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Der Fall von Kabul – Chronik eines Desasters

PlayTaliban-Kämpfer auf einem erbeuteten Jeep
Der Fall von Kabul – Chronik eines Desasters | Video verfügbar bis 15.08.2023 | Bild: NEW YORK TIMES/Jim Huylebroek

Im August 2021 schaute die Welt entsetzt nach Afghanistan: Innerhalb kürzester Zeit brach der Staat zusammen, der 20 Jahre lang vom Westen unterstützt worden war. Noch vor dem Abzug der letzten US-Truppen marschierten die Taliban in die Hauptstadt ein, viel früher als vorhergesagt. Die reguläre Regierung floh. Tausende Afghaninnen und Afghanen, die das Land verlassen wollten, strömten zum Flughafen - in Panik und Todesangst. Wie konnte es so weit kommen?

"Ich bin immer noch traumatisiert. Ich kann immer noch nicht akzeptieren, was in meinem Land passiert." Zarifa Ghafari war eine der wenigen Politikerinnen in Afghanistan und eine der jüngsten. "Ich musste das Ergebnis von 26 Jahren Arbeit zurücklassen, meine Zeugnisse, Diplome, Auszeichnungen – alles." Als die Taliban wieder die Macht übernahmen, war sie auf einmal in Lebensgefahr, so wie Tausende Afghaninnen und Afghanen, die mit westlichen Organisationen zusammengearbeitet oder sich für einen westlichen Lebensstil entschieden hatten. Viele von ihnen hofften auf eine Evakuierung ins sichere Ausland, oft vergebens.

Zarifa Ghafari
Zarifa Ghafari war eine von nur wenigen Frauen in der afghanischen Politik. Sie musste fliehen, als die Taliban in Kabul einmarschierten. | Bild: WDR/NDR

Sturz des Regimes

Autoren von WDR und NDR haben den dramatischen Fall von Kabul rekonstruiert und dazu mit Beteiligten, Verantwortlichen und Augenzeugen gesprochen. Erstmals seit der Eroberung der afghanischen Hauptstadt Kabul durch die Taliban geben Bundeswehrsoldaten des "Kommandos Spezialkräfte" detailliert Einblick in die bislang größte Evakuierungsmission der Bundeswehr im Ausland.

General Jens Arlt
General Jens Arlt hat im August 2021 die Evakuierungsaktion der Bundeswehr in Kabul geleitet. | Bild: WDR/NDR

Jens Arlt, verantwortliche Kommandeur für diesen Einsatz, beschreibt die ungeheuer schwierigen Rahmenbedingungen. Er betont, "dass das Bild, das man aus dieser Operation porträtiert hat, nicht das Bild ist, was real dort unten passiert ist." Ein Rettungstruppführer fasst seine Eindrücke der zehn Tage am belagerten Flughafen von Kabul so zusammen: "Ich könnte mich jetzt an keinen Film erinnern, der annähernd das beschreiben würde, was wir dort erlebt haben."

Mitglieder der ehemaligen afghanischen Regierung schildern den dramatischen 15. August 2021 und was an diesem Tag im Präsidentenpalast passierte. "Wir dachten am Morgen nicht, dass das unser letzter Tag in Kabul sein wird", erinnert sich Hamdullah Mohib, damals Nationaler Sicherheitsberater. Er entschied sich, mittags zusammen mit dem Präsidenten überraschend das Land zu verlassen und so den Sturz der Regimes zu besiegeln.

Vertreter der Taliban den Präsidentenpalast
Nach der Flucht des afghanischen Präsidenten am 15. August 2021 übernehmen Vertreter der Taliban den Präsidentenpalast. | Bild: AP/Zabi Karimi

Fehleinschätzungen der deutschen Politik und Diplomatie

Markus Potzel, der eigentlich im Sommer 2021 zum zweiten Mal Botschafter in Kabul werden sollte, kam an diesem 15. August nicht ans Ziel, sondern wurde nach Doha geschickt, wo die Taliban-Führer ihr Hauptquartier hatten. Von dort aus beobachtete und begleitete Potzel die dramatische Phase der Machtübernahme in Afghanistan und die Evakuierungsmission am Flughafen von Kabul.

In großer Offenheit schildert er die fatalen Fehleinschätzungen der deutschen Politik und Diplomatie – und die entscheidenden Fehler des Doha-Abkommens, das unter US-Präsident Trump mit den Taliban geschlossen wurde und das zum katastrophalen Ende des 20-jährigen Afghanistan-Krieges führte.

Der Diplomat Markus Potzel
Der Diplomat Markus Potzel ist einer der besten deutschen Afghanistan-Kenner. Er hat von Doha aus den Fall von Kabul verfolgt und dort mit Taliban-Führern über die Rettung von Deutschen und Ortskräften verhandelt. | Bild: WDR/NDR

Die Story 'Der Fall von Kabul – Chronik eines Desasters' liefert auf der Basis von vertraulichen Dokumenten, unveröffentlichtem Filmmaterial der Bundeswehr und exklusiven Interviews mit Diplomaten, Soldaten und Politikern eine genaue Rekonstruktion der dramatischen Ereignisse im August 2021. Und er gibt Antworten auf Fragen, die bis heute aktuell sind: Was ist wann falsch gelaufen? Wo liegt das Versagen - und wer übernimmt die Verantwortung dafür?

Ein Film von Gabor Halasz, Christoph Heinzle, Volkmar Kabisch, Martin Kaul

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