Kommentar von Pagonis Pagonakis

Im "Tatort: Verbrannt" beriet er das Team als Experte

»Von Anfang an legte sich ein Mantel des Schweigens über den Fall.«

Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) und Falke (Wotan Wilke Möhring) am Tatort.
Lorenz und Falke am Tatort. | Bild: NDR / Alexander Fischerkoesen

»"Es fängt an wie ein 'Tatort' und ist doch ein Stoff, an den sich kein Krimidrehbuchautor wagen würde … Eine Streife nimmt einen Mann in Polizeigewahrsam. Kurze Zeit später ist er verbrannt. In einer gekachelten Zelle, gefesselt auf allen Vieren, auf einer feuerfest ummantelten Matratze liegend."

So schrieb die Frankfurter Rundschau im Januar 2006 über die ARD-Dokumentation 'Tod in der Zelle. Warum starb Oury Jalloh?' (Co-Autor: Marcel Kolvenbach, Redaktion: Sonia Mikich). Der Film war das Ergebnis unserer einjährigen Recherche über den grausamen Tod des geduldeten Flüchtlings Oury Jalloh, der am 7. Januar 2005 in der Gewahrsamszelle des Dessauer Polizeireviers verbrannte.

Nun, zehn Jahre nach dem Tod Jallohs, gibt es tatsächlich einen 'Tatort', der auf dem realen Fall basiert, aber die Frage, warum Oury Jalloh starb, ist immer noch offen. Dass er sich selbst mit einem bei der Durchsuchung übersehenden Feuerzeug angezündet haben soll, scheint mit dem zeitlichen Abstand immer absurder. Viele Indizien aus zwei Landgerichtsprozessen weisen darauf hin, dass er es selbst nicht getan haben kann.

Dass wir nicht wissen, was sich genau abgespielt hat, liegt aus meiner Sicht vor allem daran, dass sich von Anfang an ein Mantel des Schweigens über den Fall legte, sich die (Polizei-)Reihen schlossen und die Justiz nicht energisch genug vorging.

Mein Eindruck war (und ist), dass die Ermittlungen eher zurückhaltend und oft nur nach Druck der Öffentlichkeit vorangebracht wurden. Das grundsätzliche Problem war: Die Staatsanwaltschaft Dessau ermittelte nicht hartnäckig offen in alle Richtungen, sondern legte sich sehr früh auf eine angebliche Selbsttötung fest. Sie ermittelte dann im engen Rahmen ihrer Anklage, obwohl die ganze Version doch sehr hypothetisch erschien.

Auch war lange unsicher, ob es überhaupt zu einer Verhandlung kommen würde, und beinahe hätte die Familie nicht als Nebenkläger auftreten können, da man ihre Identität anzweifelte. Das ist umso erstaunlicher, als man ihnen den Leichnam vorher – ohne Zweifel – überführt hatte. Das konnten wir durch eine Drehreise nach Guinea beweisen. Am Ende zweier Prozessen stand im Dezember 2012 die Verurteilung eines Polizisten zu 10.800 Euro Geldstrafe wegen fahrlässiger Tötung. Die zentrale Frage aber, wie und warum Jalloh in Polizeigewahrsam verbrennen musste, ist immer noch nicht beantwortet.

Mittlerweile ist die Mutter Oury Jallohs in Guinea gestorben, der Kummer hatte ihr arg zugesetzt. Der Kampf um Aufklärung aber geht weiter – bis das Schweigen gebrochen ist.«

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