Mi., 05.08.20 | 21:55 Uhr
Das Erste
Wasser statt Fleisch: Preiskampf an der Wursttheke
Das Prinzip ist einfach: Weniger Fleisch in der Wurst bedeutet mehr Profit für den Hersteller, denn das Fleisch wird durch billigeres Wasser ersetzt. Möglich machen dies sogenannte funktionelle Eiweiße, die den wahren Wasseranteil verschleiern. Das ist ein Problem für die amtlichen Lebensmittelkontrollen, denn mit den derzeit verfügbaren Labormethoden lassen sich insbesondere die aus Schlachtresten gewonnenen tierischen Eiweiße nicht zweifelsfrei nachweisen. Die Verwendung solcher meist pulverförmigen Zusätze muss eigentlich auf der Wurst-Packung kenntlich gemacht werden. Geschieht dies nicht, bleiben sie meist unentdeckt.
Hersteller stellen sich auf Nachweismethoden ein
Lebensmittelüberwachungsbehörden arbeiten zwar intensiv an der Entwicklung von Nachweismethoden. Nach dem Motto "Neue Nachweismethode, gehäufte Funde" wurden zuletzt in den Jahren 2001 bis 2006 vermehrt gepanschte und gestreckte Würste beanstandet. Doch die Wurst-Hersteller stellen sich schnell auf die neuen Nachweismethoden ein. Auch die Produzenten von funktionellen Eiweißen entwickeln ihre Produkte immer weiter. Auf Fachmessen und in Broschüren werden die Eiweißpulver und ihr Profit-Maximierungspotenzial eindringlich beworben.
Eiweiße bieten enormes Einsparpotenzial
Welche Möglichkeiten die funktionellen Eiweiße bieten, zeigt ein Experiment mit einem solchen Pulver. Mit Hilfe eines tierischen Eiweißpulvers gelingt es "Plusminus", fünf Prozent mehr Fleisch in einer Schinkenwurst vorzutäuschen – ohne geschmackliche oder sensorische Einbußen.
Für Wursthersteller sind solche auf den ersten Blick geringen Einsparungen trotzdem lukrativ. Denn hochgerechnet auf Produktionsmengen, die in Tonnen kalkuliert werden, sind fünf Prozent eine finanziell relevante Größe.
"Irreführend und rechtswidrig"
Der Bundesverband der Fleischwarenindustrie nennt in einer von "Plusminus" angefragten Stellungnahme den Einsatz von Eiweißpulvern nicht nur "irreführend und rechtswidrig", sondern auch "wettbewerbsverzerrend", sollten Hersteller auf ihren Verpackungen nicht auf den Zusatz solcher Pulver hinweisen.
Kontrolle von Lieferketten

Noch hinkt die labortechnische Analytik in den Lebensmittelüberwachungsbehörden der industriellen Lebensmitteltechnologie hinterher. Umso wichtiger erscheint nach Ansicht von Experten die Kontrolle von Lieferketten. Ausgehend von den Herstellern der funktionellen Eiweißpulver könnte demnach über die Kontrolle etwa der Lieferscheine nachvollzogen werden, an welche Fleisch verarbeitenden Betriebe Eiweißpulver geliefert wurde. Diese Betriebe sind wiederum den Lebensmittelüberwachungsbehörden gegenüber auskunftspflichtig, für welche Produkte sie Eiweißzusätze verwendet haben.
Bericht: Thomas Eckert
Kamera: M. Warren, S. Zühlke, P. Janßen
Schnitt: J. Zeymer, T. Becker
Stand: 06.08.2020 16:54 Uhr
Kommentare