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Geheimnisvolle Orte: Ramstein

Folge 7

Airbase Ramstein.
Airbase Ramstein | Bild: SWR / Anne Worst

Ramstein gibt es zweimal. Die größte US-Luftwaffenbasis außerhalb der USA – und das rheinland-pfälzische Städtchen Ramstein, das der benachbarten Air Base den Namen gab. Hier, wo man von den amerikanischen Aufträgen und Konsumenten abhängig ist, weiß keiner ganz genau, was die Militärs treiben. Ramstein steht auch für eine Katastrophe, die sich tief in das deutsche Gedächtnis eingegraben hat. Vor 30 Jahren, am 28. August 1988, kamen bei einer Flugschau in Ramstein 70 Menschen ums Leben, mehr als 1.000 wurden verletzt.

Eine amerikanische Kleinstadt

Heute ist die Air Base abgeschottet, ohne Begleitung und Passierschein kommt niemand rein, der hier nichts zu suchen hat. Es ist eine amerikanische Kleinstadt, in der täglich mehr als 22.000 Menschen unterwegs sind. Wer hier lebt, in den sogenannten "housings" oder Kasernen, muss die Base nicht verlassen. Hier gibt es eine riesige Shopping Mall, Supermärkte, Restaurants, ein 360-Bettenhotel, Sportplätze und zwei Kirchen. Sogar ein eigenes Flugterminal für Passagiere aus Amerika. Was in den militärischen Anlagen stattfindet, ist noch mehr von der Außenwelt abgeschirmt. Was passiert in den Hangars und Trainingscamps, wozu sind die Satellitenanlagen da, was lagert in den Bunkern? Das weiß kaum jemand.

Staff Sergeant Raniel Buonviaje arbeitet bei der 86th Aeromedical Evacuation Squadron, die dafür zuständig ist, Kranke und Verletzte aus Krisengebieten herauszufliegen. Diesen Einsatz über er und seine Kameraden jeden Tag. Dazu steht ihnen modernste Ausrüstung zur Verfügung. Das Highlight: eine lebensechte Puppe, die computergesteuert Tränen vergießt, über ihre Schmerzen spricht, mit den Augen zwinkert, einen Blutdruck und verschiedene Krankheiten simulieren kann. Eine Entwicklung für das Militär. Kostenpunkt: etwa 50.000 Dollar.
Staff Sergeant Raniel Buonviaje arbeitet bei der 86th Aeromedical Evacuation Squadron, die dafür zuständig ist, Kranke und Verletzte aus Krisengebieten herauszufliegen. Diesen Einsatz üben er und seine Kameraden jeden Tag.  | Bild: SWR / Anne Worst

Für den Film aus der Reihe "Geheimnisvolle Orte" erhielt Autorin Anne Worst Zutritt zum zivilen Teil der Air Base und zu ausgewählten militärischen Komplexen. Zum Beispiel der 86th Aeromedical Evacuation Squadron, die im Ernstfall Verletzte und Verwundete aus Krisengebieten evakuiert. Und sie konnte einen jungen Soldaten in seinem Alltag begleiten und mit einigen Veteranen sprechen, die bis heute Ramstein treu geblieben sind.

Air Base und Region sind miteinander verwoben

Der Film bietet auch Einblick in die Geschichte der Air Base und zeigt, wie sich die Region am Rande des Pfälzerwaldes durch und mit den Amerikanern verändert hat. Angefangen von der "Nacht der Millionen", als innerhalb von wenigen Stunden Aufträge von 400 Millionen DM an deutsche Unternehmer vergeben wurden, um Kasernen, Verwaltungsgebäude, Wohnsiedlungen, ja ganze Flugplätze zu bauen. Dann kamen die GIs mit ihren Dollars in den Taschen. Es wurden Freundschaften und Ehen geschlossen, der amerikanische Lebensstil hielt Einzug. Auf den Flugtagen präsentierten die Militärs ihre neueste Kriegstechnik, in den amerikanischen Clubs boten sie ihren deutschen Gästen Cocktails, Jazz und Burger.

Michael Geib hat das Ramstein Docu Center aufgebaut, sammelt alles, was mit der Air Base und den Amerikanern zu tun hat. In seinem Bestand hat er unzählige Fotos, aber auch viele Gegenstände, die Geschichte erzählen: etwa den Globus, der beim RAF-Anschlag beschädigt wurde, ein scharfkantiges Teil einer der Unglücksmaschinen vom Flugtagunglück 1988, aber auch ein gelbes Hilfspäckchen mit einer Tagesration, das die Amerikaner von Ramstein aus in Krisengebiete fliegen und zu hunderttausenden als humanitäre Hilfe für die Bevölkerung abwerfen.
Michael Geib hat das Ramstein Docu Center aufgebaut, sammelt alles, was mit der Air Base und den Amerikanern zu tun hat. In seinem Bestand hat er unzählige Fotos, aber auch viele Gegenstände, die Geschichte erzählen: etwa ein scharfkantiges Teil einer der Unglücksmaschinen vom Flugtagunglück 1988. | Bild: SWR / Anne Worst

Auch als die Stimmung im Zuge von Vietnamkrieg und Studentenbewegung umschlug, blieben die Ramsteiner "ihren" Amerikanern gewogen. Zu sehr waren und sind Air Base und Region miteinander verwoben, vor allem wirtschaftlich. Zu den Friedensdemos in den 1980er Jahren kamen kaum Ramsteiner, und auch den Bürgerinitiativen gegen Lärmbelästigung oder den Drohnenkrieg bleiben sie heutzutage weitgehend fern – manche vielleicht aus Angst, ihren Job im Dienste der Amerikaner zu riskieren. Während in den Jahren seit dem Ende des Kalten Krieges immer mehr amerikanische Einrichtungen in Rheinland-Pfalz geschlossen worden sind, wird die Air Base Ramstein mit jedem Jahr größer.

Dem Film gelingt ein überraschender Blick hinter die Kulissen der Air Base Ramstein, der seit der Terrorattacke vom 11. September 2001 kaum noch möglich schien. Dabei konnte die Autorin auf bisher unveröffentlichtes Archivmaterial und Fotos aus dem Bestand der US Airforce zurückgreifen. Einige der Zeitzeugen sind zum ersten Mal bereit, vor eine Kamera zu treten und ihre traumatischen Erlebnisse zu schildern, die sie seit der Flugtagkatastrophe vom 28. August 1988 nicht mehr losgelassen haben.

Ein Film von Anne Worst

Sendetermin

Di., 14.08.18 | 03:35 Uhr
Das Erste

Produktion

Südwestrundfunk
für
DasErste