Mi., 08.09.21 | 21:45 Uhr
Das Erste
Tesla und die Aufholjagd der Konkurrenz
Seit über zehn Jahren begeistert Elon Musk mit innovativen Ideen seine Fan-Gemeinde, die stetig anwächst. Und er will mit Tesla weiter expandieren. In Grünheide bei Berlin entsteht gerade die vierte sogenannte Gigafactory von Tesla – für das Model Y, das dort künftig produziert werden soll.
500.000 Tesla-Modelle sollen hier einmal jährlich vom Band laufen. Doch der Produktionsstart ist noch ungewiss, denn es gibt Genehmigungsprobleme und Verzögerungen bei Bauvorhaben. Nach der Fertigstellung hätte Tesla Produktionskapazitäten für jährlich rund 1,5 Millionen Fahrzeuge. Verkauft werden aktuell jedoch nur knapp eine Million.

Große Gewinne durch CO2-Zertifikate
Das eigentliche Kerngeschäft – Elektro-Autos – hat in der Vergangenheit eher Verluste geschrieben. Die Gewinnzone wurde vor allem durch Einnahmen aus dem Handel mit sogenannten "regulatory credits" erreicht, auf Deutsch: CO2-Zertifikate. 134 Millionen Dollar wurden im 3. Quartal 2019 verbucht. Zwei Quartale später waren es schon 354 Millionen Dollar, wie den Bilanzen zu entnehmen ist.
In den USA, China und der EU müssen Autobauer, die mit ihren Flotten nicht die Klimaziele erfüllen, zum Ausgleich diese Zertifikate erwerben – und zwar von Konkurrenten wie Tesla, das mit einer reinen Elektroflotte sein Soll übererfüllt. Und deshalb konnte Tesla immer wieder dreistellige Millionenbeträge kassieren – seit 2018 insgesamt rund 3,2 Milliarden Dollar, umgerechnet etwa 2,7 Milliarden Euro. Doch viele etablierte Autokonzerne benötigen diese Zertifikate nicht mehr, da ihre Flotten ebenfalls elektrisch werden.
Der Gewinn von Tesla im ersten Halbjahr 2021 wäre ohne diese Einnahmen aus CO2-Zertifikaten geringer ausgefallen: statt umgerechnet über 1,3 Milliarden Euro nur 600 Millionen. Zum Vergleich: Der Volkswagen-Konzern hat im gleichen Zeitraum 11,4 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Das ist das 16-Fache.

Tesla ein Aktien-Gigant im Vergleich zu anderen deutschen Autobauern
Tesla ist mit 725 Milliarden US-Dollar an der Börse aktuell viermal wertvoller als der Volkswagen-Konzern, der größte Autobauer der Welt. Für Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hat sich der E-Auto-Pionier im Markt gut positioniert, doch den Aktienkurs hält er für überbewertet: "Tesla ist mehr wert als alle deutschen Autobauer an der Börse zusammen genommen. Also muss Tesla, ökonomisch betrachtet, mindestens die gleichen Gewinne einspielen, um seinen Aktionären ihr Eigenkapital entlohnen zu können wie alle deutschen Premiumhersteller, Autobauer, zusammen. Und das ist heute keineswegs zu sehen."

Tesla punktet mit visionären Ideen
Doch Elon Musk träumt bereits von zehn Millionen Verkäufen im Jahr 2030. So viel wie der VW-Konzern aktuell. Mutig, aber genau richtig, sagt der Wirtschaftsexperte Ulrich Blum. Vorsichtig zu expandieren, sende ein falsches Signal an Börsenbewerter. Ob eine Aktie über- oder unterbewertet sei, könne nur rückblickend analysiert werden. "Börse hat immer etwas mit Zukunftserwartung zu tun. Und zurzeit haben offensichtlich diejenigen, die dort investiert haben, haben eine positive Zukunftserwartung", so Blum.
Würde der Autobauer seine Produktionskapazitäten einschränken, würde dies "ein verheerendes Signal" aussenden. Man könnte meinen, Tesla habe kein Vertrauen in seine eigenen Produkte. "Tesla ist praktisch gezwungen, eigentlich um des eigenen Erfolges Willen, das Volumen auszubauen, damit man nicht nur zeigt, man glaubt an seinen eigenen Erfolg, sondern damit man auch ungefähr seine Marktanteile halten kann", sagt der Wirtschaftsexperte.

Konkurrenz: immer mehr Reichweite...
Die etablierten Autobauer holen im Elektroauto-Bereich auf. Volkswagen hat dieses Jahr den ID.4 auf den Markt gebracht, der mit ordentlichen Reichweiten aufwartet. Immer stärker wird auch die Konkurrenz aus China: SUV-Modelle wie der Aiways U5 sind bereits unter 40.000 Euro zu haben. Im Premium-Bereich greift Mercedes an: Mit dem EQS, der nicht nur spacig anmutet, sondern auch eine Reichweite von 770 Kilometer verspricht.

... und günstigere Modelle
Die großen Autobauer haben in der Vergangenheit eine Palette vom Kleinwagen bis zur Oberklasse angeboten und werden dies auch bei den E-Autos machen. Volkswagen hat bereits im letzten Jahr den ID.3 für 32.000 Euro auf den Markt gebracht, in zwei Jahren soll der ID.2 für unter 20.000 Euro folgen. "Es gibt neue Wettbewerber wie den VW-Konzern, wie Audi, wie jetzt Mercedes, später wie BMW. Und da wird es für Tesla sehr schwer werden, die Ziele, die gesetzt sind, zu erreichen", schätzt Autoexperte Dudenhöffer ein.

Marktanteil von Tesla um mehr als 20 Prozentpunkte gesunken
Tesla als Pionier hingegen hat immer noch kein günstiges Einstiegsmodell und nur einen einzigen richtigen Verkaufsschlager: das Model 3. Dieses Auto macht 97 Prozent aller verkauften Tesla-Fahrzeuge aus, kostet aber mindestens 40.000 Euro. Der Marktanteil von Tesla ist in Deutschland von 30 Prozent im Jahr 2019 auf jetzt neun Prozent gesunken.

Kampf um Lade-Revolutionen und Kosten-Senker
Die Konkurrenz kann große Fortschritte bei der Technologie vorweisen. Der Ioniq 5 von Hyundai etwa, seit Juli in Deutschland verfügbar, ist mit einer innovativen 800-Volt-Batterie ausgestattet und die macht sich an der Ladesäule bemerkbar. Mit deutlich über 200 Kilowatt Ladeleistung in der Spitze ist der Wagen in acht Minuten Strom für 100 Kilometer nachgeladen.
Auch Tesla verspricht eigentlich Ladeleistungen um 200 kW in der Spitze. Doch bei unserem Test mit dem Verkaufsschlager Model 3 dauerte es 14 Minuten, um für 100 Kilometer nachzuladen. Wr haben nur eine Ladeleistung von rund 90 kW in der Spitze an einem der noch verbreiteten Superchargern V2 erzielt. Tesla begründet dies mit einem noch fehlenden Update am Supercharger V2.

Tesla hat sich 2020 den chinesischen Batteriezellenhersteller CATL ins Boot geholt, der der größte Batteriehersteller der Welt ist. Er beliefert den Elektroauto-Pionier mit kostengünstigen Eisen-Phosphat-Batteriezellen. Damit sind Tesla deutliche Einsparungen am größten Kostenfaktor – der Batterie – möglich. Erst vor wenigen Wochen wurde der Vertrag bis 2025 verlängert. CATL baut in Arnstadt in Thüringen auch gerade ein neues Werk.
Autor: Andreas Wolter
Bearbeitung: Carmen Brehme
Stand: 08.09.2021 22:48 Uhr
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