Pressemeldung vom 22.08.2023

Zweifel an Kompetenz der Sparkassen-Aufsichtsorgane

Nur rund jedes dritte Mitglied der Verwaltungsräte der 40 größten Sparkassen kommt aus Finanz- oder Bankenbereich

In den Aufsichtsgremien der größten Sparkassen sitzen kaum Finanz- oder Bankexperten. Das geht aus einer Analyse von REPORT MAINZ hervor. Für die Untersuchung hat das ARD-Politikmagazin in den Verwaltungsräten der 40 größten Institute nach Mitgliedern gesucht, die im Finanz- und Bankenbereich arbeiten oder eine entsprechende Ausbildung vorweisen konnten. Basis der Untersuchung war das Geschäftsjahr 2021.

Dem Ergebnis zufolge gilt das gerade einmal für 35 Prozent der Verwaltungsratsmitglieder, zieht man die Mitarbeitervertreter ab sind es sogar nur sechs Prozent.

Sozialarbeiter als Bankkontrolleure

Stattdessen kommen viele Verwaltungsräte aus fachfremden Berufen. So finden sich unter ihnen Juristen, Naturwissenschaftler, Pädagogen, Sozialarbeiter, Historiker, Mediziner, Theologen, Handwerker oder Landwirte.

Schriftzug Sparkasse an einem Gebäude
Filiale einer Sparkasse | Bild: IMAGO / Andreas Franke

Der ehemalige Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) kritisiert im Interview mit dem ARD-Politikmagazin REPORT MAINZ die Auswahl vieler Verwaltungsratsmitglieder. Er war selbst von 2014 bis 2019 Vorsitzender des örtlichen Sparkassen-Verwaltungsrats. Diese Aufsichtsgremien werden in der Regel von den Kommunalparlamenten oder einer Trägerversammlung gewählt: „Natürlich sind das sehr begehrte Posten, für die normalerweise bewährte Führungskräfte der Fraktion auswählt werden“, so Geisel. „Und das führt manchmal dazu, dass vielleicht die Eignung der ausgewählten Kandidaten für die Aufgabe des Verwaltungsrats nicht unbedingt gegeben ist.“ Häufig seien Verwaltungsratssitzungen vergleichbar mit „Frontalunterricht, wo der Vorstand Politikern die Geschäftspolitik der Sparkasse erklärt.“

Mehrheit der Mitglieder hat ein Parteibuch und eine politische Funktion

Um die 60 Prozent der Verwaltungsräte der 40 größten Sparkassen haben laut der Analyse von REPORT MAINZ ein politisches Amt, ähnlich viele sind Mitglied einer Partei. Die meisten gehören der CDU an - mit weit über 30 Prozent ist ihr Anteil größer als der der Mitarbeitervertreter.

Ralf Jasny, Professor Finanzdienstleistungen und Betriebswirtschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences, bemängelt im Interview mit REPORT MAINZ die geringen Anforderungen an Sparkassen-Verwaltungsräte: „Wenn ich in Deutschland Mofa fahren oder Angeln gehen will, dann muss ich entsprechende Prüfungen ablegen“, so der Finanzexperte. „Nur die größte deutsche Bankengruppe kann von Leuten kontrolliert werden, die fernab von jeder Zugangsbeschränkung sind. Das finde ich schon sehr bedenklich.“ So sei eine effektive Kontrolle in einigen Fällen nur schwer möglich.

Laut des Leitfadens der Finanzaufsicht Bafin können ausdrücklich auch Menschen in Verwaltungsräte gewählt werden, die keine entsprechende Vorerfahrung bzw. Sachkunde haben. Sie müssen sich dann innerhalb von sechs Monaten nach Amtsantritt fortbilden. Entsprechende Seminare werden im Netz zum Teil als Zwei-, manchmal auch als Ein-Tagesseminar angeboten.

Verwaltungsratsmitglieder nehmen Kredite bei eigener Bank

Experten sehen zudem bei vielen Verwaltungsräten eine Gefahr von Interessenskonflikten: So vergaben die Sparkassen hohe Kredite an ihre eigenen Kontrolleure. Laut Analyse von REPORT MAINZ waren es auf alle Institute gerechnet 721 Millionen Euro, Stand 2021. „Diese Abhängigkeit kann eine effektive Kontrolle verhindern“, sagt Finanzprofessor Ralf Jasny. „Das hat mit Unabhängigkeit nichts zu tun.“

Das Bundesfinanzministerium sieht auf Nachfrage von REPORT MAINZ keinen Änderungsbedarf. Die bestehenden Regeln zur Qualifikation seien „grundsätzlich angemessen“, für die Kreditvergabe gebe es „umfangreiche Genehmigungsverfahren.“