Regisseur Dominik Graf im Interview

Dominik Graf
Dominik Graf | Bild: dpa

Gut fünf Jahre nach "Im Angesicht des Verbrechens" haben Sie erneut ein Buch von Rolf Basedow verfilmt. Basedow scheint die Kriminalität immer wieder anders, immer wieder neu zu beschreiben. Was macht die Qualität von Basedows Büchern für Sie aus? Was ist das Besondere an "Zielfahnder – Flucht in die Karpaten"?

Basedow hat sich für den ersten Film der "Zielfahnder" eine Gangsterflucht quer durch den halben europäischen Kontinent ausgedacht und hat sich wieder mal durch seine selbst-recherchierte Wirklichkeit wunderbar inspirieren lassen, finde ich. Ebenso wie damals im Berliner Rotlichtmilieu oder bei der Russenmafia – er entwickelt seine Geschichten aus der Beobachtung und der Forschung. Aber die Konflikte, die er dann letztlich aus dem Polizistenleben und den Milieus erzählt, die sind nicht nur authentisch, sondern auch mythisch. Und er hat Humor, ganz wichtig. Die wichtigste Aufgabe des Regisseurs ist es, seine Drehbücher so zu verfilmen, wie sie geschrieben sind, kompromisslos. Jede Kürzung zerstört das Buch und damit den großen Plan, der bei Rolf dahintersteht und der oft von unserem normalen Film- und TV-Erzählen ziemlich abweicht. Das birgt dann beim Machen zwar Konflikte, aber so muss es wohl auch sein.

Was macht "Zielfahnder – Flucht in die Karpaten" zu einem modernen, neuartigen Polizeifilm?

Ich glaube nicht, dass "Flucht in die Karpaten" neuartig ist. Der Film sollte eine einzige, schwungvolle Reise ins Unentdeckte werden. Und die Polizisten, die zwei Jäger mit ihrem Chef im NRW-LKA, bilden ein echtes Kollektiv mit allen Hochs und Tiefs.

Welche Rolle spielt modernste (Überwachungs-) Technik und Polizeifunk?

Solange die Jagd in Deutschland stattfindet, ist die Technik der Polizei beeindruckend und prägt den Film. Im Osten der EU wird dann alles technisch erheblich einfacher, aber dafür in den menschlichen Strukturen wunderbar komplizierter. "Magisches Rumänien" heißt es mehrfach im Film. Da kommt es auf den Einzelnen an, nicht mehr auf die Technik.

Die Geschichte führt aus einer deutschen Metropole in die archaische Welt der Karpaten, in eine andere Kultur, eine andere Zeit. Welche Rolle spielt diese fremde Welt?

Sie ist verantwortlich für die Entschleunigung der Jagd. In Rumänien ticken die Uhren anders. Gottseidank ist das bislang noch eine für uns oft geheimnisvolle Welt, bei der es spannend ist, ein wenig hinter die touristischen Kulissen zu schauen. Basedow hat die Orte, die Abläufe genau recherchiert, er war selbst bei einer Hochzeit in Siebenbürgen, er hat aufgeschrieben, was er gesehen hat. Es ist im Grunde ähnlich wie bei "Hotte im Paradies", als wir ihm beim Drehen quasi durch die Rotlichtwelt des Stuttgarter Platzes gefolgt sind – genauso sind wir seinen Weg durch Rumänien nachgegangen: Bukarest, Siebenbürgen, Hochkarpaten…

Wie waren die Dreharbeiten in Rumänien, mit welchen Herausforderungen wurden Sie konfrontiert?

Die Rumänen haben die funktionierenden Reste der professionellen kommunistischen Filmindustrie, sie machen teure amerikanische Filme in ihren Bukarester Studios – und sie gewinnen mit kleinen billigen Arthaus-Filmen Goldene Palmen. Sie haben großartige Schauspieler. Sie haben natürlich keinen Grund, sich ihre Arbeit schlechter bezahlen zu lassen als die deutschen Filmschaffenden. Aber man dreht mit einer anderen Geschwindigkeit als bei uns. Die enormen Drehtag-Pensen, die wir hier in Deutschland aus der Not gelernt haben zu bewältigen, sind in Rumänien nicht so vorgesehen. Die organisatorischen Dinge sind manchmal sehr undurchschaubar, manchmal sind sie aber auch viel einfacher als bei uns. Es gibt ethnische Probleme, es gibt eine enorme Armut, basierend auf der totalen Zerstörung der Industrie in den 90ern, und es gibt viel ungerechtfertigten neuen Reichtum. Und das deutschstämmige Siebenbürgen ist eine sterbende Kultur. Die EU erscheint zwar wie ein Rettungsboot für dieses Land, aber durch den Einfluss von außen wird Rumänien auch gleichzeitig zerstört.

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