So., 05.05.19 | 23:35 Uhr
Das Erste
Charles Lewinsky
Im Leben stottert er. Auf dem Papier fließen die Wörter. Der Held in Charles Lewinskys zehntem Roman – mit dem unvergleichlichen Namen Johannes Hosea Stärckle – ist Schriftsteller und Gefängnisinsasse. Mit dem Seelsorger hat er einen Pakt: er bekommt einen Job in der Bibliothek wenn er im Gegenzug Geschichten schreibt. Die Worte fließen nur so aufs Papier, die traumatische Kindheit im Heim, Gewalt, Missbrauch, aus seiner Vergangenheit schöpft der gedemütigte Stotterer den Stoff für seine Erzählungen, die der Seelsorger gierig aufsaugt. Doch: wird hier wirklich die Wahrheit niedergeschrieben? Der Stotterer hat ein anderes Bild von Literatur:
"Geschichtenerfinder müssen keine Bekenner sein, sondern gute Lügner. Wer ein Märchen erzählt, muss an die Feen und sprechenden Tiere nicht glauben. Er muss sie nur so beschreiben können, dass der Leser daran glaubt, und selbst das nur für einen kurzen Moment der Lektüre."
Über 400 Seiten lang spielt der Stotterer mit dem Seelsorger, der Erzähler mit seinen Leserinnen. Der Schweizer Schriftsteller Charles Lewinsky ist in einem neuen Roman einmal mehr der Manipulation durch Sprache auf der Spur. Im Gespräch mit Denis Scheck erklärt er, wie Worte Welten bauen – und eben auch trügerische Kulissen.
Charles Lewinsky: Der Stotterer. Diogenes Verlag.
Stand: 05.05.2019 18:14 Uhr
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