Filialschließungen, keine Tagesgeldzinsen: Sparkassen in der Kritik
Bundesweit schließen Sparkassen Filialen, bauen Geldautomaten ab, ziehen sich aus der Fläche zurück. Experten stellen in Frage, ob die Geldhäuser ihrem gesetzlichen Auftrag noch gerecht werden. Weitere Kritikpunkte: Einige Sparkassen vernachlässigten zudem das Kreditgeschäft. Stattdessen steckten einige große Teile ihres Geldes in Wertpapiere und Aktien. Trotz mehrfach gestiegenen Leitzinses sind es außerdem ausgerechnet viele Sparkassen, die derzeit keinerlei Zinsen auf Tagesgeldkonten auszahlen.
Bewohner:
„Das ist eine Riesen-Schweinerei, was die hier mit uns veranstalten.“
Der Grund des Ärgers? Eine Sparkasse, die heute keine mehr ist. Seit Ende Dezember ist auch der letzte Geldautomat außer Betrieb. Da fühlen sich gerade ältere Menschen abgehängt.
Bewohner:
„Ich bin jetzt 82. Ich weiß gar nicht mehr, wie lange ich noch fahren kann oder kann irgendwo was holen.“
Beitrag:
Ein letzter Blick. Auf eine Sparkasse, die bald keine mehr ist.
Ingrid Schachtebeck:
„Ich fühle mich total alleine gelassen, absolut einfach traurig. Und das ist wieder ein Stück, was einem weggenommen wird in so einer intakten Gegend.”
Seit 40 Jahren erledigt Ingrid Schachtebeck hier im niedersächsischen Klein Lengden ihre Bankgeschäfte. Die einzige Sparkasse in gut fünf Kilometern Umkreis, schon lange ohne Personal, aber noch mit jeweils einem Geld- und Überweisungsautomaten. Selbst die will die Sparkasse im Sommer zumachen. Ingrid Schachtebeck weiß nicht, was dann werden soll.
Philipp Reichert, Autor:
„Es gibt doch Onlinebanking.”
Ingrid Schachtebeck:
„Ja.”
Philipp Reichert, Autor:
„Warum machen Sie das nicht einfach?”

Ingrid Schachtebeck:
„Ja, weil ich zu den Menschen gehöre, die keinen PC haben. Ich trau mich nicht an Onlinebanking ran. Einen falschen Knopf gedrückt. Ist nicht mein Ding.”
Sparkasse Göttingen schließt fünf Filialen und 16 Automaten
72 Jahre und ziemlich ratlos. Als Folge einer Entscheidung der Sparkasse Göttingen. Die noch viel mehr streichen will, bestätigt sie uns, weil immer weniger Kunden in die Filialen kämen. Fünf Filialen insgesamt sollen im Sommer verschwinden, zusätzlich zu 16 Geldautomaten.
Den Klein Lengdener Bürgermeister macht das alles immer noch fassungslos, denn die Folgen seien verheerend.

Klaus-Werner Hanelt, Bürgermeister Klein Lengden:
„Hier kann man zehn Ortschaften erkennen, die komplett von der Finanzversorgung im Grunde genommen abgeklemmt sind. Dann gibt es hier gar nichts mehr in dieser ganz großen Flächengemeinde Gleichen, die von der Fläche größer ist als die Stadt Göttingen.”
Immer weniger Sparkassen-Zweigstellen
Die Sparkassen wagen einen Kahlschlag. Seit Jahren schon nimmt die Zahl der Zweigstellen bundesweit deutlich ab: sank von 16.892 im Jahr 2000 auf 7.732 im Jahr 2021.
Komisch irgendwie, angesichts des Images, das die Sparkassen selbst seit Jahren präsentieren, in aufwendig produzierten Werbespots, mit klarer Message:
Werbefilm Sparkasse:
„Wir machen es wie die Sparkassen: Persönliche Beratung, quasi überall kostenfreie Geldautomaten, immer eine Filiale in der Nähe und das alles in einem Konto.”
Der öffentliche Auftrag der Sparkassen
Eine Bank mit besonderer Rolle, mit öffentlichem Auftrag, auch qua Gesetz dem Gemeinwohl verpflichtet, festgehalten unter anderem in Landesparkassengesetzen. Wie in Niedersachsen, wo Sparkassen ihre Geldleistungen in der Fläche anbieten sollen.
Und die Realität? Das Gegenteil: Sparkassen, die sich vielerorts zurückziehen - selbst, wenn bleiben so einfach wäre.
Astheim. Südlich von Frankfurt. Immerhin: Am Ortseingang zeigt die Sparkasse noch Gesicht. Doch die einzige Filiale ist schon lange zu, seit Ende Dezember sind auch die Automaten außer Betrieb.
Und das, obwohl der Bürgermeister alles tat, um die Sparkasse zu halten. Sogar einen Teil der Kosten wollte die Gemeinde übernehmen, an einem neuen Standort am Bürgerhaus, natürlich ohne Miete zu verlangen. Doch die Sparkasse antwortete: Die Gemeinde solle den Bürgern von dem Geld lieber Taxigutscheine bezahlen.

Jochen Engel, Bürgermeister Gemeinde Trebur, Freie Wähler:
„Haben wir als blanken Hohn empfunden, ehrlich gesagt. Wenn die Sparkasse ihrem Auftrag nicht mehr nachkommt und sagt: ‚Aber, liebe Gemeinde, wenn ihr schon Geld ausgeben wollt, dann seht doch ihr zu, wie die Menschen zum Bankautomat kommen.‘ Das kann es ja nicht sein.”
Auch die Bewohner im Ort sind bis heute verärgert.
Bewohner:
„Das ist eine Riesenschweinerei, was sie hier mit uns veranstalten.”
Bewohner:
„Man sagt im sozialen Bereich, man solle die Alten oder die Menschen mit Behinderung nicht vergessen. Und ich habe den Eindruck, man hat sie total vergessen.”
Sparkassen: Immer mehr Online-Banking
Die Sparkassen schreiben uns, man könne sich ja auch Geld nach Hause schicken lassen. Das dauert aber.
Doch wie rechtfertigen die Sparkassen, dass sie sich immer mehr zurückziehen? Der Sprecher des Dachverbands weicht unseren Fragen aus, will sich auf das Thema gar nicht erst einlassen.
Judith Brosel, Autorin:
„Warum schließen Sie?”
Christian Achilles, Deutscher Sparkassen- und Giroverband:
„Wir schließen nicht, sondern wir eröffnen neu jeden Tag Online-Filialen. Da haben wir in letzter Zeit erheblich Zuwachs gehabt.”
Judith Brosel, Autorin:
„Was ist eine Internet-Filiale?”

Christian Achilles, Deutscher Sparkassen- und Giroverband:
„Eine Internet-Filiale ist das komplette Angebot einer stationären Filiale im Internet. Das heißt, sie können alle Bankgeschäfte dort erledigen. Jeder kriegt bei uns eine eigene Filiale. Das ist das Schöne. Also wir haben für jeden Kunden eine eigene Filiale. 24 Millionen Mal.”
Internet-Seite statt Bankfiliale. Die schöne neue Welt der Sparkassen, die mit jeder Schließung bares Geld sparen. Und das, obwohl sie Milliarden Euro zur Verfügung haben. Was machen die Sparkassen damit? Wir stoßen auf diesen Fall:
Ein Millionen-Verlust bei einer Sparkasse und ein geschasster Chef. Unter anderem wegen missglückter Aktiengeschäfte am Kapitalmarkt. Fast wie bei einer Investmentbank. Eine Sparkasse, die in großem Stil am Kapitalmarkt investiert?
Finanzexperte kritisiert Investments
Das gibt es öfter, zeigt eine Studie von Ralf Jasny, Finanz- und Wirtschaftsprofessor in Frankfurt. Demnach steckten einige Sparkassen große Teile ihres Geldes - manchmal sogar mehr als die Hälfte - in den Kapitalmarkt und vernachlässigten damit die Kreditvergabe in der Region.

Prof. Ralf Jasny, Frankfurt University of Applied Sciences:
„Mir ist es ein großes Rätsel, wie man diese Bilanzstrukturen von einzelnen Sparkassen mit so großen Wertpapierbeständen in Einklang bringen kann mit den jeweiligen Sparkassen-Gesetzen. Da fehlt mir die Fantasie. Dann haben manche Sparkassen auch eher den Charakter von einem Hedgefonds und nicht von der Sparkasse, wie man sie klassischerweise im Auge hat, wenn man dort sein Geld hinbringt.“
Wir fassen das nochmal zusammen: Menschen, die um ihre Bankfilialen kämpfen und einige Sparkassen, die ihr Glück lieber am Kapitalmarkt suchen, statt ihr Geld in die Region zu stecken.
Viele Sparkassen zahlen keine Zinsen auf Tagesgeld
Und: Viele zahlen nicht mal Zinsen auf Tagesgeld, zeigt eine Untersuchung des Verbraucherportals Verivox von vergangener Woche. Null Prozent bei fast jeder dritten Sparkasse, trotz des mehrfach gestiegenen Leitzinses.
Der Vorstand der Bürgerinitiative „Finanzwende“ sieht die Bundesländer in der Pflicht. Früher saß Gerhard Schick im Bundestag, heute setzt er sich für eine Reform des Finanzsystems ein.

Gerhard Schick, Bürgerbewegung Finanzwende e.V.:
„Ich erwarte von den Landesgesetzgebern in Landesparlamenten, dass sie den Gemeinwohl-Auftrag bei den Sparkassen stärker durchsetzen im Sinne von: Das steht nicht nur obendrauf, sondern die Sparkasse muss auch Rechenschaft ablegen. Die Sparkasse hat ihre Existenzberechtigung nur, wenn sie den Auftrag erfüllt.”
Wie sehen das die Bundesländer? Sie erklären uns, es gebe keinen Handlungsbedarf beim Sparkassengesetz.
Trotz der vielen Kunden, die sich von ihrer Bank mittlerweile allein gelassen fühlen.
Stand: 29.03.2023 16:29 Uhr