Mo., 24.10.22 | 20:15 Uhr
Das Erste
Russland, Putin und wir Ostdeutsche
Putins Angriffskrieg hat das deutsch-russische Verhältnis fundamental verändert. Dies ist vor allem für die Menschen, die in der DDR aufgewachsen sind, ein besonderes Thema. Denn was für viele im Westen die USA waren, war für viele im Osten die Sowjetunion: "der große Bruder". Und jetzt? Der Überfall Russlands auf die Ukraine stellt alte Gewissheiten in Frage, wirbelt Überzeugungen durcheinander und zieht sich wie ein Riss durch Familien.
In "Russland, Putin und wir Ostdeutsche" unternimmt die ARD-Journalistin und Moderatorin Jessy Wellmer eine sehr persönliche Reise durch den Osten Deutschlands. 1979 geboren im mecklenburgischen Güstrow, hat der russische Angriffskrieg auch in ihrer Familie für intensive Diskussionen gesorgt, die letztlich der Auslöser für diesen Film waren. Wie ticken die Ostdeutschen in Sachen Russland? Warum gibt es hier häufig eine größere Nähe gegenüber Russland? Und was sagt das über Gräben aus, die in der deutschen Bevölkerung auch mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall immer noch existieren?
Mehrere Wochen ist Jessy Wellmer für "Putin, Russland und wir Ostdeutsche" unterwegs. Sie besucht ihre Eltern in Güstrow und Freunde der Familie, die alle ihren ganz eigenen Blick auf den Krieg und Russland haben. Etwa den ehemaligen Offizier der Nationalen Volksarmee (NVA) Reinhardt Bartz, der letztlich den USA die Schuld am Krieg gibt. Sie fährt nach Lubmin, wo die Pipelines Nord-Stream 1 und 2 anlanden und etwa der örtliche SPD-Chef Frank Tornow es am besten fände, wenn Nord-Stream 2 doch noch in Betrieb genommen würde.

Sie trifft den Ostbeauftragten der Bundesregierung Carsten Schneider sowie Linken-Urgestein Gregor Gysi, der mit sich und seiner Partei hadert, weil sie lange Russland positiv und gar als Friedensmacht gesehen hat und manche seiner Genossen dies bis heute tun. Sie besucht den Gitarristen der legendären DDR-Rockband Silly, Uwe Hassbecker, der bis zum Krieg Putin in Diskussionen mit Freunden und Bekannten verteidigte und jetzt angesichts des Krieges entsetzt und enttäuscht ist. Und die Journalistin Antonie Rietzschel, die als 1986 Geborene wiederum einen ganz anderen Blick auf Russland hat. Schließlich spricht Jessy Wellmer mit der Historikerin Silke Satjukow darüber, warum der Osten in Sachen Russland so anders tickt als der Westen.

Insgesamt liefert der Film von Jessy Wellmer und Falko Korth eine spannende Auseinandersetzung mit dem Russlandbild der Ostdeutschen, die medial bisher so noch nicht stattgefunden hat. Teil des Films ist auch eine eigens für die Dokumentation in Auftrag gegebene Infratest-dimap-Umfrage zum Russland-Bild in Ost- und Westdeutschland.
Ein Film von Jessy Wellmer und Falko Korth
Redaktion: Ben Bolz (NDR) und Ute Beutler (RBB)
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