Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 08.02.2023

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Sahra Wagenknecht, Gerhart Baum
Die Gäste (v.l.n.r.): Sahra Wagenknecht, Gerhart Baum | Bild: WDR

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Standen die Ukraine und Russland im Frühjahr 2022 kurz vor einem Friedensschluss?
  • Was sagte Naftali Bennett über die Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland?
  • Was ist die RAND Corporation und wie steht sie zu Bidens Ukraine-Politik?

Standen die Ukraine und Russland im Frühjahr 2022 kurz vor einem Friedensschluss?

Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht sprach sich in unserer Sendung für Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland aus. In diesem Zusammenhang verwies sie auf einen Artikel der US-amerikanischen Zeitschrift "Foreign Affairs", der zeige, dass beide Seiten schon kurz nach Kriegsbeginn vor einer Einigung gestanden hätten. Was genau in dem Aufsatz steht, schauen wir uns hier noch einmal näher an.

Verhandlungen zwischen Russland und Ukraine: Was steht im Aufsatz der "Foreign Affairs"? | Video verfügbar bis 09.02.2024

Wagenknecht: "Es gab im Frühjahr einen relativ ausgehandelten Friedensschluss. Da hat 'Foreign Affairs', die amerikanische Zeitschrift, darüber berichtet. Diese Friedensinitiative im Frühjahr war: Die Russen waren bereit, sich zurückzuziehen hinter die Linien des 24. Februar, also hinter den Anfang, und dafür hätte die Ukraine darauf verzichtet, NATO-Mitglied zu werden. Das war damals so gut wie ausgehandelt."

(…)

Maischberger: "Was Sie erwähnen, darüber gibt es so viele Berichte und so viele unterschiedliche Interpretationen, gerne listen wir das mal in einem Faktencheck auf. Aber es gab noch keine Vereinbarung, das muss man festhalten. Und es [sind] danach bekannt geworden die Massaker in Butscha. Für die ukrainische Seite möglicherweise ein Grund, weshalb dann auf der Linie damals im März 2022 nicht weitergegangen [wurde]."

Stimmt das? Standen die Ukraine und Russland im Frühjahr 2022 kurz vor einem Friedensschluss?

Sahra Wagenknecht bezog sich auf den Aufsatz "The World Putin Wants", der 2022 in der September/Oktober-Ausgabe der Zeitschrift "Foreign Affairs" erschien. Geschrieben wurde er von den US-amerikanischen Außen- und Sicherheitsexpertinnen Fiona Hill und Angela Stent. Auf insgesamt vierzehn Seiten analysieren sie Putins Kriegsziele sowie den bisherigen Kriegsverlauf. In einem Abschnitt geht es dabei auch um Verhandlungen, zu denen Vertreter beider Kriegsparteien Ende März 2022 in Istanbul zusammengekommen waren. Wörtlich heißt es in dem Artikel:

"Nach Angaben mehrerer ranghoher ehemaliger amerikanischer Regierungsvertreter, mit denen wir gesprochen haben, scheinen sich russische und ukrainische Unterhändler im April 2022 vorläufig auf Umrisse eines ausgehandelten Übergangsabkommen (engl. interim settlement, Anm. d. Red.) verständigt zu haben: Russland würde sich auf die Position vom 23. Februar zurückziehen, als es Teile des Donbass und die gesamte Krim kontrollierte. Und im Gegenzug würde die Ukraine versprechen, keine NATO-Mitgliedschaft anzustreben und stattdessen Sicherheitsgarantien von mehreren Ländern erhalten."

Gegner der westlichen Waffenlieferungen gebrauchten den Aufsatz zuletzt vermehrt als Argument dafür, dass Russland sich zu Beginn des Krieges durchaus kompromissbereit gezeigt habe und es dann vielmehr die westlichen Verbündeten waren, die eine Einigung verhindert hätten. So rekurrierte Sahra Wagenknecht bereits Anfang 2023 in einem "Spiegel"-Interview auf den Aufsatz. Offenbar, so Wagenknecht damals, habe es schon "einen ausgehandelten Vertrag" bei den Verhandlungen gegeben. "Dann aber war das russische Militär schwächer als erwartet und der Westen nicht mehr bereit, diesem Kompromiss zuzustimmen." Der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson sei nach Kiew gereist, habe großzügige Waffenlieferungen zugesagt und deutlich gemacht, dass "man zu diesem Zeitpunkt kein Friedensabkommen wünscht". Die Autorinnen des "Foreign Affairs"-Aufsatzes betonen hingegen, dass sie lediglich Belege für eine vorläufige Einigung auf Bedingungen für ein Abkommen hätten. Noch bevor ein Friedensvertrag weiter ausgehandelt werden konnte, habe sich das Kriegsgeschehen jedoch gravierend verändert. Russische Gräueltaten, wie etwa die Massaker von Butscha, hätten es für Kiew unmöglich gemacht, den Weg fortzusetzen, so erklärten Hill und Stent kürzlich gegenüber der FAZ. Demnach habe Putin selbst gesagt, dass sich die Realitäten auf dem Boden verändert haben. "Und nun hat er es unmöglich gemacht, zurückzukehren zu den Grenzen vom 23. Februar", weil er weitere Gebiete annektiert habe. 

Dass Boris Johnson während seiner Kiew-Reise im April 2022 den Abbruch der Verhandlungen gefordert habe, wurde sowohl von ukrainischer als auch britischer Seite dementiert. Auch Hill und Stent lehnen diese Erzählung ab, ebenso wie das Gerücht, der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin habe sich gegen eine Einigung zwischen der Ukraine und Russland gestellt.

Fazit: Sahra Wagenknecht verwies in der Sendung auf einen Artikel der US-amerikanischen Zeitschrift "Foreign Affairs", der zeige, dass die Ukraine und Russland schon kurz nach Kriegsbeginn vor einer Friedensvereinbarung gestanden hätten. In dem Artikel analysieren die beiden Autorinnen Fiona Hill und Angela Stent vor allem Putins Kriegsmotive sowie den bisherigen Kriegsverlauf. In einer Passage beschreiben sie auch die Verhandlungen zwischen den beiden Parteien, die Ende März 2022 in Istanbul begannen und wenig später wieder eingestellt wurden. Der Artikel beruft sich auf amerikanische Regierungsvertreter und beschreibt, dass sich beide Seiten "vorläufig auf Umrisse eines ausgehandelten Übergangsabkommens verständigt" hätten. Dieses habe vorgesehen, dass sich Russland auf die Vorkriegsgrenzen zurückzieht, wenn die Ukraine im Gegenzug verspricht, keine NATO-Mitgliedschaft anzustreben. Stattdessen hätte die Ukraine Sicherheitsgarantien mehrerer Länder erhalten sollen. Von einem vollständig ausgehandelten Friedensvertrag sei man allerdings noch weit entfernt gewesen, wie die Autorinnen betonen. Russische Gräueltaten, wie etwa die Massaker von Butscha, hätten es für Kiew schließlich unmöglich gemacht, den Verhandlungsweg fortzusetzen.

Was sagte Naftali Bennett über die Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland?

Sahra Wagenknecht bezog sich in der Debatte über Friedensverhandlungen auch auf ein aktuelles Interview des früheren israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett. Demnach sei die russische Seite im Frühjahr 2022 zu erheblichen Zugeständnissen bereit gewesen, erklärte Wagenknecht. Die weiteren Verhandlungen seien laut Bennett jedoch vor allem von Großbritannien und den USA blockiert worden. 

Westen ohne einheitliche Linie: Was sagte Naftali Bennett über Friedensverhandlungen? | Video verfügbar bis 09.02.2024

Wagenknecht: "Das ist ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Für den gibt es keine Rechtfertigung. Ich habe nicht gesagt, dass dieser Krieg gerechtfertigt ist. Ich lehne Kriege grundsätzlich ab. Ich finde, dass ein Staat nie das Recht hat, seine Interessen militärisch durchzusetzen. Aber jetzt tobt dieser Krieg, und jetzt müssen wir, denke ich, und da ist der Westen in der Pflicht, auch alles dafür tun, ihn zu beenden. Und es gibt ja genügend Anhaltspunkte. Zum Beispiel hat der ehemalige israelische Ministerpräsident Bennett vor kurzem ein Interview gegeben, hat darauf hingewiesen, dass der Krieg im Frühjahr hätte zu Ende sein können, dass es Verhandlungen gegeben hat. Weil immer gesagt wird, Putin verhandelt nicht. Dass sogar die russische Seite zu erheblichen Zugeständnissen bereit war. Und dass es der Westen, sprich: vor allem die USA und Großbritannien waren, die damals den Friedensschluss, der in greifbarer Nähe war, blockiert haben. Das sagt der ehemalige israelische Ministerpräsident."

Stimmt das? Was sagte Naftali Bennett über die Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland?

Am 4. Februar 2023 veröffentlichte der frühere israelische Ministerpräsident Naftali Bennett auf seinem eigenen YouTube-Kanal ein fast fünfstündiges Videointerview mit dem Journalisten Hanoch Daum. Darin spricht er u.a. über sein Bemühen um Friedensverhandlungen in den ersten Wochen nach Kriegsbeginn im Februar 2022. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe ihn nach Ausbruch des Krieges gebeten, Wladimir Putin zu kontaktieren. So stehe es auch in den Protokollen. In der Folge habe Bennett mehrfach sowohl mit dem russischen Präsidenten als auch mit Selenskyj telefoniert. Ihm sei Vertrauen von beiden Seiten entgegengebracht worden. Entwürfe für zentrale Punkte eines Waffenstillstands wurden ausgetauscht. Zeitgleich verhandelten ukrainische und russische Delegationen im belarussischen Gomel.

Am 5. März 2022 flog Bennett nach Moskau, um mit Putin persönlich über ein Ende des Krieges zu sprechen. Der Kreml-Chef habe dabei, so Bennett, zwei substanzielle Zugeständnisse gemacht. Erstens verzichtete er auf eine Demilitarisierung der Ukraine, zweitens auf die von ihm sogenannte Denazifizierung des Landes. Konkret hätte das bedeutet, dass Selenskyjs Regierung von Russland toleriert worden wäre. Putin habe Bennett explizit zugesichert, den ukrainischen Präsidenten nicht töten zu wollen. Selenskyj habe sich im Gegenzug bereit erklärt, auf einen NATO-Beitritt zu verzichten. "Ich hatte damals den Eindruck, dass beide Seiten großes Interesse an einem Waffenstillstand hatten", so Bennett im Interview.

In den folgenden Tagen habe Bennett mit den Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens sowie der USA über das weitere Vorgehen beraten. Dabei hätten die westlichen Verbündeten keine einheitliche Linie vertreten. "Man kann sie in diejenigen einteilen, die die Linie vertreten: 'Wir müssen Putin zurückschlagen.'" Andere hätten gesagt: "Hört auf, im Krieg sind wir alle Verlierer." Der britische Premier Boris Johnson habe damals die Position vertreten, dass man "Putin weiter bekämpfen müsse", wogegen Scholz und Macron eher pragmatisch eingestellt gewesen seien. In der US-Regierung seien beide Positionen vertreten gewesen. Auf die Frage, ob die westlichen Verbündeten die Initiative letztlich blockiert hätten, antwortet Bennett im Interview: "Im Grunde genommen, ja. Sie haben es blockiert, und ich dachte, sie hätten Unrecht. Aber jetzt sage ich, dass es zu früh ist, um Schlüsse zu ziehen." Die von Bennett beschriebenen, gescheiterten Verhandlungsansätze lagen zeitlich noch vor den Istanbuler Verhandlungen Ende März 2022. Die Gespräche waren damals also nicht vollständig abgerissen. Bennett betont aber, dass die Friedensverhandlungen jegliche Bedeutung verloren, als die russischen Gräueltaten von Butscha bekannt wurden.

Da Bennett in dem Interview über Abläufe in den innersten Kreisen der Verhandlungsparteien spricht, sind seine Schilderungen derzeit nicht durch weitere Quellen verifizierbar. 

Fazit: Sahra Wagenknecht bezog sich in der Debatte über Friedensverhandlungen auf ein aktuelles Interview des früheren israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett, wonach die russische Seite im Frühjahr 2022 zu erheblichen Zugeständnissen bereit gewesen sei. Tatsächlich äußerte sich Bennett kürzlich zu den von ihm maßgeblich vorangetriebenen Friedensgesprächen zwischen Putin und Selenskyj in den ersten Wochen nach Kriegsbeginn. Der Kreml-Chef sei bereit gewesen, die Demilitarisierung der Ukraine sowie die Absetzung der amtierenden Regierung als Kriegsziele aufzugeben. Im Gegenzug, so Bennett, wäre Selenskyj bereit gewesen, auf eine NATO-Mitgliedschaft zu verzichten. Die westlichen Verbündeten hätten laut Bennett jedoch keine einheitliche Linie vertreten. Vor allem der damalige Premierminister Großbritanniens Boris Johnson habe sich dafür ausgesprochen, Putin weiter zurückzuschlagen. Die Position der USA sei nicht eindeutig gewesen. Bennett kommt in dem Interview zu dem Schluss, dass seine Friedensinitiative durch die westlichen Staaten blockiert wurde. Doch erst nach den Massakern von Butscha seien die Gespräche vollständig abgerissen. Inwieweit seine Schilderungen aus den Verhandlungen zutreffen, kann derzeit mangels öffentlicher Quellen nicht näher überprüft werden. 

Was ist die RAND Corporation und wie steht sie zu Bidens Ukraine-Politik?

Sahra Wagenknecht zog in ihrer Argumentation gegen weitere Waffenlieferungen des Westens einen entsprechenden Appell der sogenannten RAND Corporation heran. Diese dem Pentagon nahestehende Organisation fordere eine Kursänderung des US-Präsidenten in der Ukraine-Politik, so Wagenknecht. Was es mit der RAND Corporation auf sich hat und wie ihre aktuellen Forderungen lauten, schauen wir uns hier genauer an.

Streit um Waffenlieferungen: Fordert die RAND Corporation eine Kursumkehr von US-Präsident Biden? | Video verfügbar bis 09.02.2024

Wagenknecht: "Also selbst die RAND Corporation, die ja nun am Pentagon relativ nah dran ist, bestimmt nicht aus Traumtänzern und auch nicht aus Pazifisten besteht, die RAND Corporation hat jetzt die Biden-Administration aufgefordert, endlich davon abzurücken, auf einen langen Abnutzungskrieg zu setzen mit immer mehr Waffenlieferungen, hat gesagt, es muss jetzt auf Verhandlungen gesetzt werden. Ich meine, wenn selbst die RAND Corporation sagt, wir müssen jetzt verhandeln, weil die Eskalationsgefahren so groß sind –"

Baum: "Frau Wagenknecht, wir sind nicht die RAND Corporation, wir diskutieren jetzt untereinander, nicht?"

Wagenknecht: "Nein, ich bin auch sonst eigentlich kein Fan der RAND Corporation, aber Sie können doch nicht so tun, als seien das völlig absurde Argumente."

Stimmt das? Was ist die RAND Corporation und wie steht sie zu Bidens Ukraine-Politik?

Die RAND Corporation ist ein US-amerikanischer Think Thank, der nach Ende des Zweiten Weltkriegs gegründet wurde, um die Streitkräfte der Vereinigten Staaten zu beraten. Das Akronym RAND steht für research and development, also Forschung und Entwicklung. Eigenen Angaben nach stammten im Jahr 2020 55 Prozent der RAND-Einnahmen aus dem Budget des US-Verteidigungsministeriums bzw. den Streitkräften der USA. Weitere staatliche Stellen trugen etwa 27 Prozent zu den Einnahmen bei. 

In einer aktuellen Studie zur Lage in der Ukraine kritisiert die Denkfabrik, dass sich die politische Debatte in Washington "zu eng auf eine Dimension des Kriegsverlaufs konzentriert". Die Interessen der Ukraine seien andere als die der USA. Während "die territoriale Kontrolle für die Ukraine immens wichtig" sei, "ist sie für die Vereinigten Staaten nicht die wichtigste Dimension für die Zukunft des Krieges". Die Autoren Samuel Charap und Miranda Priebe kommen zu dem Schluss, "dass neben der Abwendung einer möglichen Eskalation hin zu einem Russland-NATO-Krieg oder einem russischen Nukleareinsatz auch die Vermeidung eines langen Krieges eine höhere Priorität für die Vereinigten Staaten haben" als die Rückgewinnung der territorialen Kontrolle durch die Ukraine. Im Ergebnis sieht die Analyse zunächst einen Waffenstillstand und schließlich ein Abkommen zwischen den Kriegsparteien als die für die US-Interessen vorteilhafteste Lösung. Nachdem ein "absoluter Sieg" einer der Parteien sehr unwahrscheinlich sei, sollten die aktuellen Frontlinien eingefroren werden.

RAND ist der Auffassung, dass eine realistische Frontlinie jene vom Dezember 2022 sei, bei der Russland also über etwa 20 Prozent des ukrainischen Territoriums bestimmen würde. Eine Rückkehr zu den Grenzen von vor dem russischen Angriff am 24. Februar hält RAND für nicht erstrebenswert, weil die Ukraine dann immer noch Gebiete verliert, jedoch keine Stabilität gewinnen würde. Die Grenze, die nach einem Waffenstillstand gezogen würde, würde "eine stark militarisierte Grenze" nach dem Vorbild "der innerdeutschen Grenze während des Kalten Krieges sein". Nach dem Waffenstillstand sollten Verhandlungen aufgenommen werden, die darauf hinauslaufen könnten, dass die Ukraine neutral wird, aber "starke Sicherheitsgarantien" vom Westen erhält.

Mit der aktuellen Geschwindigkeit, mit der die ukrainische Armee Rückeroberungen bewerkstellige, könnte es "Monate, wenn nicht sogar Jahre" dauern, bis die territoriale Integrität wieder hergestellt sei. Vor diesem Hintergrund fordern die Autoren die US-Regierung auf, neben dem militärischen Weg auch diplomatische Wege zu beschreiten. Präsident Joe Biden habe gesagt, dass dieser Krieg am Verhandlungstisch enden werde, erinnern die Autoren: "Aber die Regierung hat noch keine Schritte unternommen, um die Parteien zu Gesprächen zu drängen." Von einer dramatischen Kursänderung über Nacht raten die Autoren zwar ab, aber der Beginn der Debatte könne den Krieg am Ende verkürzen, was im US-Interesse sei.  Die Alternative sei "ein langer Krieg, der die Vereinigten Staaten, die Ukraine und den Rest der Welt vor große Herausforderungen stellt".

Fazit: Sahra Wagenknecht zog in ihrer Argumentation gegen weitere Waffenlieferungen des Westens einen entsprechenden Appell der sogenannten RAND Corporation heran. Diese dem Pentagon nahestehende Organisation fordere eine Kursänderung des US-Präsidenten in der Ukraine-Politik, so Wagenknecht. Tatsächlich veröffentlichte die Denkfabrik, die sich zu großen Teilen aus Staatsgeldern finanziert, kürzlich eine Studie zur Lage in der Ukraine. Darin betonen die Autoren, dass die Rückgewinnung territorialer Kontrolle der Ukraine aus amerikanischer Perspektive nicht das wichtigste Kriegsziel sein könne. Eine Rückkehr zu den Grenzen von vor dem russischen Angriff am 24. Februar 2022 hält RAND für nicht erstrebenswert. Vielmehr solle der Konflikt schnellstmöglich eingefroren werden. Nach dem Waffenstillstand sollten Verhandlungen aufgenommen werden, die darauf hinauslaufen könnten, dass die Ukraine neutral wird, aber "starke Sicherheitsgarantien" vom Westen erhält. Von einer dramatischen Kursänderung über Nacht raten die Autoren ab, aber der Beginn der Debatte könne den Krieg am Ende verkürzen, was im US-Interesse sei.

Stand: 09.02.2023

Autor: Tim Berressem