Mi., 17.03.21 | 21:45 Uhr
Das Erste
Urlaub 2021 – Wie sich der Luftverkehr radikal wandelt
Der Traum von Ostern unter Südseepalmen ist wieder geplatzt. Reisewarnungen und Quarantäne für die meisten Gegenden verhageln das Reisegeschäft. Die Menschen fliegen dieser Tage nur aus triftigem Grund – auch von Deutschlands größtem Flughafen Frankfurt aus.
Der Umsatz der Reisebranche: in 2020 um 80 Prozent eingebrochen
Flughäfen, Airlines und die gesamte Reisebranche kämpfen ums Überleben: Im Jahr 2020 haben die Deutschen 54 Prozent weniger fürs Reisen ausgegeben als noch 2019. Der Umsatz brach um 80 Prozent ein. Dieses Jahr erwartet die Branche 50 Prozent weniger Umsatz. TUI hat Corona bislang nur mit Milliardenhilfen vom Staat überlebt. Dieses Jahr plant Deutschlands größter Reiseanbieter zwar wieder mit 80 Prozent der Vorkrisenkapazität, berichtet der Konzernsprecher optimistisch: Doch der sonst übliche Buchungsboom zu Jahresbeginn fiel aus. So erklärt der TUI-Konzernsprecher Aage Dünhaupt: "Das hat natürlich auch damit zu tun, dass vieles kurzfristiger geworden ist. Das heißt, die Menschen buchen sehr viel näher am ursprünglichen Reisedatum. Eine Umstellung, die wir alle als Veranstalter im Markt und auch die Airlines entsprechend tragen müssen."

Unternehmen müssen kurzfristiger planen
Das heißt für Unternehmen in der Branche, kurzfristiger und flexibler zu planen. So wie jetzt: Am Sonntag wurde die Reisewarnung für die Balearen und andere Urlaubsziele aufgehoben – und prompt kam es zu einem Buchungs-Ansturm. TUI bietet jetzt 160 zusätzliche Mallorca-Flüge an – auch Condor, Lufthansa und Eurowings rüsten auf. Lufthansa Sprecher Martin Leutke kündigt an: "300 zusätzliche Flüge bei Eurowings, Verdopplung der Flüge bei Lufthansa, weil eben die Nachfrage sprunghaft gestiegen ist, was eindeutig zeigt: die Menschen wollen reisen."

Der Run auf Balearen- oder Portugalflüge ist aber nur ein Strohfeuer, dämpft der Fraport-Chef Stefan Schulte am Dienstag auf der Jahresbilanz-Pressekonferenz die Freude. In Frankfurt waren es im Februar knapp 682.000 Passagiere. Das sind 84 Prozent weniger als vor einem Jahr. Statt 1.500 Flugbewegungen pro Tag, sind es derzeit nur 300, wie in den 80er Jahren. Die Bilanz für das Jahr 2020 ist niederschmetternd. "Die Pandemie hat uns sehr, sehr stark getroffen: Über zwei Milliarden Euro weniger Umsatz und über eine Milliarde Euro weniger Ergebnis. In so einer Phase haben wir leider auch Verlust gemacht", hält der Fraport-Chef fest.
Viele in der Luftverkehrsbranche haben ihren Arbeitsplatz verloren
Corona bedroht trotz des Osterhypes jeden vierten Arbeitsplatz im deutschen Luftverkehr. Viele haben ihren Job schon verloren. Erik Fengler zum Beispiel ist seit diesem Monat arbeitslos. Acht Jahre war er Pilot für Sun Express, den Ferienflieger von Lufthansa und Turkish Airlines. Um zu sparen hat Lufthansa den deutschen Ableger dicht gemacht. "Ein trauriges Gefühl, wenn man dann doch hier das ein oder andere Flugzeug stehen sieht. Und sich denkt, dass man bis vor wenigen Monaten selbst noch Teil des Ganzen war. Und man wünscht sich dann natürlich schnell wieder zurück ins Cockpit", klagt der ehemalige Sun-Pilot. Piloten sind hochspezialisiert auf ihren Beruf, die Jobalternativen sind rar. Corona macht die Suche jetzt extra schwer. "Insbesondere natürlich im Passagierbereich, was ja klar ist, weil aufgrund der ganzen Reisebeschränkungen Corona-bedingt gar kein Reiseverkehr möglich ist. Am ehesten funktioniert derzeit noch der Frachtbetrieb. Aber auch da sind die Chancen aktuell eher gering", erklärt Erik Fengler.
Einige Fluglinien bleiben dauerhaft am Boden
Sun Express ist kein Einzelfall, wegen Corona muss manche kleinere europäische Airline dauerhaft am Boden bleiben. Auch die großen Fluggesellschaften kämpfen, trotz Milliardenhilfen vom Staat. Not macht kreativ: Der Ferienflieger Condor fliegt jetzt auch Fracht und sucht trotzdem erneut finanzielle Hilfe. Lufthansa erwartet nach 2020 mit 6,7 Milliarden Euro Verlust auch dieses Jahr nur 40 bis 50 Prozent der Vorkrisenkapazitäten zu fliegen. Die großen Flugzeuge wurden stillgelegt. Die neue Strategie: weniger fliegen – mit günstigeren, kleineren Flugzeugen – vermehrt in Urlaubsregionen.

Trotz des Osterhochs ist die Reiselust bei vielen noch nicht zurück
Fraport korrigiert seine Prognose, wann der Markt sich erholt, immer weiter in die Zukunft. "Wir gehen derzeit davon aus, dass wir irgendwo um das Jahr 2026 wieder das Volumen wie vor der Krise sehen. Privat Reisen zu den Urlaubszielen zu Freunden, Verwandten wird sicherlich schneller wieder anziehen als das Geschäftsreisen", hofft Fraport-Chef Schulte. Im Jahr 2020 waren in Frankfurt 73 Prozent weniger Passagiere als in 2019. In München, Düsseldorf und Hamburg war mit einem Minus von 77 Prozent und 74 Prozent noch weniger los.

Gar nicht mehr fliegen – wegen Corona oder der Umwelt – ist ein Trend wie eine Umfrage der Reisemesse ITB gezeigt hat. Auch langfristig wollen 76 Prozent mehr Urlaub in Deutschland machen und 65 Prozent weniger geschäftlich reisen. Anzeichen dafür, dass Corona das Reisen nachhaltig verändert.

Ein Beitrag von Katja Sodomann
Online-Bearbeitung: Jan Arnold
Stand: 18.03.2021 12:07 Uhr
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