Mi., 15.07.20 | 21:45 Uhr
Das Erste
Der weite Weg zum Wasserstoff
Autos, die mit Wasserstoff angetrieben werden, sind immer noch eine Rarität. Ihr großer Vorteil aber: Beim Fahren entstehen keine Abgase – sondern H2O – also glasklares Wasser! Vor allem im Schwerlastverkehr, bei Bussen und Bahnen könnte das der Energieträger der Zukunft sein. Auch für die Industrie. Die Bundesregierung erkennt das enorme Potenzial. Deutschland soll Wasserstoff-Weltmeister werden. Das betonen gleich mehrere Bundesministerinnen und Minister:
Klare Bekenntnisse der Bundesregierung
Peter Altmaier, CDU, Bundeswirtschaftsminister : "Grüner Wasserstoff ist ein Schlüsselrohstoff für eine erfolgreiche Energiewende" Svenja Schulze, SPD, Bundesumweltministerin: "Wir wollen in Deutschland mit der Wasserstoffstrategie die Nummer Eins werden."
Anja Karliczek, CDU, Bundesforschungsministerin: "Wir wollen raus dem Labor, rein in die Praxis."
Industrie braucht klare Ansagen

Rein in die Praxis? Das will auch Stromerzeuger Steag. Auf einer Wiese im saarländischen Kohlekraftwerk Fenne soll bald grüner Wasserstoff produziert werden. Wasser wird durch Öko-Strom in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Eine Investition von rund 60 Millionen Euro.
Thomas Billotet, Geschäftsführer Steag New Energies: "Wir haben das Projekt praktisch ausführungsreif ausgearbeitet. Allerdings müssen noch einige Randbedingungen für dieses Projekt geklärt werden. Das betrifft die Investitionskosten, betrifft die Absatzseite, betrifft aber auch die betriebliche Förderung."
Nicht von anderen Ländern abhängen lassen
Das Projekt steht auf einer Förderliste der Regierung. Aber seit Monaten ist unklar, ab wann und wie genau gefördert werden soll. Wichtig für Steag wäre eine Entlastung bei den Betriebskosten. Denn für die Wasserstoffproduktion benötigt man viel Strom – und der ist inklusive aller Abgaben und Steuern teuer.
Thomas Billotet, Geschäftsführer Steag New Energies: "Wir müssen jetzt gucken, dass diese Weichen schnell gestellt werden. Sonst fährt der Zug eben ohne uns, und das meine ich jetzt aus deutscher Sicht: Wenn andere Länder die Nase vorne haben an dieser Stelle, dann sind wir im Hintertreffen. Und das wäre natürlich schade, weil wir die Ingenieurkompetenz und auch die Standortflächen hier zur Verfügung haben – wenn wir das verspielen würden."
Deutschland braucht zügig Demonstrationsprojekte
Bei grünem Öko-Strom haben sonnenreiche Länder in Afrika und Asien klare Standortvorteile. Deutschland soll gar nicht als großer Wasserstoff-Produzent in Erscheinung treten, sondern durch den Verkauf von Komponenten und Anlagen profitieren – so der Plan der Bundesregierung. Aber: Thomas Billotet, Geschäftsführer Steag New Energies: "Wir brauchen hier Demonstrationsprojekte, damit wir die Technologie erproben können, und damit wir sie potenziellen Kunden auch vorführen können und beweisen können, dass es funktioniert und das wir hier einen guten technischen Stand haben. Deswegen brauchen wir hier solche Anlagen."
Auch Wasserstoff-Verteilernetz ist noch ungeklärt
Ganz wichtig bei der Transformation zur Wasserstoff-Wirtschaft: ein funktionierendes Verteilernetz. Die Firma Creos betreibt im Südwesten rund 1.600 Kilometer Gasleitungen. Die könnten womöglich auch für den Wasserstoff genutzt werden. In einem grenzüberschreitenden Projekt plant Creos ein 75 Kilometer langes Wasserstoff-Netz vom Saarland durch Frankreich bis nach Luxemburg.

Zusätzlich soll mit einer Machbarkeitsstudie geklärt werden, unter welchen Bedingungen Wasserstoffleitungen betrieben werden können. Aber auch den Netzbetreibern fehlen immer noch klare politische Vorgaben.
Gesetze und Förderprogramm umgehend klären
Norman Blaß, Projektleiter Wasserstoff Creos: "Wir fordern als Branche, dass die ambitionierte Strategie jetzt in Gesetze und Verordnungen umgewandelt wird und dass es dann auch adäquate Förderprogramme gibt, um diese Ziele zu erreichen. Das ist erreichbar, aber jetzt dürfen wir keine weitere Zeit verlieren und [müssen] gegebenenfalls noch in dieser Legislaturperiode die regulatorischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen."
Der Faktor Zeit ist beim Thema Wasserstoff ganz entscheidend. Das weiß man auch bei der Firma Haller aus Bayern. In fünfter Generation repariert und wartet sie Nutzfahrzeuge. Aber: Der Markt verändert sich. Immer mehr Kunden interessieren sich für klimafreundliche Antriebe. Deshalb hat Haller vor einem Jahr die Quantron AG gegründet. Andreas Haller, Gründer und Vorstand der Quantron AG: "Es ist natürlich mein Hauptziel auch, dass wir natürlich alle, die Mitarbeiter und das Unternehmen, in die Zukunft führen können und die Zukunft ist in der Nachhaltigkeit, ist in der E-Mobilität."
Bürokratie bremst bei Forschungsförderung
Quantron rüstet bestehende Fahrzeuge um. Baut seine Elektroeinheit inklusive Batterie ein. 400 solche E-Fahrzeuge sind bereits auf der Straße. Zusätzlich arbeitet das Team mit Hochdruck an einem Wasserstoffantrieb. Das will das Land Bayern mit einer Forschungsförderung unterstützen. Aber es gibt zwei Probleme: Die Bearbeitung des Förderantrags dauert viele Monate. Und: Eigentlich dürfte während der Förderperiode kein marktfähiges Produkt verkauft werden. Für viele deutsche Firmen sind das im weltweiten Wettbewerb erhebliche Nachteile.
Andreas Haller sagt: "Die Regierung steht 100 Prozent hinter uns. Die wollen uns auch fördern, unterstützen uns auch, aber der Bürokratismus, der dahintersteht, bremst uns voll aus. Es geht darum, dass wir kurzfristig - und kurzfristig bedeutet auch die nächsten zwei Jahre - in einen Verkaufsprozess einsteigen können. Und da sind wir gerade in der Diskussion mit der bayrischen Regierung jetzt in dem Moment, wie wir das Ganze genau handeln können, dass wir jetzt nicht unsere Fördergelder verlieren, wenn wir eine normale Forschungs- und Entwicklungsarbeit tätigen.“
Auch Logistikbranche wartet auf grünes Licht für Wasserstoff
Das Unternehmen wächst; baut gerade eine große neue Produktionsstätte. In zwei Jahren soll die Belegschaft von 40 auf 250 Beschäftige wachsen. Dann sollen auch die Wasserstoff-Fahrzeuge auf den Markt kommen. Die Nachfrage ist schon jetzt groß. Aber auch hier gilt: Die Bundesregierung will Wasserstoff-Fahrzeuge fördern, aber immer noch ist unklar, wie das genau gehen soll.
Andreas Haller, Gründer und Vorstand Quantron AG: "Wir haben sehr viel Feedback im Moment von großen Speditionen, von großen Logistikern, mit großem produzierenden Gewerbe, die alle CO2-frei werden wollen. Aber ich habe keine Antwort darauf, weil ich denen nichts sagen kann aktuell – man spricht darüber, dass es bis zu 80 Prozent werden können, um den Markterfolg dann auch in die Richtung Nachhaltigkeit zu bewegen, aber wir haben momentan keine Antwort. Es gibt kein Papier, wo das irgendwo geregelt ist."
Verpasst Deutschland den Wasserstoff-Start?
Viele Unternehmen stehen in den Startlöchern. Aber die Politik kommt nicht in die Gänge. Ein Interview mit dem Wirtschaftsminister wurde aus Termingründen abgelehnt. Auf unsere schriftlichen Fragen gab es vom Ministerium nach langer Wartezeit nur eine sehr allgemein gehaltene Antwort. Dabei wären Erklärungen und Ansagen dringend nötig. Sonst wird das nix mit dem Wasserstoff. Und schon gar nichts mit dem Weltmeister.
Ein Beitrag von Peter Sauer
Stand: 17.07.2020 14:41 Uhr
Kommentare