Pressemeldung vom 15.11.2022

"REPORT MAINZ"-Umfrage: Deutsche sind bereit, ihr Leben fürs Klima zu ändern

Nach Recherchen des ARD-Politikmagazins REPORT MAINZ zeigen sich rund die Hälfte aller Deutschen dazu bereit, für den Klimaschutz ihre Lebensgewohnheiten, zum Beispiel in Bezug auf die Ernährung oder Autonutzung, zu verändern.

Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap im Auftrag von REPORT MAINZ. Vor wenigen Tagen wurden dafür bundesweit 1.225 Menschen befragt.

Verzicht auf Fleisch für viele denkbar

Auf die Frage: "Sind Sie angesichts des Klimawandels bereit, seltener oder gar kein Fleisch mehr zu essen", antworten 41 Prozent mit "eher nein" oder "auf keinen Fall". Dem gegenüber erklären 49 Prozent, sie seien bereit für den Klimaschutz seltener oder gar kein Fleisch mehr zu essen. Acht Prozent geben an, bereits jetzt vegetarisch oder vegan zu leben. Vor allem höher Gebildete und Frauen können sich vorstellen, ihre Ernährung für den Klimaschutz umzustellen.

Eine Mehrheit der Deutschen kann sich vorstellen, weniger Auto zu fahren

Auch ein Verzicht auf das eigene Auto ist für viele denkbar. Auf die Frage, "sind Sie angesichts des Klimawandels bereit, seltener oder gar nicht mehr mit dem eigenen Auto zu fahren?" geben 19 Prozent der Befragten an, schon heute kaum ein Auto zu nutzen. Weitere 35 Prozent können sich vorstellen, verstärkt darauf zu verzichten. Für 44 Prozent steht das dagegen außer Frage. Sie wollen eher nicht (24 Prozent) oder auf gar keinen Fall (20 Prozent) ihre individuelle Mobilität einschränken.

Verzicht auf Wirtschaftswachstum

Weniger neu kaufen, mehr reparieren und teilen, sowie der Verzicht auf immer mehr Wirtschaftswachstum, um Ressourcen zu sparen und so auch das Klima zu schützen: Das sind Grundgedanken der sogenannten "Degrowth"-Bewegung. 46 Prozent der Befragten stimmen der Aussage "Wir müssen auf Wirtschaftswachstum verzichten, um den Klimawandel zu stoppen" zu. Genauso viele, ebenfalls 46 Prozent, lehnen diese These ab.

Viele Parteien lehnen einen Verzicht auf Wirtschaftswachstum ab

REPORT MAINZ hat alle im Bundestag vertretenen Parteien gefragt, wie sie zu den Forderungen der "Degrowth"-Bewegung stehen. Bis auf die SPD haben alle geantwortet. Ein breites Spektrum von AfD, über CDU/CSU und FDP bis hin zu den Grünen lehnt einen Verzicht auf Wachstum für das Klima ab. Die Grünen erklären, beim "Klimaschutz geht es nicht um individuellen Verzicht, sondern um politische Antworten". Aus der CSU-Zentrale heißt es: "Ausbleibendes Wachstum führt zu Arbeitslosigkeit und sozialen Härten." Die CDU erklärt: "Wir werden die notwendigen Anpassungen an den Klimawandel nicht mit Verzicht und Verboten oder immer neuen Gesetzen und Regelungen bewältigen". Jetzt sei nicht die Zeit der "Ideologen, sondern der Ingenieure." Für die FDP steht fest: "Das Einzige, worauf wir verzichten müssen, ist, zu viel CO2 auszustoßen." Die AfD hält die Ansichten der "Degrowth"-Bewegung für "linksideologisch voreingenommen und wissenschaftlich nicht fundiert". Der Natur sei am besten durch "Wachstum und eine freie Marktwirtschaft" geholfen. Nur Die Linke teilt im Gegensatz zu allen anderen Parteien Grundgedanken der "Degrowth"-Bewegung und fordert "einen sozial-ökologischen Umbau zu nachhaltiger Entwicklung anstelle profitorientierten Wachstums."

Potsdam-Institut: Erzeugung und Konsum von Lebensmittel kann bis 2100 klimaneutral werden

Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung haben anhand von Computersimulationsmodellen berechnet, welche Maßnahmen ergriffen werden müssten, damit die CO2-Emissionen im Lebensmittelsektor deutlich sinken. Ein alleiniger Verzicht auf Wirtschaftswachstum, wie ihn die "Degrowth"-Bewegung fordert, führe zwar zu einer leichten Reduktion der Treibhausgase, sei aber nicht ausreichend. Nur durch die Kombination mehrerer Maßnahmen könne man die Erzeugung und den Konsum von Lebensmitteln bis zum Ende dieses Jahrhunderts emissionsneutral machen. Das erläutert Prof. Hermann Lotze-Campen im Interview mit REPORT MAINZ: "Die drei wichtigsten Maßnahmen, um die ernährungsbedingten Emissionen zu reduzieren, sind tatsächlich Umstellung auf eine sehr stark pflanzliche Ernährung, Reduktion der Abfälle, also so wenig wie möglich Nahrungsmittel wegwerfen, und dann muss noch die Produktion so emissionsarm wie möglich gestaltet werden." Um das zu erreichen, müsse es ein klares Preisschild für Emissionen in der Landwirtschaft geben. "Also im Grunde müssen tierische Produkte verteuert werden und pflanzliche Produkte günstiger gemacht werden", so Lotze-Campen.

CO2-Steuer auf Lebensmittel

Sind die Deutschen bereit, für den Klimaschutz höhere Preise zu akzeptieren? 42 Prozent stimmen der Aussage, "die ökologischen Kosten für Produkte, Güter und Dienstleistungen sollten stärker in den Preis einfließen, zum Beispiel in Form einer CO2-Steuer" zu. Mehr als die Hälfte (51 Prozent) lehnen diese Aussage ab.

REPORT MAINZ hat das Bundeswirtschaftsministerium um eine Stellungnahme zu der Forderung nach einer CO2-Bepreisung von Lebensmitteln gebeten. Das Ministerium hat nicht geantwortet.

Stand: 15.11.2022, 5.00 Uhr