Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 10.05.2023

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Christian Dürr, Dietmar Bartsch, Yasmine M’Barek, Ulrich Wickert, Robin Alexander
Die Gäste (v.l.n.r.): Christian Dürr, Dietmar Bartsch, Yasmine M’Barek, Ulrich Wickert, Robin Alexander | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Was folgt aus dem Migrationsgipfel?

Was folgt aus dem Migrationsgipfel?

Der stellvertretende Welt-Chefredakteur Robin Alexander kommentierte in der Sendung die Ergebnisse des Migrationsgipfels zwischen Bund und Ländern. Der Grundkonflikt in der Frage, wie man die Unterbringung geflüchteter Menschen finanziert, sei nicht abschließend gelöst worden, so Alexander. Es sei jedoch festzustellen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser Frage offenbar einen anderen Kurs verfolgt als seine Vorgängerin Angela Merkel.

1 Milliarde für Länder und Kommunen: Wie geht es weiter nach dem Migrationsgipfel? | Video verfügbar bis 10.05.2024

Alexander: "Die Grundfrage [des Migrationsgipfels] war, steigt der Bund strukturell in die Flüchtlingsfinanzierung tiefer ein? Und da gibt es kein Ja oder Nein, sondern Sie haben den Text, ich habe den mal mitgebracht, da steht drin, 'aus unserer Sicht' und 'aus unserer Sicht', und jetzt beraten [sie] weiter. Das ist keine Schande, in einer Demokratie kann man ruhig weiterberaten. Nur die Lösung für den Konflikt ist einfach nicht da."

(…)

Maischberger: "Herr Alexander, eine Milliarde zusätzliches Geld für die Kommunen in diesem Jahr – Sie sagen, es gibt kein Ergebnis. Das ist doch eins, oder?"

Alexander: "Ja, aber der Streitpunkt war: Wird die Milliarde verstetigt? Also, wenn ich das kurz erklären darf. Eigentlich ist es so, für Flüchtlinge sind die Kommunen da. Steht so im Grundgesetz. Und davon ist man [abgewichen] 2014, weil so viele gekommen sind. Und immer wenn sich der Bund und die Länder getroffen haben, ist der Bund etwas stärker eingestiegen. Und Olaf Scholz hat jetzt gesagt, ich steige nicht noch mal ein. Und das hat er nicht gesagt, weil er so ein böser Mensch wäre oder etwas gegen Flüchtlinge hätte, sondern weil er kein Geld mehr hat. Das Geld ist weg. Frau Merkel hatte immer sprudelnde Steuereinnahmen, bei Corona hatten wir Verschuldung, dann hatten wir einen Doppel-Wumms. Und Scholz versucht jetzt, wieder einen Haushalt hinzukriegen, der eben nicht gemogelt ist, sondern der Schuldengrenze entspricht. Das heißt, Herr Scholz muss 20 Milliarden einsparen, in seiner eigenen Truppe. Und deshalb hat er den Ländern nur einmal eine Milliarde gegeben, statt – wie die Länder wollten – immer wieder eine Milliarde. Und diese Durchbrechung des Finanzierungsmechanismus, das ist die eigentliche politische Nachricht des Tages."

Stimmt das? Was folgt aus dem Migrationsgipfel?

Bund und Länder einigten sich beim Migrationsgipfel am gestrigen Mittwoch (10.5.2023) darauf, dass der Bund den Ländern in diesem Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich für die Versorgung von Flüchtlingen bereitstellt. Ursprünglich hatte der Bund für dieses Jahr 2,75 Milliarden Euro zugesagt. Mit dem zusätzlichen Milliardenbetrag sollen die Kommunen weiter entlastet und die Digitalisierung der Ausländerbehörden finanziert werden. Die Entscheidung über eine grundsätzliche Änderung bei der Verteilung der Flüchtlingskosten wurde jedoch vertagt. Die Länder fordern ein sogenanntes "atmendes System". Das bedeutet, dass die finanzielle Beteiligung des Bundes an den Kosten nicht pauschal abgegolten wird, sondern sich nach der Zahl der Migranten richtet. Der Bund stimmte dieser Forderung vorerst nicht zu. Eine entsprechende Arbeitsgruppe wird sich nun weiter mit der Frage befassen. Beim nächsten Treffen am 23. Juni 2023 soll ein erster Zwischenstand präsentiert werden, ein Beschluss könnte am 23. November 2023 stehen.

Nach den Worten des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) ist der jetzige Beschluss für die Kommunen noch nicht ausreichend. Die Erhöhung der Flüchtlingspauschale um eine Milliarde Euro sei zwar hilfreich, für die Kommunen sei es aber nicht ausreichend, weil es nur eine Einmalzahlung sei. Auch für Niedersachsens Ministerpräsidenten Stephan Weil sind weitere Finanzierungsfragen noch zu klären: "Die Diskussion ist eben nicht zu Ende, sondern sie wird sehr vertieft fortgesetzt werden", sagte der SPD-Politiker.

Obwohl Asylverfahren durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durchgeführt werden, sind die Bundesländer zuständig für die Unterbringung und die Existenzsicherung von Asylbewerbern. Wie Robin Alexander in der Sendung richtig sagte, ist auch die Finanzierung dieser Aufgabe laut Grundgesetz eine Ländersache (vgl. Artikel 104a GG, sowie Paragraph 44 Asylgesetz). Doch angesichts rasant steigender Asylbewerberzahlen seit Mitte 2014 vereinbarten die damalige Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Länder in mehreren Verhandlungsrunden entsprechende Entlastungsmaßnahmen. So verständigte man sich am 11. Dezember 2014 auf eine pauschale Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern in Höhe von 500 Millionen Euro. Am 18. Juni 2015 beschloss man eine Verdopplung dieser Pauschale für das Jahr 2015 auf 1 Milliarde Euro. 

Drei Monate später, am 24. September 2015, beschlossen Bund und Länder ein Gesamtkonzept, das die pauschale Unterstützung für das Jahr 2015 noch einmal auf 2 Milliarden Euro verdoppelte. Zudem wurde zum 1. Januar 2016 eine Pro-Kopf-Pauschale eingeführt. Für den Zeitraum von der Registrierung eines Asylbewerbers bis zur Erteilung eines Bescheides durch das BAMF zahlte der Bund fortan 670 Euro monatlich. Dieses Konzept wurde im Dezember 2016 ergänzt durch das sogenannte "Gesetz zur Beteiligung des Bundes an den Kosten der Integration und zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen". Dieses sah vor, dass der Bund die Kosten für Unterkunft und Heizung für anerkannte Asyl- und Schutzberechtigte vollständig übernimmt. Zudem wurde eine jährliche Integrationspauschale in Höhe von 2 Milliarden Euro festgelegt. Alle drei Maßnahmen – Pro-Kopf-Pauschale, Integrationspauschale sowie die Übernahme der Wohnkosten – waren zunächst auf zwei Jahre befristet, wurden aber unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mehrfach verlängert, bis einschließlich 2021. Zwischen 2016 und 2021 wendete der Bund durchschnittlich 6 Milliarden Euro pro Jahr für die "flüchtlingsbezogene Entlastung der Länder und Kommunen" auf, wie es in den Statistiken des Bundesfinanzministeriums heißt. Im ersten Jahr der Ampel-Koalition, das wesentlich durch den Krieg in der Ukraine geprägt war, betrug die Unterstützung rund 4,5 Milliarden Euro. Für das Jahr 2023 hatte der Bund zunächst 2,75 Milliarden Euro zugesagt, die nun also auf 3,75 Milliarden Euro erhöht werden sollen. 

Dass sich die Bundesregierung bis November 2023 zu weiteren Milliardenhilfen durchringen werde, sei laut dem FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr nicht zu erwarten. "Wir sind doch nicht auf einem Basar, auf dem um immer mehr Geld gefeilscht wird", betonte er nach dem Migrationsgipfel. Sein Parteichef, Bundesfinanzminister Christian Lindner, hatte erst im April 2023 ein umfangreiches Sparpaket mit einem mög­lichen Volumen von bis zu 20 Milliarden Euro angekündigt. Mit den Kürzungen wolle er die Finanzierungslücken im Haushalt für 2024 schließen, heißt es aus dem Finanzministerium. Um die Einsparziele zu er­reichen, könne auch in gesetzlich festgelegte staatliche Leistungen wie Subventionen oder Sozialausgaben eingegriffen werden.

Ob die Länderchefs ihre Forderung nach weiteren Entlastungen am Ende trotzdem durchsetzen können, bleibt also abzuwarten. 

Fazit: Der stellvertretende Welt-Chefredakteur Robin Alexander erklärte in der Sendung, der Konflikt zwischen Bund und Ländern in der Frage, wie man die Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen finanziert, sei auf dem Migrationsgipfel nicht abschließend gelöst worden. Bundeskanzler Olaf Scholz verfolge in dieser Frage aber offensichtlich einen anderen Kurs als seine Vorgängerin Angela Merkel. Das stimmt. Die Ampel-Regierung bewilligte auf dem Gipfel eine Erhöhung der Hilfszahlungen für Länder und Kommunen um eine Milliarde Euro. Ein von den Ländern gefordertes flexibleres Modell, das sich an der konkreten Zahl nach Deutschland gekommener Asylbewerber orientiert, lehnte der Bund aber bislang ab. Unter Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen wurde 2016 eine Pro-Kopf-Pauschale in Höhe von 670 Euro eingeführt. Im Jahr 2021 lief die Regelung allerdings aus. Vor allem die FDP spricht sich jetzt gegen weitere Milliardenhilfen aus. Erst kürzlich hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner ein umfangreiches Sparpaket angekündigt, das auch in die Sozialausgaben eingreifen könnte. Ende Juni 2023 wollen Bund und Länder erneut zusammenkommen, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

Stand: 11.05.2023

Autor: Tim Berressem