Mi., 29.07.20 | 21:45 Uhr
Das Erste
Wie sich Unternehmen aus dem Corona-Tal kämpfen
Dem einen Unternehmen sind 20 Prozent des Umsatzes weggebrochen, dem anderen 80 Prozent. Corona trifft die Wirtschaft unterschiedlich. Eine Ergotherapie-Praxis, ein mittelständisches Familienunternehmen und eine Aktengesellschaft: "Plusminus" vom hr begleitet seit März drei ganz unterschiedlich große Unternehmen durch die Corona-Krise.
Wie ein Therapiezentrum in der Corona-Krise kämpft

Ende März dieses Jahres waren wir zum ersten Mal im Therapiezentrum Emler. Corona trifft die Praxis für Phyiso- und Ergotherapie sofort und mit voller Wucht: Zu groß die ist Angst vieler Patienten, sich anzustecken – deshalb fallen viele Kunden weg. Praxis-Chef Thomas Emler beschreibt die Umsatzentwicklung so: "Der Absturz im Februar und März war wirklich dramatisch. 70 bis 80 Prozent gingen nach unten, und wir haben uns auf einem niedrigen Niveau gehalten. So langsam sind wir jetzt wieder dabei, uns zu fangen und es geht schrittweise nach oben. Es ist aber leider immer noch so, dass 20 bis 25 Prozent von unseren Umsätzen fehlen." Bleibt das so, wird einer von 24 Mitarbeitern seinen Job verlieren.

Wie die Corona-Krise in diesem Jahr auf die deutsche Wirtschaft durchschlägt, zeigt die Unternehmensumfrage vom Münchner ifo-Institut. Das Geschäft bricht so stark ein wie noch nie. Ab Mai gab es eine leichte Erholung. Aber auch jetzt beurteilt die Mehrheit der Unternehmen die Lage als schlecht. Ganz ähnlich im Therapiezentrum: Wenig Patienten – also Kurzarbeit. Für Familienvater Hendrik Budde führt das zu Problemen. Statt 2.000 Euro netto bekommt er nur noch 1.600 Euro. Die gute Nachricht: Ende August ist das Kapitel Kurzarbeit erledigt. Zudem bekommt Hendrik Budde mit Kinderzuschlag und Wohngeld Hilfe vom Staat.
Ein Lichtblick für die Mitarbeiter der Praxis: Bei der Teambesprechung verkündet Chef Emler, dass es eine Einmalzahlung für die Mitarbeiter geben wird. Für einen Corona-Bonus bis maximal 1.500 Euro gilt: Brutto gleich netto. Aber nur wegen massiver Hilfe überlebt die Praxis: Die Hausbank hatte gleich den Kreditrahmen erhöht. Der Antrag auf Kurzarbeit war reine Formsache und der staatliche Rettungsschirm für Heilberufe ersetzt den verlorenen Umsatz. Ohne die Unterstützung hätte Thomas Emler das Therapiezentrum schließen müssen.
Viele Sparmaßnahmen bei der Aktiengesellschaft

Anders ist die Situation bei der Samson AG, einem Anbieter von Industrieventilen. Kurzarbeit kennen sie hier nicht. Auch Personalabbau ist kein Thema und Hilfskredite brauchen sie nicht. Und das alles in der größten Wirtschaftskrise seit 100 Jahren. Doch auch Samson spürt den Corona-Effekt, so Konzernchef Andreas Widl: "Zu Jahresbeginn stetiger Anstieg. Dann hatten wir Corona-bedingt einen Einbruch, von dem wir uns noch nicht erholt haben. Der Einbruch ist überschaubar, aber sichtbar. Und ich hoffe, dass es eine Erholung im vierten Quartal gibt."

Die deutsche Schlüsselbranche Maschinenbau hat es im Gegensatz dazu voll erwischt. Im Vergleich zu allen Unternehmen ist dort im Januar die Ausgangslage schon schlechter, der Corona-Einbruch größer und die Erholung schwächer. Bei Samson haben sie längst reagiert. Das Rezept: Sparen, wo es nur geht. Das künftige Messe-Budget wurde vorsorglich halbiert. Dafür gibt es diese kleine Hausmesse, um Kunden die Neuentwicklungen vorzustellen. Hinzu kommt ein Einstellungsstopp und vieles mehr: "Wir schauen uns an, welche Zeitschriften wir beziehen. Es sind die kleinen Dinge. Und wir haben natürlich massiv gespart durch weniger Dienstreisen", beschreibt der Samson-Chef seine Sparmaßnahmen. Der Kostenblock Dienstreisen wird auch nach Corona kleiner sein – es geht viel digital, sogar aus dem Home-Office.
Die Aussichten für das so wichtige Exportgeschäft sind bei Samson unterschiedlich: Chinas Wirtschaft zieht schon wieder an, Indien liegt am Boden. Für die USA verbieten sich derzeit alle Prognosen. Deshalb heißt es für die Samson AG weiter zu sparen.
Hoffnung auf Großprojekte beim Mittelständler

Noch einmal anders ist die Lage bei Glasbau Hahn. Der Mittelständler liefert Museumsvitrinen in alle Welt. Doch die Montage auf Baustellen in aller Welt ist bis jetzt fast unmöglich. Wegen eines Corona-Infektionsfalls in der Belegschaft mussten vier Mitarbeiter in Quarantäne. So hatte sich Mitinhaberin Isabel Hahn das erste Geschäftshalbjahr nicht vorgestellt: "Anfang des Jahres hat sich unser Geschäft positiv entwickelt. Durch Corona hatten wir einen leichten Einbruch. Seit Juni geht das Geschäft leicht nach oben." Die Unternehmerin sieht auch gute Chancen eines der drei Großprojekte zu bekommen, um die sich die Firma bemüht. Auftragswert beträgt jeweils über zehn Millionen Euro, fast der halbe Jahresumsatz.
Ausgerechnet jetzt steht bei Glasbau Hahn der Umzug der Verwaltung an. Eine Baustelle für Betriebsleiter Peter Janko. Zwar ist das neue Gebäude gemietet, doch den Innenausbau zahlt die Firma. Eine Billig-Variante in Corona-Zeiten scheidet aus, die Kollegen sollen hier für Jahrzehnte arbeiten. Die Lösung: "Die Investitionen werden Corona-bedingt teilweise auf nächstes Jahr geschoben, so dass wir zwar dieses Jahr noch einziehen können, aber dieser Luxus oder die schönen Dinge werden dann erst nächstes Jahr nachgeholt werden", erklärt Betriebsleiter Peter Janko. Die Finanzierung steht inzwischen auf sicheren Beinen. Mehr als ein viertel Jahr war der beantragte Hilfskredit über 2,2 Millionen Euro von staatlicher KfW und Hausbank nicht sicher. "Glücklicherweise wurde uns im Monat Juli der KfW-Kredit auch ausgezahlt. Und so kann ich wieder ein paar ruhigere Nächte verbringen", erklärt die Mitinhaberin Isabel Hahn erleichtert.
Ruhigere Nächte als zu Beginn der Krise. Doch vom sorgenfreien Schlaf sind die drei Unternehmer noch weit entfernt – wie fast alle.
Ein Beitrag von Steffen Clement
Online-Bearbeitung: Jan Arnold
Stand: 29.07.2020 23:27 Uhr
Kommentare