Sa., 01.12.18 | 04:25 Uhr
Das Erste
Denis Scheck empfiehlt Tania Blixen: "Afrika – dunkel lockende Welt"
"Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuße der Ngongberge. Hundert Meilen nördlicher lief der Äquator durchs Hochland, aber die Farm lag in einer Höhe von über zweitausend Metern. Da spürt man tagsüber die Höhe, die Nähe der Sonne, aber die Morgenfrühe und die Abende sind klar und friedvoll, und die Nächste sind kalt.“ Blixens Afrika-Roman ist längst zu einem Klassiker des 20. Jahrhunderts geworden, sein vielzitierter Beginn Ausweis für ihre faktenorientierte und unprätentiöse Erzählweise.
"Afrika – dunkel lockende Welt" (Manesse; siehe hierzu den Hinweis am Seitenende, d. Red.) ist ein Buch des Abschieds, ein Buch, aus dem man sterben lernen kann – und lieben. Auch wenn man Blixens Werk den Zeitpunkt seiner Niederschrift deutlich anmerkt. Natürlich ist auch Tania Blixen nicht frei vom Kolonialdenken ihrer Zeit. Hier schreibt eine Aristokratin, die in Afrika jene feudale Gesellschaftsordnung lebt, die in Europa gerade im Ersten Weltkrieg untergeht. Zudem ist ihrem gesamten Freundschaftskreis in Britisch-Ostafrika etwas zutiefst Rückwärtsgewandtes eingeschrieben. Die Menschen, mit denen sich Blixen umgibt, sind Exilierte, aber nicht Exilierte im Raum, sondern Exilierte in der Zeit.
Hohes Maß an Empathie und Beobachtungsgabe
Und doch erzählt "Afrika – dunkel lockende Welt" nicht nur von Jagdausflügen einiger europäischer Reaktionäre und Snobs auf einer Kaffeeplantage in der Nähe Nairobis. Die hohe Sinnlichkeit von Blixens Prosa ergibt sich gleichermaßen durch ihr hohes Maß an Empathie wie durch ihre erstaunliche Beobachtungsgabe, dem genauen Blick für die Natur wie für die Sitten der Kikuyu und Massai, der Somalis und Suahelis. In der wunderbar dezent erzählten Liebesgeschichte zu dem Großwildjäger und Flieger Denys Finch Hatton gelingen der Schriftstellerin Tania Blixen ihre stärksten Passagen.
Anders als im Roman hat die Liebe zu Denys Finch Hatton im Leben nicht bis zu seinem Absturz mit seinem Flugzeug gehalten. Er weigerte sich, mit seinem Vermögen für die Schulden von Blixens Farm zu bürgen, was sie ihre Unabhängigkeit als Farmerin verlieren ließ. In einem Brief an ihren Bruder beklagt sich Blixen über die Gründe für ihr Scheitern: "Es ist ja eine Schande, wie Mädchen erzogen werden. Ich bin fest davon überzeugt, daß wenn ich als Knabe geboren worden wäre, ich mit genau demselben Verstand und den übrigen Fähigkeiten, die ich nun habe, imstande gewesen wäre, mich selbst sehr gut durchzubringen."
Also freuen Sie sich auf die Begegnung mit einer der außergewöhnlichsten Frauen des 20. Jahrhunderts, vertrauen Sie mir, ich weiß, was ich tue, und lesen Sie Tania Blixens “Afrika – dunkel lockende Welt”, erschienen bei Manesse.
Hinweis der Redaktion: Der Manesse Verlag hat uns freundlicherweise darauf hingewiesen, dass die Ausgabe, aus der Denis Scheck im Beitrag vorliest, längst vergriffen ist. Das Werk wurde vor einigen Jahre neu aus dem Dänischen übersetzt und um einige fehlende Passagen ergänzt. Mittlerweile erscheint es bei Manesse unter dem Titel "Jenseits von Afrika". Diese Neufassung ist es auch, die literaturinteressierte Zuschauerinnen und Zuschauer bei unserer Verlosung gewinnen können.
Stand: 30.08.2019 03:29 Uhr
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