Faktencheck zu "maischberger"
Sendung vom 20.09.2022
Faktencheck

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.
Und das schauen wir uns an:
- Ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann Teil der Rüstungslobby?
Ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann Teil der Rüstungslobby?
AfD-Chefin Alice Weidel kritisierte in unserer Sendung die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann für ihre Forderung, weitere Waffen in die Ukraine zu liefern. Strack-Zimmermann, so argumentierte Weidel, unterliege in dieser Frage einem Interessenkonflikt, da sie neben ihrer Tätigkeit als Bundestagsabgeordnete für die Rüstungsindustrie lobbyiere.
Weidel: "Sie (gemeint ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Anm. d. Red.) wollen dieses Land ausliefern. Und Sie schaden diesem Land mit Ihrer Politik. Und dass Sie natürlich daran ein Interesse haben, das ist mir auch völlig klar. Weil Sie eine Lobbyistin der Rüstungsindustrie sind. Sie können überhaupt gar nicht sagen, ach, wir gehen jetzt mal in Friedensverhandlungen. Nein, Sie wollen nämlich die Rüstung ausweiten. Und ich halte das für einen völlig falschen Weg, verstehe natürlich auch Ihre Interessenlage. Aber Sie betonen nicht einmal, dass Sie einem Interessenkonflikt unterliegen. Und das halte ich für fatal."
Stimmt das? Ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann Teil der Rüstungslobby?
Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist Mitglied in den Präsidien des Förderkreises Deutsches Heer e.V. (FKH) sowie der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik e.V. (DWT). Beide zählen neben der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V. (GSP) zu den wichtigsten Lobby-Verbänden der deutschen Rüstungsindustrie. Strack-Zimmermanns Tätigkeit ist in beiden Fällen ehrenamtlich, sie erhält demzufolge keine finanziellen Zuwendungen von den genannten Vereinen.
Dennoch kritisiert der Verein Lobbycontrol das Engagement der FDP-Politikerin. Dieses sei schlecht vereinbar mit ihrer Funktion als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Beide Vereine seien "von der Rüstungsindustrie stark beeinflusste Organisationen, wo wir es kritisch sehen, wenn Abgeordnete des Bundestages dort leitende Funktionen übernehmen – auch wenn es ehrenamtlich geschieht", sagte Lobbycontrol-Sprecher Timo Lange Anfang Mai der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). Die Rüstungsindustrie würde so über "sehr enge und privilegierte Zugänge ins Parlament verfügen". Dass Strack-Zimmermann in den Präsidien beider Vereine sitzt, bewertet Lobbycontrol besonders kritisch. "Damit steht und spricht sie auch für die Organisation. Mehr Abstand wäre für eine Ausschussvorsitzende wünschenswert."
Der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte, stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses und selbst FKH-Vizepräsident, sagte der NOZ: "Im Förderkreis Deutsches Heer sind alle Parteien vertreten mit Ausnahme der Linken und der AfD. Aus meiner Sicht gehört der Kreis, in dem sich Politik, Soldaten und Rüstungsindustrie austauschen, zum notwendigen Rahmenprogramm eines Verteidigungspolitikers. Es finden dort Information und Austausch über die Ausrüstung der Bundeswehr statt. Waffengeschäfte werden dort nicht vorbereitet. Das ist eine abstruse Vorstellung."
Die Antikorruptionsorganisation Transparency International warnte in den vergangenen Jahren immer wieder vor einer möglichen Einflussnahme der Rüstungsindustrie auf politische Entscheidungsprozesse. So stand in einer entsprechenden Transparency-Studie aus dem Jahr 2020 auch der oben zitierte Henning Otte im Fokus der Kritik, nachdem er von 2013 bis 2016 regelmäßig zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik eine Veranstaltung für Vertreter der Bundeswehr, der Rüstungsindustrie und der Politik in seinem Wahlkreis in Celle ausgerichtet hatte. Laut der Studie könne die Rüstungsindustrie "erheblichen Einfluss" auf die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik ausüben. Transparency-Verteidigungsexperte Peter Conze forderte damals, bei aller Berechtigung von Geheimhaltung müsse es im Rüstungsbereich größtmögliche Transparenz geben, um eine unlautere Beeinflussung von politischen Entscheidungsträgern zu verhindern.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann äußerte sich im Mai selbst zu der Kritik an ihren Vereinstätigkeiten. In einem Podcast von Kölner Stadt-Anzeiger und RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) sagte sie: "Es fasst mich an, wenn man mir unterstellt, dass ich nicht integer bin." Darüber hinaus erklärte sie: "Die Mitgliedschaften laufen ein paar Jahre. Und dann kann man immer justieren und sagen, ist das so ergiebig, dass man dabei bleibt? Die Entscheidung behalte ich mir vor."
Fazit: AfD-Chefin Alice Weidel behauptete in unserer Sendung, die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann unterliege bei ihrer Forderung nach weiteren Waffenlieferungen einem Interessenkonflikt, da sie neben ihrer Tätigkeit als Bundestagsabgeordnete für die Rüstungsindustrie lobbyiere. Tatsächlich ist Strack-Zimmermann Mitglied in den Präsidien zweier bedeutender Lobby-Verbände der deutschen Rüstungsindustrie. Ihr Engagement ist in beiden Fällen ehrenamtlich, sie erhält demzufolge keine finanziellen Zuwendungen. Der Verein Lobbycontrol kritisiert die Tätigkeiten der FDP-Politikerin und fordert eine deutlichere Abgrenzung. Die Antikorruptionsorganisation Transparency International warnt grundsätzlich vor einer Einflussnahme der Rüstungsindustrie auf politische Entscheidungsprozesse. Währenddessen betonen Vertreter der Politik die Wichtigkeit eines engen Austausches zwischen der Industrie und den parlamentarischen Entscheidungsträgern. Angesichts dieser gegensätzlichen Positionen stellt sich das Zusammenwirken von Politik und Rüstungsindustrie als sensibler und häufig kritisierter Balanceakt dar. Strack-Zimmermann selbst besteht auf ihrer Integrität und behält sich vor, die Entscheidung über ihre Mitgliedschaften regelmäßig zu überprüfen.
Stand: 21.09.2022
Autor: Tim Berressem