Gespräch mit Heino Ferch

Er spielt die Hauptrolle: Heinrich Buch

»Der Mann der Gerechtigkeit will noch einmal etwas bewegen.«

Unterm Radar: Der BKA-Beamte Heinrich Buch (Heino Ferch)
Heino Ferch spielt die Hauptrolle: BKA-Beamte Heinrich Buch. | Bild: WDR / Nik Konietzny

Elmar Fischer nennt Ihre Art, Heinrich Buch zu spielen, "reduziert und klein" und findet dafür nur lobende Worte. Warum haben Sie sich für diesen Ansatz entschieden?

Nun, die Geschichte wird in erster Linie über Christiane Paul erzählt. Ihre Figur steht im Zentrum des Geschehens. Heinrich Buch tritt von außen an sie heran und ist erst einmal sehr zurückhaltend. Ich musste immer an eine Auster denken, die man öffnen kann, wenn sich die Gelegenheit dafür ergibt. Doch zunächst einmal wirkt Buch sehr verschlossen. Dabei kann er sehr gut nachvollziehen, wie sich Elke Seeberg fühlt und welche Nöte sie durchleidet. Er ist dafür sensibilisiert, auch durch seine eigene Geschichte. Er urteilt nicht gleich, sondern interessiert sich für den Menschen. Damit geht er ganz anders an die Sache heran als seine jüngeren Kollegen, die – sagen wir mal – etwas sportlicher unterwegs sind.

Prägen Buch nur Zurückhaltung und Verschlossenheit, oder ist da auch Resignation?

Die Resignation, die ist da. Für mich ist Buch ein einsamer Hund, der das gleiche Schicksal erlitten hat wie so viele, die in diesem Beruf zu Hause sind. So ein Job ist nun einmal wahnsinnig schwer mit einer Familie unter einen Hut zu kriegen. Vom Alter her müsste er eigentlich schon eher im Innendienst sein, aber dort hat er sich nie wohlgefühlt. Also leitet er diese Spezialeinheit, die mitten in der Nacht eine Wohnung stürmt. Und Elke Seeberg trifft sein Herz. Als Richterin hat sie eine große Aufrichtigkeit und Authentizität. Da gibt es eine Schnittmenge mit seinem Leben. Er ist ja alte Schule, mit so einer 70er-, 80er-Jahre-Mentalität. Was mit Elke Seeberg passiert, kitzelt ihn wach. Der Mann der Gerechtigkeit will noch einmal etwas bewegen.

Inwieweit ist er alte Schule?

Ich denke, dass sich die Arbeit von Geheimdiensten in den vergangenen Jahrzehnten sehr verändert hat. Da gibt es diese ganzen neuen Technologien. Und seit Nine- Eleven dreht sich die Welt noch mal schneller als früher. Meine Figur sitzt da doch eher hinten im Zug und starrt ein bisschen staunend auf die Lokomotive vorne. Heinrich Buch spürt, dass seine Zeit eigentlich vorbei ist.

Konnten Sie bei der Vorbereitung auf diese Rolle von früheren Arbeiten zehren, also was den Beruf Buchs angeht, oder war das eine neue Welt für Sie?

Bei "Straight Shooter" – das ist der Film, den ich Ende der 90er Jahre mit Dennis Hopper gedreht habe – gab es zwar auch so Spezialeinheiten-Geschichten, auf die ich mich vorbereiten musste. Aber hier war das doch noch einmal etwas anderes. Die Truppe von Heinrich Buch bewegt sich in einer Grauzone und erledigt Aufträge, von denen nichts in der BILD-Zeitung steht. Für mich war es sehr wichtig und interessant, dass ich mich mit einem Berater austauschen konnte, der aus demselben beruflichen Umfeld kommt, in dem sich auch meine Figur bewegt.

Wie sehr beeinflussen derartige Hintergrundinformationen Ihr Spiel?

Man kriegt ein Gefühl für das Wesen eines Menschen, der seit Jahrzehnten in dieser Welt lebt. Ich will die Zuschauer ja spüren lassen, wie routiniert sich Leute wie Buch in so einem Einsatz verhalten und wie sie mit anderen Menschen umgehen. Es geht darum, etwas herzustellen, was der Zuschauer vielleicht als Atmosphäre wahrnimmt – also das Klima, das eine Figur umgibt. Und dafür musste ich all das, was mir der Berater über die Welt der BKA- und Geheimdienstmitarbeiter erzählt hat, aufnehmen wie ein Schwamm und in meine Rolle einfließen lassen. Ich fand es auch sehr interessant zu erfahren, wie viele Mitarbeiter aus dem Sicherheitsapparat sich an den neuralgischen Punkten Berlins unerkannt unter Passanten und Touristen befinden und wie viele Kameras es dort gibt.

Fühlen Sie sich dadurch sicherer oder empfinden Sie das als Bedrohung?

Fifty-fifty. Wenn ich nachts aus einem Restaurant rauskomme und mir einer etwas quer über den Schädel haut und ich in Gefahr gerate, bin ich natürlich froh, dass es an der Straßenecke vielleicht eine Kamera gibt und mir im günstigsten Fall jemand zu Hilfe kommt. Allerdings ist die ständige Überwachung auch etwas, wodurch man sich in seiner persönlichen Freiheit eingeengt fühlt. Dieser Konflikt beschäftigt die Politik ja schon lange. Letztens Ende überwiegt für mich eher der Aspekt der Sicherheit. Der Terror ist ja längst in den europäischen Metropolen angekommen.

War es auch dieses Thema, das Sie veranlasst hat, die Rolle anzunehmen?

Auf jeden Fall. Mir hat auch sofort die Art gefallen, wie dieser Stoff erzählt wird. Ich habe selten Drehbücher, wo ich immer mal wieder zurückblättern muss, weil die Geschichte so sparsam erzählt wird. Bei "Unterm Radar" war das so. Und ich liebe so etwas – Politthriller mit komplizierten Erzählstrukturen und der Möglichkeit, die Zuschauer in Minute 1:15 mit etwas zu konfrontieren, was erst eine Stunde später aufgelöst wird. Als Elmar Fischer mich gefragt hat, ob ich Heinrich Buch spielen möchte, habe ich mich sehr gefreut. Elmar und ich kannten uns ja schon von "Im Dschungel", das war auch so eine thematisch anspruchsvolle Geschichte. Ich finde es übrigens erwähnenswert, dass solche Filme noch gemacht werden. Also Filme, die ein Publikum brauchen, das bereit ist, sich auch auf unbequeme, komplizierte Stoffe einzulassen. Der WDR ist eine gute Schmiede für so etwas. Das ist klasse. Ich kann nur hoffen, dass wir weiterhin die Freiheit bekommen, solche Themen anzupacken.

Was schätzen Sie an Elmar Fischer?

Er ist ein großartiger Regisseur, ein sehr geduldiger, unglaublich herzlicher Mensch, mit dem man lachen und Dinge immer wieder hinterfragen kann, der sehr genau hinschaut und wirklich brennt für seine Stoffe. Er weiß, was er will, ist aber auch offen für das, was die Schauspieler an Ideen mit an das Set tragen. All das macht die Zusammenarbeit mit ihm sehr angenehm.

Christiane Paul kennen Sie noch länger ...

Seit über 20 Jahren. Ich war in einem ihrer allerersten Filme ihr Partner. Wir freuen uns immer, wenn wir uns sehen. Das sind Begegnungen, die voller Respekt sind. Sie stürzt sich immer mit 150-prozentigem Einsatz auf ihre Rollen und schont sich nie. Und was ich auch an ihr schätze: Sie ist ein fröhlicher Mensch. Mit Fabian Hinrichs war es hingegen die erste Zusammenarbeit. Ja, das ist ein feiner Kerl und sehr, sehr guter Schauspieler. Ich bin gespannt, was von ihm noch alles kommen wird.