So., 29.06.25 | 18:30 Uhr
Das Erste
Spanien: Overtourism auf Mallorca
Mallorca – traditionell die Lieblingsinsel vieler Deutscher. Aber dabei bleibt`s längst nicht mehr. US-Amerikaner haben die Insel für sich entdeckt. Es gibt vier Direktflüge pro Woche aus New York auf die Balearen-Insel. Da kommt jede Mange zahlungskräftiges Publikum an. Mallorca hat sich zu einem Hotspot für Luxus-Tourismus entwickelt. Rund 70 Fünf-Sterne Hotels gibt es hier mittlerweile. Tendenz steigend. Mit Folgen für die Insel. Der boomende Luxus-Tourismus, die ausufernde Inselliebe. Das hat Nebenwirkungen. Zu Wasser und zu Lande. Auf Mallorca. Celso Garcia ist Geographie-Professor und hat ein Rätsel gelöst. Wie viel Wasser braucht der Tourismus? Er hat dazu den Verbrauch an einzelnen Orten während der Pandemie gemessen und dann noch einmal – als wieder Touristen kommen durften. Wie problematisch ist Tourismus aus seiner Sicht. Etwa hier an der Playa de Palma – gern auch Ballermann genannt? "Ist diese Gegend hier ein Problem?" "Nein, hier gibt es Drei-, Vier-Sterne-Hotels. Da ist der Wasserverbrauch okay. Touristen brauchen hier 280 bis 320 Liter Wasser am Tag pro Person. Viel ist renoviert worden. Hier gibt es Massentourismus – das ist kein großer Wasserverbraucher. Im Vergleich zu 5-Sterne, Luxus-Touristen", erklärt Celso Garcia. "Weil hier nutzen alle: Einen Pool!" "Genau, ein Pool. Zimmer mit Maßnahmen für geringeren Wasserverbrauch. Es gibt keine üppigen Gärten. Da wird`s problematischer."
Luxus-Tourismus hat die größten Auswirkungen auf Ressourcen

Die hier das Inselfieber feiern – für Celso erstmal keine Problem-Touristen. Wo die leben, will er mir jetzt zeigen: "Fangen wir mal so an: In der Stadt hier, in Palma, brauchen Einwohner 150, 160 Liter Wasser am Tag. Aber in dieser Luxus-Siedlung, in der wir jetzt sind, da brauchen Bewohner oder Touristen um die 1000 Liter Wasser am Tag. Und einige sogar 2000 bis 2500 Liter. Wie kommt das? Die meisten haben einen eigenen Pool und drumherum Gärten: Mit Rasen. Und zwar keinen mediterranen Rasen. Das verbraucht einfach viel Wasser. Der Wasserverbrauch ist maßlos!" Aber nicht nur der Luxus-Tourismus sei ein Problem der Insel. Es gäbe ein weiteres: Es kämen zu viele Leute nach Mallorca. "Früher hatten wir drei, vier Monate Saison. Jetzt acht. Menschen, die hier leben, können nicht mehr. Wir brauchen Limits! Die illegale Vermietung von Ferienwohnungen – das muss kontrolliert werden. Und vor allem auch die Zahl der Mietwagen. Das ist alles zu viel." Wir sollen uns da mal was angucken. Eine Fahrt zum beliebten Strand Es Trenc. Das hier ist der Sound zur Reise. Wir sind Teil eines Verkehrsinfarktes. "Ziemlich voll hier, mh?! Jeden Tag, sagt er. Ist immer voll. Jeden Tag!", sagt Reporter Sebastian Kisters.
Und dann wieder dieses Bild: das Meer voller Boote. Und nun auch: Ein ziemlich voller Strand. Die Insel erträgt das nicht mehr, meinen viele Einheimische. Und rufen nach Limits. Oder nach der Rückkehr zu den Wurzeln. Zur Textil-Industrie etwa. Das habe ich oft gehört. Nicht mehr so abhängig sein vom Tourismus. Wieder mehr Kleider oder Schuhe auf der Insel produzieren – wie früher. Aber ist das realistisch? Ich treffe mich mit Aida. Es ist eine Frage, die ihre Zukunft betrifft. Kann sie hier als Designerin durchstarten? Und braucht sie dafür die vielen Touristen – oder wären weniger besser für sie. Die junge Schneiderin aus der Inselhauptstadt Palma hat mit dieser Kollektion gerade den ersten Preis beim Mallorca Design Day gewonnen. "Blau ist meine Lieblingsfarbe! Das war schon als Kind so. Blau erinnert mich ans Meer und daran, dass wir eine Insel sind – hier fühle ich mich sicher", erzählt sie.

Und jetzt kommen diese Kleider groß raus. Die Sängerin Maria Antonia Rosselló dreht ein Musikvideo. Aida hat die Kleider entworfen, die Maria heute trägt. Das Lied heißt: "Zurück". Es geht um Abschied und Heimkehr. Wünscht sich Aida ein zurück, weniger Tourismus? Klar, meint sie am Abend, die vielen Touristen, das stört. Mit ihrem Freund würde sie gern zusammenziehen. Aber eine Wohnung: unbezahlbar. Und nicht nur das: "Ich bin eine junge Unternehmerin. Da würden mir Touristen als Kunden helfen. Natürlich. Andererseits: Der Tourismus macht es auch nicht einfacher. Ich kann mir keinen Laden leisten, um richtig zu starten. Und eine eigene Wohnung auch nicht. Das alles ist ein Dilemma."
Auch wenn es sie Kundschaft kosten könnte. Grenzen, Limits für Tourismus fände Aida gut. Und nicht nur sie! Immer wieder gehen auf Mallorca Einheimische auf die Straßen und demonstrieren gegen Massen- und ausufernden Luxus-Tourismus. Zuletzt vor zwei Wochen. "Die Insel ist nicht zu verkaufen", steht auf Plakaten. Auf anderen: "Hilfe!". 2024 kamen rund 13 Millionen Besucher nach Mallorca – deutlich mehr als vor der Corona-Krise. Die Insel leider unter dem Tourismus. Aber sie lebt auch von ihm.
Autor: Sebastian Kisters / ARD Madrid
Stand: 29.06.2025 21:39 Uhr
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