Interview mit Benno Fürmann

Benno Fürmann in "Die vierte Gewalt".
Benno Fürmann in "Die vierte Gewalt".

Sie spielen den politischen Journalisten Jan Schulte. Finden Sie ihn vertrauenswürdig?

Selten habe ich ein Drehbuch so oft und so genau lesen müssen, um herauszufinden, welche Figur gerade was im Schilde führt. Die Geschichte ist wie ein Pokerspiel, ständig werden die Karten neu gemischt, niemand deckt sein Blatt auf. Wenn ich einen Fernsehfilm sehe, lasse ich mich für gewöhnlich ein wenig treiben. Ich steige beliebig ein und aus, ohne jeden einzelnen Plot zu verfolgen. Doch unser Film lässt einen von der ersten Minute an nicht mehr los. Ich hoffe wirklich, die Zuschauer werden wie die Füchse vor dem Bildschirm sitzen und darüber nachdenken: Moment mal, was bezweckt der Journalist jetzt damit? Will er die Politikerin für seine Interessen einspannen oder mag er sie wirklich? Das ist die Frage, die sich auch Jan selber stellt.

Der Journalist verbeißt sich in eine Skandalgeschichte. Was treibt ihn an?

Jan fühlt sich gedemütigt, und er hat Hunger. Das sind die beiden Hauptmotive der Figur. Er ist ein Macher, der zum "Hiwi" degradiert worden ist. Nach der Einstellung seiner Zeitung muss er als Freier seine Familie versorgen. Es nagt an seinem Ego und belastet sein Konto, dass er sich unter Wert verkauft. Mit der Skandalgeschichte will er sein Comeback feiern und den anderen zeigen, dass er es noch drauf hat: Schaut her ihr Wichte, ihr habt mich unterschätzt! Doch dabei kommt ihm die Moral in die Quere. Die Zuschauer sehen, wie er mit sich hadert und ins Grübeln gerät: Wie weit darf ich gehen, um zu bekommen, was ich bekommen will? Das finde ich hoch spannend. Wir versuchen alle tagtäglich, aufrechte Menschen zu sein. Aber nur die wenigsten können behaupten: Ich bin in jedem Moment meines Lebens ehrenhaft gewesen.

Die Liste seiner Verfehlungen ist lang: Lüge, Diebstahl, Erpressung.

In seinem Beruf hat es Jan mit Leuten zu tun, die viel mächtiger und korrupter sind als er. Mit Politikern, die sich zur Wehr setzen, wenn sie Gegenwind verspüren. Da muss er auch mal „Butter bei die Fische geben“. Bei den Recherchen folgt er seinem Instinkt, der ihm sagt: Hier ist etwas gewaltig faul. Vielleicht geht er zu hart ran, aber er ist doch so fair, die Gegenseite mit den Ergebnissen zu konfrontieren. Er ist sicherlich kein Heiliger, aber er hat sich ein gewisses Ethos bewahrt. Wir haben in den Vorbesprechungen eine schöne Metapher für Jans journalistische Methode gefunden: Er klopft auf den Busch und schaut, was passiert. Irgendjemand springt immer heraus. Man muss nur lange genug klopfen.

Er schreibt eine Ministerin runter und ihre Nachfolgerin hoch. Was hat das noch mit journalistischer Neutralität zu tun?

Er benutzt die junge Politikerin, um an die Ministerin heranzukommen. Weil er sie toll findet, möchte er ihr nicht zu viele Federn ausrupfen. Auf der anderen Seite bleibt er misstrauisch: Ist sie wirklich die Person, die sie vorgibt zu sein? Er kann nicht zu 100 Prozent ausschließen, dass sie korrupt ist, obwohl er inständig hofft, dass sie nicht hinter der Affäre steckt. Zwischen diesen beiden Polen spielt sich ihre vorsichtige gegenseitige Annäherung ab. Es war ein großes Vergnügen, diese Szenen mit Franziska Weisz zu spielen. Sie ist eine humorvolle und kluge Frau, die einen ungeheuren Charme versprüht. Müsste ich sie auf einen Begriff bringen, dann wäre es wohl: Klasse.

Jan ist weniger Edelfeder als Frontreporter.

Jan verfügt über ausreichend Intellekt, und er setzt die Ellbogen ein, um sich gegen Widerstände zu behaupten. Beim Lesen des Drehbuchs dachte ich, Jan hat weder Politik oder Germanistik studiert noch hat er ein Volontariat gemacht. Er ist seinen eigenen Weg gegangen, der meinem nicht unähnlich ist. Ich wollte nach der Schule auch nicht gleich Schauspiel studieren, sondern mich erst einmal herumtreiben. Ich habe im Nachtleben gearbeitet oder auf dem Bau und bin viel gereist. Das verbindet mich persönlich mit Jan. Sein großes Ungerechtigkeitsempfinden und seine Lust nach einem intensiven Leben sind mir sehr sympathisch.

Standen Sie schon einmal als Journalist vor der Kamera?

Im Fernsehfilm "Der blinde Fleck" von 2013 habe ich einen Reporter des Bayerischen Rundfunks gespielt, der den Terroranschlag auf das Münchner Oktoberfest recherchiert. Auch dieser Mann lässt nicht locker und betreibt seinen Beruf mit der gleichen Leidenschaft. Aber es handelt sich hier nicht um den x-ten Aufguss einer Rolle, beide Figuren sind absolut individuell. Jan muss in der Politik und in der eigenen Redaktion gegen Widerstände ankämpfen. Er legt sich mit den Mächtigen an, in der Politik und in der Redaktion, überstrahlt sie aber nicht. Das wäre ja langweilig.

Kennen Sie viele Journalisten?

Vor Jahren bin ich für die UNO-Flüchtlingshilfe mit Journalisten im Südsudan unterwegs gewesen. Wir haben viele Gespräche über unsere Berufe geführt. In meinem Freundeskreis gibt es viele Schreiber, mit denen ich mich vor den Dreharbeiten über ihre Arbeit und ihren Alltag unterhalten habe. Wie läuft die Kontaktaufnahme zu Informanten ab? Wie haben sich die Presseverlage verändert? Sie bestätigten mir, dass man eine Geschichte gründlich auf ihren Wahrheitsgehalt abklopft, bevor sie veröffentlicht wird. Keine Gazette kann es sich leisten, völligen Schwachsinn abzudrucken, der am nächsten Tag dementiert wird. Was mich auch interessiert hat ist die Abhängigkeit zur Werbeindustrie, die wir im Film thematisieren. Je kleiner das Blatt, desto größer ist angeblich die Schere im Kopf, weil man es sich nicht leisten kann, einen Kunden zu verlieren. Und es gibt tatsächlich Giftschränke, in denen einige heikle Geschichten lagern. Alles in allem ist "Die vierte Gewalt" sehr nah dran an der Realität.

Ist die Regisseurin Brigitte Maria Bertele den Schauspielern besonders verbunden?

Als ausgebildete Schauspielerin weiß sie genau, wie der Hase läuft. Ich habe schon mit großartigen Regisseuren gearbeitet, die relativ wenig Sensibilität für unseren Beruf mitbrachten. Sie erwarteten, dass die Pferdchen so hüpfen, wie sie sich das vorstellten. Brigitte Maria Bertele ist eine Regisseurin, die den Prozess versteht, der zu einem gewünschten Ziel führt, sie gibt kein Endergebnis vor. Ein mittelmäßiger Regisseur sagt am Set: Gib’ mir das schönste Lächeln, das du jemals einer Person geschenkt hast! Das hilft mir als Schauspieler überhaupt nicht. Ich bin an dem Prozess interessiert, der zu einem schönen Lächeln führt. Eine losgelöste Emotion zu spielen endet meistens in einem Desaster. Brigitte ist immer nah an der Seite der Schauspieler. Mit ihr findet und geht man diese emotionalen Wege. Die Resultate sind wesentlich dynamischer und tiefer.

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