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Sansibar: Hotelboom im Paradies

Immer mehr Reiseanbieter entdecken die kilometerlangen Strände für sich. Das lockt Touristen. Dabei ist die Insel im indischen Ozean nur etwa halb so groß wie Mallorca. Auch die Partyszene pulsiert. "Ich liebe Sansibar wegen der wunderschönen Strände. Die sind so weiß. Und das tolle Wasser. Die fantastischen Menschen hier sind alle sooo nett", sagt Sophie, eine niederländische Touristin.

Wer nach Sansibar kommt, wird mit einem herzlichen "Karibu" – "Willkommen", begrüßt. Die Hauptstadt Stone Town ist UNESCO Weltkulturerbe, vor allem wegen ihrer Suaheli Architektur. Über den Gewürzmarkt weht ein Hauch von Exotik – mit seiner großen Auswahl an Nelken, Vanille, Zimt oder Pfeffer. Seit Jahrhunderten sind Produktion und Export von Gewürzen ein wichtiger Wirtschaftszweig. Jetzt wird er vom Tourismus abgelöst. Doch viele Einheimische profitieren davon nicht. Knapp zwei Millionen Menschen leben auf der Insel. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. An den Plattenbauten am Rande von Stone Town – einem Geschenk aus DDR Zeiten – wurde seit den 60er-Jahren kaum etwas gemacht. Sine Heitmann lebt mit der Familie nur wenige 100 Meter vom Meer entfernt. Sie ist mit ihren drei Kindern voll in die Dorfgemeinschaft von Jambiani integriert, spricht auch die lokale Sprache Suaheli. Ihr Mann Launi Makame ist Sansibari. Er kritisiert, dass manche Touristen sich wenig respektvoll benehmen: "99 Prozent der Leute hier sind Moslems. Wenn die Touristen in die großen Hotels kommen und ohne anständige Kleidung herumlaufen dann erklären wir ihnen, dass man so vielleicht am Strand herumlaufen kann, aber nicht in unserem Dorf."

Sansibar: Etwa 99 Prozent Muslime leben auf Sansibar.
Sansibar: Etwa 99 Prozent Muslime leben auf Sansibar. | Bild: WDR

Sine Heitmann lebt hier seit vielen Jahren. Sie managt die Buchungen mehrerer kleiner Hotels. Sie sieht mit Sorge, wie immer mehr große Hotels an den touristischen Hotspots gebaut werden: "Wir haben ja sehr viele große Projekte, große Investitionen, wo wirklich die internationalen Hotelketten jetzt kommen und ihre großen Projekte machen. Da weiß man dann immer nicht so. Inwiefern spielen sie mit den Regeln, inwiefern kriegen sie Sonderregeln und wird dann halt auch entweder ein Auge zugedrückt oder ist es einfach naja, wenn wir jetzt diese Prestigenamen hier haben, dann dürfen die auch ein bisschen was anderes machen."

Vor allem im Norden der Insel gibt es einen Bauboom – kaum ein Monat vergeht ohne die Ankündigung eines neuen Resorts. Urlaub wird hier immer erschwinglicher. Schon jetzt gibt es etwa 1.500 Hotels auf der Insel. Auch deutsche Reiseunternehmen investieren in Neubauten für alle Zielgruppen. Eine Managerin sieht auch die Schattenseiten des Tourismusbooms. "Als ein Ferienziel, das immer populärer wird, müssen wir uns noch anpassen. Aber mit all diesen tollen Möglichkeiten, die die neuen Hotels schaffen, verlieren wir langsam auch unsere Authentizität", findet Dumagude Porsche vom Hotel "The Mora". Die meisten Touristen kommen hauptsächlich wegen der Strände. Kulturell fremdelt mancher noch ein bisschen. "Man kann nicht einfach so wie auf Malle raus auf die Straße gehen und überall hin flanieren oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, da kennt man sich zu wenig aus, da hat man auch nicht ganz so das Vertrauen zu", sagt Tourist Jörg Simon.

Der Tourismus wächst und mit ihm infrastrukturelle Probleme

Sansibar: Aus Flaschen werden Deko-Artikel – Recycling auf Sansibar.
Sansibar: Aus Flaschen werden Deko-Artikel – Recycling auf Sansibar. | Bild: WDR

Mehr Touristen heißt auch mehr Müll. Die einzige offizielle Deponie in Kibele – reicht schon lange nicht mehr. Nach Schätzungen landet hier nur etwa die Hälfte der Abfälle. So manche Hotels und Restaurants entsorgen ihren Unrat im Busch. Immer wieder entdeckt Sine illegale Müllhalden wie diese, postet ihre Funde bei Instagram. "Also der Tourismus entwickelt sich gerade so schnell, dass von der Infrastruktur, also jetzt mit Wasserversorgung, Stromversorgung, die Insel noch nicht ganz hinterher kommt und da wirklich nur am hinterher hechten ist. Was machst du mit dem Müll wenn er erstmal hier ist?", erklärt sie.

80 Prozent des Mülls der Insel stammt aus dem Tourismus. Der zuständige Minister, Mudrik Soraga, sieht die Probleme, die mit dem schnellen Wachstum einhergehen. Bei der Nachhaltigkeit setzt er auf ausländische Hilfe: "Ich glaube, dass wir uns darauf einigen können, dass wir alle dieselbe Verantwortung haben, die Umwelt auf dieser Insel zu schützen. Nun, können wir das alleine leisten? Absolut nicht. Wir müssen mit unseren Partnern zusammenarbeiten, mit unseren Investoren."

Es gibt mehrere private Recycling Projekte, wie z.B. Chako. Mit einfachen Mitteln werden hier aus Altglas Haushaltsgegenstände, wie Trinkgläser oder Gewürzgefäße gemacht. Pro Jahr sammelt die NGO allein 1,5 Millionen Flaschen von Hotels und Restaurants. "Wir verarbeiten den Müll, der von der Tourismusindustrie kommt zu Inneneinrichtungsgegenständen – so bringen wir ihn auch dahin zurück, wo er herkommt – in die Hotels. Das ist eine Art Kreislaufwirtschaft", erklärt Suleiman Mohamed von Chako Recycling.

Diese Schaukel wurde eigens für den Auftritt in sozialen Netzwerken gebaut. Die Postings von dem sehr speziell gelegenen Restaurant locken noch mehr Besucher auf die Insel. "Für mich ist Social Media nicht alles, aber für manche Urlauber schon. Sansibar wächst jetzt auch wegen dem Internethype sehr schnell. Es ist nicht mehr wirklich im Gleichgewicht", erzählt Mario Apuzzo, Manager vom "The Rock". Aber noch gibt es diese ausgelassenen, unbekümmerten Momente, den Mix der Kulturen. Das ewige Dilemma des Tourismus hat Sansibar erreicht: Urlauber suchen das unberührte Paradies – und wenn sie es gefunden haben, wollen auch andere dorthin.

Autorin: Caroline Imlau / ARD Nairobi

Stand: 29.06.2025 18:29 Uhr

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