten ausgehend, erarbeiteten Black und seine Kollegen ein inoffizielles Zuchtbuch.

Der "Löwenkuppler"

Der englische Zoodirektor und Löwen-Experte Adrian Harland
Auch der Zoo Hannover gehört zu seinen Kunden: Löwen-Experte Adrian Harland berät europäische Tierparks. | Bild: DasErste

Adrian Harland, der Animal Director des Port Lympne Wild Life Parks in der englischen Grafschaft Kent, ist seitdem der Zuchtberater für alle interessierten europäischen Zoos. Auch der Zoo Hannover hat ihn bereits kontaktiert, denn mit zwei Jahren sind Löwen bereits geschlechtsreif. Da will man sich frühzeitig nach geeigneten Partnern für Joco und Zari umsehen. "Ich achte bei meinen Empfehlungen auf verschiedene Kriterien", erläutert Harland. "Zum einen auf das Alter: Ich kann einen jungen Löwen wie Joco nicht mit erfahrenen, dominanten Weibchen zusammen bringen. Die watschen ihm eine, sein Selbstbewusstsein bekommt einen Knacks und das war‘s dann mit der Paarung." Ebenso wichtig: Die Herkunft und die genetischen Merkmale. Prinzipiell ist es günstig, Tiere zu haben, die nicht sehr eng miteinander verwandt sind. Aber wenn eine Löwin zum Beispiel ein eher seltenes Genmerkmal hat, dass man unbedingt erhalten und weitergeben möchte, dann kann es besser sein, einen genetisch ähnlichen Partner zu wählen.

Zurück in die Freiheit?

Harlands Empfehlungen werden gern zur Orientierung genommen, sind aber nicht verbindlich, da das Zuchtbuch nicht von der Europäischen Zoovereinigung EAZA autorisiert ist. Grund ist wohl vor allem der ungeklärte Status als echte Berberlöwen. Trotzdem halten die beteiligten Zoos an der separaten Weiterzucht dieser Löwenlinie fort.
"Wenn es keiner macht", sagt Klaus Brunsing vom Zoo Hannover, "würden sie einfach im übrigen Löwenpool der Zoos aufgehen und verschwinden. Und wir wissen ja nicht, ob wir sie nicht vielleicht doch eines Tages wieder in die Freiheit entlassen können." Doch dafür wäre vieles nötig: Ein ausreichendes Wiedererstarken der Bestände, eine Art Nationalpark, der den Tieren ausreichend Lebensraum und Beute bietet und die sichere Unterbindung der erneuten Jagd auf die Berberlöwen. Wahre Herkulesaufgaben, bis zu deren Erfüllung sicher noch Generationen vergehen werden.

Autor: Thomas Wagner (NDR)

Stand: 07.08.2013 09:20 Uhr

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