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Vor Neuanfang: Erdbebenforschung in Japan

Zurück zum Alltag

Straßen in Tokio
In Tokio hat das Erdbeben kaum sichtbare Spuren hinterlassen. | Bild: SWR

In Tokio erinnert kaum noch etwas an die Katastrophe vor einem Jahr. Alle Bahnen fahren wieder, das Leben ist zurückgekehrt. Doch für die Erdbebenforscher und die Bauindustrie ist ihr gesichertes Wissen über die Mechanismen von Großbeben ins Wanken geraten.

Am 11. März 2011 erwies sich die Natur als unberechenbar. Eigentlich galten die Verwerfungen der Kontinentalplatten nördlich von Tokio als gut erforscht. Niemand ahnte, dass sich die Spannungen in der Erdkruste mit solcher Wucht und an dieser Stelle entladen würden. Doch für die Erdbebenforscher war relativ schnell klar: Ihre bisherigen Modelle haben das Risiko falsch eingeschätzt.

Masumi Yamada ist Seismologin am Disaster Prevention Research Institute der Universität Kyoto. Sie sagt, man habe erst durch das große Beben 2011 viel über Erscheinungsformen und Mechanismen gelernt. "Seismologen wussten vorher nicht wirklich viel über diese ganz großen Erdbeben", erklärt Masumi Yamada.

Neue Ideen für erdbebensicheres Bauen

Shimizu Wasserhaus
Wasser soll die Schwingungen eines Gebäudes bei Erdbeben absorbieren. | Bild: Shimizu, Tokio

Die meisten Gebäude in Tokio hielten den außergewöhnlichen Belastungen des 2011er Bebens stand. Doch gerade einmal 3.000 Häuser sind in Japan mit modernen Schwingungsdämpfern ausgestattet. Hier muss nachgebessert werden.

In einem ihrer eigenen Gebäude testet die Baufirma Shimizu eine Weiterentwicklung der klassischen Schwingungsdämpfung. Die Gummipuffer im Keller werden hier durch eine Wasserwanne unter der Konstruktion unterstützt, welche die Energie des Erdbebens besser aufnimmt. "Wenn das Gebäude erschüttert wird, absorbiert dieses Wasser die Schwingungen. Im Wasserbecken befindet sich eine Art Schwamm, der die Energie aufnimmt. Deshalb wird auch die Bewegung des Gebäudes geringer", erklärt Akira Fukukita, der bei Shimizu für erdbebensicheres Bauen zuständig ist.

Das Monster in der Tiefe

Grafik der Bruchkante vor Japan
Die Bruchzone war 250 Kilometer lang. | Bild: SWR

Eine Lehre aus dem großen Beben ist, dass vor allem die Erdbebenforscher ihre Anstrengungen erhöhen müssen. Das Beben hatte sie nicht nur mit seiner Stärke, sondern auch mit seiner enormen Bruchzone von 250 Kilometern Länge überrascht. Das stellt die bisherigen Modelle in Frage. Neue Daten müssen her. Der Seismologe James Mori will sie beschaffen. Im April wird er mit dem Spezialschiff "Chikyu" des japanischen Meeresforschungsinstitutes JAMSTEC aufbrechen, um zum ersten Mal direkt in der Geburtsstätte des Bebens zu bohren. "Wir bohren in die Bruchzone, von der wir annehmen, dass das Erdbeben sie um 30 Meter verschoben hat. Hier wollen wir reinbohren, 800 Meter in den Meeresboden, um Proben herauszuholen und unsere Messgeräte einzubringen." Dabei werden Temperatursensoren in die Bohrung eingesetzt. Sie sollen jahrelang Daten übertragen.

Das Forschungsschiff Chikyu
Vom Forschungsschiff "Chikyu" aus soll in die Bruchzone gebohrt werden. | Bild: IODP/JAMSTEC

Ein technisch hoch kompliziertes Unterfangen. Denn das Wasser dort ist circa 7.000 Meter tief, so James Mori weiter. "Das heißt, der Bohrer muss zuerst durch 7.000 Meter Wasser gehen und dann 800 Meter in den Meeresgrund. Man braucht also fast 8.000 Meter Bohrgestänge - das ist von einem Forschungsschiff aus noch nie gemacht worden." Wenn es aber gelingt, wird es verlässliche Erkenntnisse liefern, welche Energien im japanischen Untergrund noch schlummern, um damit die Wahrscheinlichkeit großer Beben genauer berechnen und die Menschen künftig besser schützen zu können.

Autor: Michael Hänel (SWR)

Stand: 13.11.2015 13:42 Uhr

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