Interviews

Drei Fragen an Jannik Schümann

Jannik Schümann in seiner Rolle als Helen
Jannik Schümann in seiner Rolle als Helen | Bild: ARD Degeto / Britta Krehl

Welche Gedanken gingen Ihnen durch den Kopf, als Sie zum ersten Mal das Drehbuch gelesen haben?

Ich musste meine Gedanken erst einmal ordnen, als ich das Drehbuch zum ersten Mal las. Es gab so vieles, dass mir durch den Kopf schoss: von WOW – die ARD wagt sich an ein solches Thema heran, ENDLICH – eine komplette schauspielerische Herausforderung. So etwas habe ich noch nie gespielt. Zum Glück habe ich mit Gregor (Regie) 2012 "Spieltrieb" gedreht. Eine Vertrauensbasis bestand also schon – das war sehr wichtig für diese intime Rolle und auch der Grund, warum ich keine Sekunde darüber nachgedacht habe, ob ich es mache oder nicht. Außerdem sehe ich diese Rolle als ein sehr großes Geschenk für einen Schauspieler.

Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet und wie schwierig war es, immer wieder von Finn auf Helen zu switchen?

Ich habe fünf Monate vor dem Drehstart im Oktober 2014 aufgehört, Sport zu treiben, denn ich musste Gewicht und Muskelmasse für die Rolle des Transgenders verlieren. Parallel habe ich angefangen, mich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen und Referenzfilme, Transgender-Biografien, Frauen im Alltag studiert. Außerdem habe ich mit einem Coach zusammengearbeitet, der mir geholfen hat, mich komplett in eine Frau hineinzuversetzen. Das Wichtigste war, einen bestimmten Helen-Gestus zu finden und vor allem den Unterschied zwischen einem Jungen und einem Mädchen zu erkennen. Am Ende war ich so trainiert, dass es für mich viel komplizierter war, Finn vor der Kamera zu sein.

Wie lange mussten sie täglich in der Maske sitzen?

Bei all den vergangenen Dreharbeiten hatte ich Mitleid mit meinen weiblichen Kollegen, die schon mindestens eine Stunde vor meiner Abholzeit mit Lockenwicklern in der Maske sitzen – dieses Mal musste ich leiden. Jeden Morgen wurde mindestens eine Stunde Maskenzeit einkalkuliert. Es ist natürlich sehr aufwendig, einen Jungen in ein Mädchen zu verwandeln. Angefangen hat es mit dem täglichen Rasieren, dann das Make-up und endlich die Perücke. Diese Zeit brauchte ich allerdings auch, um mich von Jannik zu Helen zu transformieren. Ich kam als andere Person aus dem Maskenmobil.

Drei Fragen an Heino Ferch

Finn
Heino Ferch in seiner Rolle als Tobias Wilke | Bild: ARD Degeto / Britta Krehl

Haben Sie sich vor diesem Film schon mal mit dem Thema Transgender befasst?

Wenn ich ehrlich bin, nicht wirklich. Natürlich hat mich – wie viele andere auch – das plötzliche, medienwirksame Auftauchen von Conchita Wurst für das Thema sensibilisiert und für Neugierde gesorgt. Aber ich hatte mich vor den Dreharbeiten noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt.

Was glauben Sie, ist für die Betroffenen schwieriger zu bewältigen: Die Tatsache, im falschen Körper zu stecken oder das Umfeld, in dem sie leben?

Ich glaube, wenn man realisiert, dass man im falschen Körper steckt, ist das zunächst ein großes Problem. Aber ich glaube auch, dass jemand, der das für sich akzeptiert hat und für sich einen Weg gefunden hat, sein Leben bewältigen kann – auch wenn das Umfeld, in dem er lebt, schwierig ist. Im falschen Körper zu stecken ist wie ein Gefängnis und eine große Last für die Betroffenen.

Wie kann man als Vater sein Kind am besten unterstützen, wenn es merkt, dass es im falschen Körper steckt?

Zuhören und versuchen zu verstehen, was das Problem ist. Wichtig ist, seinem Kind viel Aufmerksamkeit zu schenken und Raum zu geben, dass Vertrauen und Offenheit entsteht.

Drei Fragen an Heino Ferch

Haben Sie sich vor diesem Film schon mal mit dem Thema Transgender befasst?

Wenn ich ehrlich bin, nicht wirklich. Natürlich hat mich – wie viele andere auch – das plötzliche, medienwirksame Auftauchen von Conchita Wurst für das Thema sensibilisiert und für Neugierde gesorgt. Aber ich hatte mich vor den Dreharbeiten noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt.

Was glauben Sie, ist für die Betroffenen schwieriger zu bewältigen: Die Tatsache, im falschen Körper zu stecken oder das Umfeld, in dem sie leben?

Ich glaube, wenn man realisiert, dass man im falschen Körper steckt, ist das zunächst ein großes Problem. Aber ich glaube auch, dass jemand, der das für sich akzeptiert hat und für sich einen Weg gefunden hat, sein Leben bewältigen kann – auch wenn das Umfeld, in dem er lebt, schwierig ist. Im falschen Körper zu stecken ist wie ein Gefängnis und eine große Last für die Betroffenen.

Wie kann man als Vater sein Kind am besten unterstützen, wenn es merkt, dass es im falschen Körper steckt?

Zuhören und versuchen zu verstehen, was das Problem ist. Wichtig ist, seinem Kind viel Aufmerksamkeit zu schenken und Raum zu geben, dass Vertrauen und Offenheit entsteht.

Drei Fragen an Regisseur Gregor Schnitzler

Regisseur Gregor Schnitzler
Regisseur Gregor Schnitzler | Bild: ARD Degeto / Britta Krehl

"Mein Sohn Helen" ist weder Drama noch Komödie. Was war Ihnen besonders wichtig bei der Umsetzung des Drehbuchs?

Man neigt ja in Deutschland dazu, im Kern dramatische Themen in ihrer ganzen Schwere zu inszenieren. Ich finde die englische Herangehensweise, tragische Dinge ins Komische zu ziehen, oftmals menschlicher und befreiender. Menschlichkeit wird nicht mit dem Holzhammer eingeprügelt, sondern entsteht zwischen den Zeilen. Ich wollte unbedingt, dass sich das Publikum mit Finn/Helen identifiziert, mit ihrer Problematik. Und das geht in einem Film mit komödiantischen Elementen leichter: mal fühlt das Publikum intensiv mit ihr und mal hat das Publikum den nötigen Abstand, um über die Situation zu lachen. Tragik und Komik liegen ja bekanntlich sehr nah beieinander. Im Mittelpunkt meiner Inszenierung stand aber die Authentizität und Glaubwürdigkeit des Films. Obwohl die Geschichte erfunden ist, so gibt es doch viele Versatzstücke und Momente, die von wahren Geschichten inspiriert sind. Um mich vorzubereiten, habe ich viel zum Thema gelesen, mit Transgendern gesprochen und Psychologen interviewt.

Was war für Sie die größte Herausforderung bei den Dreharbeiten?

Die tägliche Verwandlung von Finn zu Helen und wieder zurück. Wir mussten ganz genau planen, um so weit wie möglich diese Wechsel zu vermeiden, sonst hätten wir zeitlich die Produktion nicht geschafft. Schauspielerisch hatte Jannik mit den Wechseln überhaupt kein Problem, weil er ja die ganze Zeit im Inneren Helen ist. Bei der Inszenierung des Films hat mich ein unglaublich gutes Schauspielensemble unterstützt, mit dem ich sehr schnell die Szenen auf den Punkt bringen konnte. Und natürlich war auch ein bisschen Glück im Spiel, weil Heino und Jannik sich vor und hinter der Kamera so gut verstanden haben.

Wie haben Sie Jannik Schümann bei den Dreharbeiten in der Rol-le der Helen unterstützt?

Zunächst einmal ist Jannik ein Ausnahmetalent. Ich hatte ihn ja in meinem Film "Spieltrieb" schon als abgründigen, intellektuellen und frühreifen Verführer "Alev" besetzt und wusste um sein Können. Für mich war es wichtig, einen jungen Schauspieler vor der Kamera zu haben, mit dem ich alles ohne Tabus besprechen und ausprobieren konnte. Und da ich um Janniks Verwandlungskünste wusste – noch dazu ist er unglaublich hübsch – habe ich dem Produzenten Ivo Beck Jannik sofort vorgeschlagen. Ivo hatte Jannik in einem anderen Film gesehen und wollte ihn mir parallel vorschlagen. So hatten wir einen Favoriten ohne großes Casting für diese schwere Rolle. Dann folgte eine schrittweise Vorbereitung für Jannik auf die Rolle. Es gab kontinuierlich Kostüm- und Make-up-Proben, bei denen wir uns viel Zeit genommen haben. Wir sind gemeinsam los und haben in aller Öffentlichkeit Mädchenkleider probiert, um dieses Gefühl zu bekommen, wie sich Finn/Helen fühlt. Jannik hat zudem intensiv mit seinem Coach gearbeitet, und zum Dreh kam ein bestens vorbereiteter Schauspieler, mit dem ich sehr schnell den richtigen Gestus für unsere Hauptfigur gefunden habe. Als die ersten Muster mit Helen kamen und der Colorist "von diesem schönen Mädchen" schwärmte und dabei nicht wusste, dass es ein verkleideter Junge war, wurde mir klar, dass wir alles richtig gemacht haben.

Drei Fragen an Drehbuchautorin Sarah Schnier

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Drehbuch über Transgender zu schreiben? Was hat Sie an dem Thema interessiert?

Die Idee ist in Zusammenarbeit mit dem Produzenten Ivo-Alexander Beck entstanden. Transgender als Thema ist hochinteressant, weil es eine der Grundannahmen unsere Identität betreffend in Frage stellt, nämlich die nach unserem Geschlecht: Wenn wir auch sonst wenig Sicherheiten haben mögen – ob wir ein Mann oder eine Frau sind, wissen wir in der Regel. Für Transgender bedeutet es eine unglaubliche Herausforderung, in dieser zweigeteilten Welt ihren Platz zu finden und zu behaupten. Da ist ein liebevolles, unterstützendes Umfeld von enormer Bedeutung. Meine Geschichte handelt von der Liebe – der Liebe zwischen einem Vater und seinem Kind und davon, wie es ihnen gemeinsam gelingt, diesen schwierigen Weg zu gehen.

War es eine schwierige Gratwanderung zwischen Komödie und Drama?

Das ist auch eine Dichotomie, die es sich lohnt in Frage zu stellen, ebenso wie die Unterscheidung zwischen U und E. Die Komödie ist mir von allen Genres am nächsten, aber ich habe sie nie als unernst begriffen. Ich möchte etwas vermitteln, Inhalte und Emotionen, und suche dabei nach der Form, in der ich das am besten kann. Sehr wichtig war mir allerdings bei dieser Geschichte Authentizität, dass sich Transgender Menschen hoffentlich respektvoll und vielschichtig dargestellt finden.

Was ist für Sie das Besondere an der Figur Finn/Helen?

Finn/Helen geht ihren Weg mit unglaublich viel Mut, aber es ist nicht nur der Mut der Verzweiflung. Wie viele Transkinder und -jugendliche, die sich und ihre Umwelt schon früh sehr genau reflektieren, verfügt sie trotz ihrer Jugend über sehr viel Selbstkenntnis. Was Finn/Helen für mich besonders macht, ist, dass sie sich trotz der Widerstände und tiefen Kränkungen, die sie erlebt, ihre Empfindsamkeit und ihr Mitgefühl bewahrt.

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