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Ukraine: Was will Staatschef Selenskyj?

PlayUkraine: Der Krieg in der Ostukraine ist noch immer nicht beendet

Amtsantritt von Wolodymyr Selenskyj vor einem Jahr. Der Ex-Schauspieler, nah am Volk. Anders will er sein – und macht große Versprechungen. 

Wolodomyr Selenskyj, Präsident Ukraine: "Ich bin bereit, das Sterben unserer Soldaten um jeden Preis zu stoppen!" 

Was wurde aus Selenskyjs Versprechen?

Ukraine: Der Krieg in der Ostukraine ist noch immer nicht beendet
Ukraine: Der Krieg in der Ostukraine ist noch immer nicht beendet

Besser als sein Vorgänger will er die Wirtschaft fördern. Und: Die Korruption besiegen. „Unsere Bürger haben diejenigen Politiker satt, die 28 Jahre lang ein Land von Bestechung und Stehlen geschaffen haben." Und was wurde aus den Versprechen? Der Krieg. Wassil Savin aus der Ostukraine hat Selenskyj in diesem Jahr seine Freiheit zu verdanken. Fünf Jahre lang war er in Gefangenschaft der aus Russland unterstützten Rebellen. In einem Keller, gedemütigt, gefoltert. 

„Bis zum letzten Moment, hat man uns in einem Gefangenentransporter ohne Fenster eingepfercht, auf drei Quadratmetern, 10 Personen mit ihren Habseligkeiten - und das sieben Stunden lang. Wie Fische in einer Dose. Das war der letzte Abschied von unserer bescheuerten Donezker Volksrepublik", so Wassil Sawin, ehem. Kriegsgefangener.

Der Gefangenenaustausch – Teil von Selenskyjs Friedensplan. Drei Mal kamen insgesamt 131 Ukrainer frei – Menschen wie Wassil Sawin. Selenskyj empfing die ehemaligen Gefangenen am Flughafen – sichtlich bewegt. Wassil Sawin fühlte Erleichterung, aber keine Euphorie: „Meine Heimat wird immer noch vom Feind bedroht. Mein Haus ist auf feindlichem Territorium wie auch meine Familie. Es ist jetzt nicht die Zeit für Euphorie."

Große Hoffnungen auf Frieden

Fortschritte auch beim politischen Friedensprozess? In Paris traf Selenskyj im Dezember Russlands Präsident Putin – im sogenannten Normandie-Format mit Frankreich und Deutschland. Große Hoffnungen auf Frieden, auch bei Wassil Sawin: „In den letzten drei Jahren war das Normandie-Format schon fast von Moos überwuchert. Keiner hat es vorangetrieben. Aber dann hat die Autoritätsperson Selenskyj es aufgeschüttelt. Und die Welt hat ihn gesehen."

Doch der in Paris vereinbarte Waffenstillstand hat nicht geklappt. Wie schon oft zuvor. Das bereits vereinbarte nächste Normandie-Spitzentreffen kam bisher nicht zustande. An anderer Front macht dieser Mann Selenskyj Kopfzerbrechen. 

Ihor Kolomojskyj, viertreichster Ukrainer. Vermögen: 1 Milliarde US-Dollar. In Kolomojskys Fernsehsender kündigte Selenskyj damals seine Kandidatur an. Ist der Präsident also eine Marionette dieses Oligarchen? Selenskyj empfing ihn und andere Oligarchen im September im Präsidentenpalast. 

Ein neues Gesetz wird zur Machtprobe

Oleksandr Danylyuk war damals Chef des Nationalen Sicherheitsrats: „Ich habe Selenskyj gesagt, als oberste Priorität musst du dich um Kolomojsky kümmern. Danach andere Oligarchen, aber erst Kolomojsky. Wenn du das tust, wird alles andere logisch sein und die Menschen vertrauen dir."

 Es geht um die größte ukrainische Bank, „Privatbank". Sie gehörte Kolomojskyj, wurde dann aber verstaatlicht. Jetzt soll ein „Anti-Kolomoijsky-Gesetz" verhindern, dass der Oligarch dafür entschädigt wird. Selenskyj tut sich lange schwer damit. 

Diese Woche bringt er es ins Parlament: Eine Machtprobe. Scheitert das Gesetz hier, droht der Ukraine die Pleite. Denn internationale Geldgeber verlangen das Gesetz gegen den Oligarchen. Der hat im Parlament immer noch seine Leute sitzen. 

„Es gibt ein paar wichtige historische Gesetze, die das Land und die Partei einen sollten. Und wünsche mir, dass so die heutige Abstimmung verläuft", sagt Wolodymyr Selenskyj, Präsident Ukraine.

Corona ist ein schwerer Schlag für die Ukraine

Selenskyj schafft es, das Gesetz wird beschlossen, der Bankrott der Ukraine ist abgewendet. Doch mehr als jeder siebte Abgeordnete von Selenskyjs Partei hat nicht dafür gestimmt - obwohl seine Partei eigentlich hier die Mehrheit hat. „Selenskyj hat es nicht geschafft, seine absolute Mehrheit im Parlament zusammenzuhalten", so Maksym Skubenko, Fact-Checker „Vox Ukraine"

Selenskyjs erstes Jahr war turbulent – und dann kam auch noch: Corona. Für die Ukraine, ohnehin schon eines der ärmsten Länder Europas, ein schwerer Schlag.  

Den Unternehmer Jewgenij Chernyj aus Tscherkassy hat es voll getroffen. Seine Firma produziert Holzmöbel, zwei Kunden in Deutschland halten ihn gerade am Leben. 

„Wir mussten in dieser Zeit Leute entlassen, einige in den Urlaub schicken, die Herstellung ist um mehr als das Zehnfache gesunken", sagt Jewgenij Tschernyj, Unternehmer.

Weit entfernt vom Erfüllen der großen Versprechen

Die schwache ukrainische Wirtschaft schrumpft in der Krise. Das ist auch für die Unternehmer hier in Tscherkassy ein Problem. Am Präsidenten gibt es hier deutliche Kritik. Dem Präsidenten scheint aber zu helfen, dass er sich mit häufigen Videobotschaften an sein Volk wendet. In Umfragen sagen 43 Prozent, sie würden Selenskyj als Präsidenten wieder wählen. 

„Das Rating von Selenskyj ist sehr stark. Wenn man es vergleicht mit dem ersten Jahr anderer Präsidenten hat er recht gute Ergebnisse", erzählt Maksym Skubenko, Fact-Checker "Vox Ukraine".

Selensky‘s erstes Jahr ist vielleicht eines der kleinen Fortschritte: Beim Frieden, beim Einfluss der Oligarchen. Doch vom Erfüllen seiner großen Versprechen ist er noch weit entfernt. 

 Autor: Demian von Osten/ARD Studio Moskau

Stand: 18.05.2020 11:34 Uhr

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