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Sudan: Der mutige Kampf der Frauen in der Revolution

PlayAlaa Salah
Sudan: Der mutige Kampf der Frauen in der Revolution | Bild: picture alliance/dpa

Über 30 Jahre hat die Machtelite um Diktator Umar al-Baschir den Sudan regiert. Seitdem die Misswirtschaft für die Menschen immer unerträglicher wird, finden täglich Proteste statt. Umar al-Baschir ist inzwischen zurückgetreten, aber die Sudanesen fordern mehr: Sie wollen Demokratie und Freiheit. Deswegen gibt es auch weiterhin Widerstand gegen den amtierenden Militärrat. Denn die Generäle gehören zu der korrupten Elite, die den Sudan seit Jahrzehnten ausbeutet. Vor allem die Frauen haben die Revolution gegen die Diktatur getragen. In dem eigentlich streng muslimischen Land sind die Frauen in die Rolle von Revolutionärinnen geschlüpft.

Mehr Frauen als Männer auf der Straße

Protestierende Frauen
Protestierende Frauen sind die treibende Kraft im Sudan. | Bild: NDR

Rifka Abdel Rahman gibt den Ton an. Wie so oft: "Wir brennen von innen, kennen keine Angst“, skandiert die 18-Jährige an der Spitze eines Protestmarschs junger Männer. Die Revolution macht Schluss mit Rollenklischees im Sudan. Frauen gehen raus, kämpfen an vorderster Front und setzen sich ehrgeizige Ziele. "Politikerin zu werden, Ministerin in einer neuen Regierung, das ist mein Ziel. Die Frauen sollten eine Stimme haben", sagt Rifka Abdel Rahman.

Der Abtritt von Langzeitdiktator Baschir ist auch der Erfolg von Rifka, Walaa, Ola und Tausenden anderen mutigen Frauen. Mit ihren Plakaten und Sprechchören waren sie bei der Revolution von Anfang an dabei – zunächst als Antreiberinnen, irgendwann auch als Anführerinnen. Oft waren mehr Frauen als Männer auf der Straße, bekamen dabei auch die harte Hand des Regimes und den Hass religiöser Eiferer zu spüren, wie sie uns erzählen. "Es ist doch unser Recht, unsere Meinung zu sagen, mitzureden, der Welt zu zeigen, dass wir Dinge bewegen und verändern können", sagt Walaa Abdallah. Und Raida Mustafa ergänzt: "Es ist natürlich keine Revolution gegen den Islam. Sie haben den Islam für ihre eigenen Zwecke missbraucht. Wir sind nicht gegen den Islam, sondern dagegen, dessen Botschaften zum eigenen Vorteil zu verdrehen."

Festgenommen, erniedrigt, geschlagen

"Ich wurde bei einer Demonstration im Norden von Khartum festgenommen. Sie haben mich in einem Polizeiwagen weggebracht, Männer vor meinen Augen unentwegt geschlagen, Frauen gefoltert, nachdem sie bei ihnen Transparente gefunden haben. Mich haben sie laufen lassen, weil ich nichts bei mir hatte", erzählt Ola Vasir. Viele Frauen haben solche traumatischen Erlebnisse hinter sich. Auch Rifka. Fünfmal wurde sie festgenommen, erniedrigt, geschlagen, mit Stromstößen gefoltert. Doch das hat die Studentin nur noch stärker gemacht. Sie fing an, Tränengasgranaten der Sicherheitskräfte aufzulesen und zurückzuschleudern, um andere zu schützen. Im Internet ist sie mit diesem Video berühmt geworden. "Ich war ganz vorne. Einige Demonstranten starben direkt neben mir, aber ich hatte keine Angst. Es war ganz selbstverständlich für mich, Tränengasgranten zurückzuwerfen. Auch wenn ich wusste, dass ich meine Hand und mein Augenlicht verlieren konnte, es beim Atmen sehr schmerzhaft war", erinnert sich Rifka Abdel Rahman.

Freiheit, Frieden und mehr Frauenrechte

Demonstranten in Khartum
Gleiche Rechte für Frau und Mann fordern die Demonstrantinnen. | Bild: NDR

Khartum steht Kopf. Seit gut vier Monaten schon. Erst haben die Demonstranten Langzeitdiktator Baschir aus seinem Palast gefegt. Nun fordern sie, dass das Militär abtritt, sie fordern Freiheit, Frieden und mehr Frauenrechte. Auch das eine Revolution in einem arabisch geprägten Land, in dem Frauen Jahrzehntelang nichts zu sagen hatten. 

Nahid Gabralla kämpft schon seit den 1980er-Jahren für bessere Chancen für Frauen, vor dem Gesetz, bei Jobs und Bildung. "Frauen waren von Anfang an die Opfer des Baschir-Regimes. Auf allen Gebieten des Sudan. Die rigiden Bekleidungsvorschriften, Familiengesetze, Frauenrechte. Überall gab es Druck auf sie. Frauen waren auch am schlimmsten von der Wirtschaftskrise getroffen", erzählt die Frauenrechtsaktivistin.

Endlich ist es auch ihr Land. Rifka trägt stolz die Nationalfarben auf der Wange. Und sie träumt einen Traum: "Gleiche Rechte für Frauen wären tatsächlich ein Traum. Männer und Frauen sind nicht gleich, aber es gibt Vieles, was uns zusammenbringt. Als Sudanesen haben wir alle die gleichen Rechte."

Freiheit und Frieden für Männer wie Frauen. Dafür will sie und ihre Freundinnen weiter auf die Straße gehen. So selbstbewusst wie nie zuvor.

Autor: Daniel Hechler, ARD-Studio Kairo    

Stand: 28.04.2019 20:21 Uhr

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