Diese Gesten standen zur Auswahl

Brandts Kniefall

Willy Brandts Kniefall
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Am 7. Dezember 1970 ändert sich schlagartig das Bild der Deutschen in der Welt. Willy Brandt, damaliger Bundeskanzler, kniet überraschend für alle am Denkmal für die Helden des Ghetto-Aufstands in Warschau. Kurze Zeit später unterzeichnet er den Warschauer Vertrag, in dem die Oder/Neiße Linie als deutsch-polnische Grenze anerkannt wird. Der Grundstein für eine neue Ostpolitik ist gelegt.

Viele Bundesdeutsche konnten mit dem Kniefall zunächst wenig anfangen. Auf die Frage des "Spiegels", "Durfte Brandt knien?", antworteten damals 48 Prozent, sie hielten die Geste für übertrieben. Willy Brandt schrieb in seinen Memoiren über den Moment: "Am Abgrund der deutschen Geschichte und der Last der Millionen Ermordeten tat ich, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt."

Fischers Turnschuh-Eid

Fischers Turnschuh-Eid
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Bei der Vereidigung Fischers zum hessischen Umweltminister am 12. Dezember 1985 trägt er weiße Turnschuhe – damals eine Provokation.

Die Aktion sollte eine Reaktion darauf sein, dass die Grünen-Abgeordneten des hessischen Landtags von den anderen herablassend als "Turnschuh-Fraktion" bezeichnet wurden. Seit 1990 stehen die Turnschuhe im Deutschen Schuhmuseum in Offenbach. Als Außenminister wandelte sich Fischer auch im Kleidungsstil.

Prinz Harrys Brief auf Dianas Sarg

Prinz Harrys Brief auf Dianas Sarg
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In Paris verliert Prinzessin Diana am 31. August 1997 ihr Leben, als sie von Paparazzi gejagt wird.

Am 6. September wird sie in London beerdigt, ihr weißer Sarg wird durch die Stadt gefahren. Harry und William, ihre beiden Söhne, gehen mit gesenktem Kopf hinter dem Sarg her. Auf dem Sarg liegt ein weißes Gesteck und ein Brief des damals 12-jährigen Harry mit der Aufschrift "Mummy". Es sind seine letzten Worte an die Mutter. Nichts machte deutlicher, die Welt hatte eine Prinzessin verloren, diese beiden Kinder ihre Mutter.

Effes und Steinbrücks Mittelfinger

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mit getrecktem Mittelfinger auf dem Titel des SZ-Magazins.
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Bei der Fußball WM 1994 sorgt Stefan Effenberg für einen Eklat. Als er im Gruppenspiel gegen Südkorea ausgewechselt wird, zeigt er dem pfeifenden Publikum den Mittelfinger. Man habe ihn provoziert, sagt der Fußballer später. Bundestrainer Vogts ist sauer, schickt den Mittelfeldstar nach Hause und sagt unmissverständlich, dass es Effenberg unter Vogts nicht mehr als Nationalspieler gebe. Effenberg reist aber nicht ab, macht mit seiner Frau erst einmal Urlaub im Hotel nebenan. Später verkauft er seine Story für 70.000 Mark.

Peer Steinbrück lässt sich im September 2013 vom Magazin der Süddeutschen Zeitung in der Reihe "Sagen Sie jetzt nichts" befragen, einem Interview, bei dem man nicht mit Worten antwortet, nur mit Gesten. Wie er Leuten antworte, die ihn Pannen-Peer nennen, wollen die Interviewer von ihm wissen. Steinbrück reckt den Mittelfinger, die Redaktion macht diese Pose – wenig überraschend – zum Titelbild des SZ-Magazins. Eine Welle der Empörung schwappt im Bundestagswahlkampf hoch – darf ein Kanzlerkandidat so etwas?

Josef Ackermanns Victory

Josef Ackermanns Victory
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Am 21. Januar 2004 ist Josef Ackermann angeklagt, er habe dem Mannesmann-Management im Zusammenhang mit der Übernahme durch Vodafone Millionen-Abfindungen gewährt. Der Deutsche Bank-Chef erscheint grinsend vor Gericht und macht mit zwei Fingern das "Victory"-Zeichen. Später erklärt er, das V-Zeichen sei aus der Situation heraus entstanden. Er sei beim Prozess an den Popstar Michael Jackson erinnert worden. Dieser begrüße ja seine Fans mit diesem Zeichen. Ackermann entschuldigte sich mit einem Brief bei der Richterin. Das Foto schaffte es sogar auf den Titel des Magazins "Stern" – mit der Schlagzeile: "Der böse Blick des Kapitalismus". 

Kohl und Gorbi in Jacke und Pulli

Kohl und Gorbi in Jacke und Pulli
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Im Juli 1990 treffen sich Kohl und Gorbatschow in Russland. Die große Streitfrage: Kann ein vereintes Deutschland Mitglied in der Nato sein? Gorbatschow lädt Kohl in seine Datsche ein, die beiden wollen einen Spaziergang machen. Seit Monaten jagt ein Termin den nächsten, immer geht es um Weltgeschichte. Die beiden Politiker wollen mal durchatmen und zeigen das durch ihre Kleidung. Kohl mit Strickjacke, Gorbatschow im Pullover. Die beiden reden über Gott und die Welt, erinnert sich Kohl, aber nicht über die drängende Frage – doch die Stimmung ist familiär und freundschaftlich. Mit ein Grund, dass Gorbatschow entscheidet: Deutschland kann in die Nato – der Weg zur Vereinigung ist endgültig frei.

Black Power bei Olympia

Black Power bei Olympia
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John Carlos, US-Olympiasieger über 200 Meter sorgt mit seinem Teamkollegen Tommie Smith für einen Skandal bei den Spielen 1968 in Mexiko. Während der Siegerehrung heben sie ihre mit schwarzen Handschuhen bekleideten Hände zur Faust in die Luft – das Zeichen der Black-Power-Bewegung der USA.

Das Internationale Olympische Komitee reagiert scharf: Entweder sollen die beiden Athleten nach Hause geschickt werden, oder das ganze US-Team würde von Olympia ausgeschlossen. Die amerikanischen Verantwortlichen entscheiden – Carlos und Smith müssen gehen.

Der Schuhwurf auf George W. Bush

Der Schuhwurf auf George W. Bush
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Der Fernseh-Journalist Muntazer al-Saidi wirft bei einer Pressekonferenz im Irak seine Schuhe in Richtung des amerikanischen Präsidenten. Dabei ruft er: "Das ist ein Abschiedskuss, du Hund (...) Dies ist von den Witwen, Waisen und allen, die im Irak getötet worden sind.“ Im arabischen Raum gilt es als schwere Beleidigung, jemandem die Schuhsohlen zu zeigen. Der Journalist wird in einigen Teilen der arabischen Welt zum Helden. Bush nimmt die Attacke locker. Er sagt:“ Das hat mich nicht weiter aufgeregt“, er denke er nicht, "dass dieser eine Schuhwerfer repräsentativ ist für eine breite Stimmung im Irak."

Paul McCartney barfuß und tot?

"Abbey Road"-Cover der Beatles
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Eigentlich hatte Paul McCartney 1969 beim Foto-Termin für das Cover des "Abbey Road" Albums einfach keine Schuhe an, raucht eine Zigarette und hat, wie das manchmal bei Fotos passiert, die Augen geschlossen. Die Wirkung dieser unbeabsichtigten Geste ist jedoch enorm. Man vermutet: McCartney sei tot. Radiosender finden immer neue Hinweise dafür, vor allem in Beatles-Songs. Das Gerücht breitet sich binnen Tagen auf der Welt aus, genährt dadurch, dass McCartney tagelang nicht zu sehen ist. Dann gibt McCartney dem Magazin "Life" ein Interview – er lebt. Bis heute jedoch diskutieren Verschwörungstheoretiker in Internetforen, ob er nicht doch vielleicht ...

Westerwelle mit 18 unterm Schuh

Guido Westerwelle und seine Schuhe mit der eingefrästen "18" auf der Sohle
Guido Westerwelle und seine Schuhe mit der eingefrästen "18" auf der Sohle | Bild: dpa

2002 sitzt Guido Westerwelle bei Sabine Christiansen in der Talkshow und die Kameras fangen eine gelbe eingefräste 18 unter seinen Schuhen ein – der Spaßwahlkampf auf seinem Höhepunkt. Westerwelle hat die Ziele als Vorsitzender der Liberalen neu gesetzt, man will sich als Volkspartei mit deutlich mehr Wählern etablieren. Bei der Wahl 2002 gelingt dies noch nicht, nur 7,4 Prozent wählen die FDP. Doch bei der Wahl 2009 geht die Strategie fast auf, 14,6Prozent wählen die Westerwelle-Partei. Doch die FDP-Schuhsohle ist trotzdem dünn und schnell ausgelatscht: 2013 scheitert die Partei nach vier Jahren Regierung an der 5-Prozent-Hürde. Die Schuhe stehen heute im Schuhmuseum Hauenstein.