Di., 24.01.23 | 21:50 Uhr
Das Erste
Illegales Schächten: Behörden schließen Schlachtbetriebe
Zwei Tierrechtsgruppen haben REPORT MAINZ "undercover" gedrehtes Bildmaterial aus zwei deutschen Schlachtbetrieben zugespielt. REPORT konfrontierte die Betriebe und informierte die Veterinärbehörden. Daraufhin wurden die Schlachthöfe geschlossen. Auf den Aufnahmen ist zu sehen, wie Schlachter und sogar Zivilpersonen in Straßenkleidung Schafen ohne Betäubung den Hals aufschneiden und sie so entbluten. Bis zum Tod erleiden die Tiere entsetzliche Qualen. Beide Betriebe hatten für das Schächten keine Ausnahmegenehmigung. Denn nur dann ist in Deutschland diese Form der Schlachtung erlaubt.
Wir sind unterwegs zu einem Schlachthof westlich von Köln. Das Gelände ist abgezäunt, dahinter warten Rinder auf die Schlachtung. Doch dazu wird es in diesem Betrieb wohl nicht mehr kommen, denn zuständige Amtsveterinäre haben vor wenigen Tagen den Betrieb versiegelt und damit den Schlachthof erst einmal dicht gemacht.
Der Grund sind diese Bilder, die REPORT MAINZ zugespielt wurden. Sie zeigen, mit welcher Brutalität die Mitarbeiter des Betriebs Schafe in den Schlachtraum ziehen - und ihnen dann, ohne Betäubung, die Kehle durchschneiden. Schächten nennt man diese Form der Schlachtung. Und die ist in Deutschland nur in genehmigten Ausnahmefällen erlaubt.
Rechtslage ist eindeutig
Über ihn haben wir die Aufnahmen bekommen, Jan Peifer vom Deutschen Tierschutzbüro. Er hat bereits nach einer ersten Auswertung der Bilder Strafanzeige erstattet.

Jan Peifer, Deutsches Tierschutzbüro:
"Die Bilder zeigen einen wirklich sehr brutalen Umgang mit den Tieren. Dort werden Tiere an Beinen gezogen, geschliffen, getreten, geschlagen, ja regelrecht misshandelt."
Wir fahren nochmals zu dem Betrieb, wollen den Unternehmer mit den Bildern konfrontieren. Doch der will nicht gefilmt werden, hat für eine Stellungnahme vor der Kamera einen Sprecher geschickt.
Sprecher des geschlossenen Schlachthofs:
"Der Betreiber hat es nicht gewusst."
Edgar Verheyen, Autor:
"Ist das so?"
Sprecher des geschlossenen Schlachthofs:
"Das ist so. Da lege ich meine Hand für ins Feuer."
Edgar Verheyen, Autor:
"Aber er hat doch eine Aufsichtspflicht als Eigentümer eines solchen Betriebs."
Sprecher des geschlossenen Schlachthofs:
"Ja, aber jeder Chef ist nicht immer vor Ort."
Als die Veterinärbehörde von REPORT MAINZ auf die Missstände aufmerksam gemacht wird, reagiert diese jedenfalls innerhalb einer Stunde.
Landratsamt Rhein-Erft-Kreis:
"Nach erster Sichtung des Videomaterials (…) wurde entschieden, weitere Schlachtungen im Betrieb sofort zu untersagen, um weiteres Leiden von Tieren zu unterbinden. Dazu wurde der Betrieb (…) stillgelegt. Gegen die Mitarbeiter und den Inhaber ist Strafanzeige erstattet worden."
Vor allem Juden und Muslime essen Fleisch von geschächteten Tieren aus religiösen Gründen. Das Gros des Fleischs wird derzeit legal aus Nachbarländern importiert. Unter welchen Voraussetzungen Schlachtbetriebe hierzulande rechtskonform schächten dürfen, das hat zuletzt der Europäische Gerichtshof klargestellt. In der Konsequenz darf in Deutschland nur Tiere schächten, wer dafür eine Ausnahmegenehmigung von der Veterinärbehörde besitzt.
Rechtsverstöße auch in Baden-Württemberg
Dennoch setzen sich Schlachter immer wieder darüber hinweg, wie auch in einem zweiten aktuellen Fall in Baden-Württemberg. Im Landkreis Ludwigsburg ist es anderen Tierrechtsaktivisten über den Jahreswechsel gelungen, diese Szenen zu dokumentieren. Zivilpersonen betreten gemeinsam mit einem Schlachter den Raum. Ein kleiner Junge ist dabei. Sie haben ein Messer mitgebracht. Der Schlachter hält das Schaf fest und erlaubt dem Besucher, dem Tier den Hals durchzusägen.
Die Aufnahmen haben wir über die Tierrechtsgruppe Peta erhalten. Scarlett Treml entsetzt vor allem eine Szene:

Scarlett Treml, PETA Deutschland e. V.:
"Die Kehle ist aufgeschnitten, der Mitarbeiter beginnt auch gerade schon das Tier zu häuten, ihm wird das Kopffell abgezogen und das Tier ist bei vollem Bewusstsein. Das Tier kämpft und strampelt, es leidet. Es hat massive Schmerzen und es ist noch nicht tot. Er sägt die ganze Zeit rum und das ist einfach komplett fehlende Sachkunde."
Also die fehlende fachliche Qualifikation, Tiere zu schlachten. Das bestätigt auch die zuständige Veterinärbehörde, als wir sie über die Zustände im Betrieb informieren.
Landratsamt Ludwigsburg:
"Dem Betrieb wurde mit sofortiger Wirkung die Schlachtung bis auf weiteres untersagt. Dem Betriebsmitarbeiter, der die Tat durchgeführt hat, wurde mit sofortiger Wirkung die Sachkundebescheinigung entzogen. Der Vorgang wurde an die Staatsanwaltschaft zur weiteren Ermittlung vorgelegt."
Vor Ort konfrontieren wir den Eigentümer des Betriebs. Vor der Kamera will er sich nicht äußern. Im Gespräch erklärt er, einer seiner Mitarbeiter sei sein Problem. Dieser habe an einem Tag, als er nicht im Betrieb gewesen sei, die rechtswidrigen Schlachtungen durchgeführt. Später lässt er erklären, es werde jetzt geprüft, wie solche Fälle künftig verhindert werden können. Jetzt ermittelt die zuständige Staatsanwaltschaft.
Nur in Hessen gibt es eine Ausnahmegenehmigung
REPORT MAINZ hat jetzt eine bundesweite Umfrage gestartet - wollte wissen: Wie viele Ausnahmegenehmigungen zum Schächten wurden denn tatsächlich in den Bundesländern erteilt? Die Antwort: Nur in Hessen wurde bei einem Betrieb im vergangenen Jahr das Schächten für 100 Schafe pro Woche aus religiösen Gründen erlaubt.
Die aktuell dokumentierten Fälle - also klare Rechtsverstöße. Dabei handelt es sich nicht um Ausnahmen, dies zeigt eine bundesweite Presseauswertung. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Fälle illegalen Schächtens festgestellt. Selbst Amtsveterinäre wie Thomas Buckenmaier aus Reutlingen müssen einräumen, dass sie solche Missstände kaum aufdecken können.
Thomas Buckenmaier, Amtsveterinär:
"Ich kann mir selber nicht vorstellen, wie man so einen Betrieb überwachen sollte, um solche Missstände festzustellen."
Edgar Verheyen, Autor:
"Geht nicht?"

Thomas Buckenmaier, Amtsveterinär:
"Nein, geht nicht. Da muss man sich einfach klar sein darüber, weil in dem Moment, wenn eine Überwachung da ist und wenn sie da ist, dann wissen die ja alle Bescheid. Dann finden solche Dinge nicht statt."
Edgar Verheyen, Autor:
"Das heißt, das können dann nur Tierrechtler mit versteckten Kameras feststellen?"
Thomas Buckenmaier, Amtsveterinär:
"Muss man so sagen, ja, leider."
Tierschützer als Kontrolleure also? Ein Offenbarungseid, denn es die Pflicht der Amtsveterinäre, die Schlachthöfe zu überwachen. Die Peta-Aktivistin fordert daher Abschreckung und von der Justiz ein hartes Durchgreifen:
Scarlett Treml, PETA Deutschland e. V.:
"Unsere Forderung: Also wenn man sich schon nicht auf die Kontrollinstanzen verlassen kann hierzulande, was sich auch schon oft genug bestätigt hat, dann bitte zumindest auf das Rechtssystem und dann halt einfach harte Strafen."
Stand: 15.02.2023 13:44 Uhr