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Denis Scheck kommentiert die Top Ten Sachbuch

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Denis Scheck kommentiert die Top Ten Sachbuch | Video verfügbar bis 13.10.2024 | Bild: DasErste.de

Platz 10: Biyon Kattilathu: "Der Rikschafahrer, der das Glück verschenkt"

Eine haarsträubende Ansammlung banalster Binsenweisheiten, gekleidet in angebliche Lebensregelns eines in einem Slum großgewordenen Rikschafahrers aus Neu-Delhi. Weniger ein Buch, eher eine Peinlichkeit.

Platz 9: Michelle Obama: "Becoming"

Wie man mit Benachteiligungen zurandekommt, ohne Zuflucht zum für alles persönliche Scheitern als Ausrede dienenden Opferdiskurs zu nehmen: auch das lässt sich aus der unprätentiösen Autobiographie dieser souveränen Frau lernen.

Platz 8: Boris Palmer: "Erst die Fakten, dann die Moral"

Dieses Buch ist eine überfällige Erinnerung daran, dass die Grundlage jeder Meinung Wissen sein sollte. "Wenn aus einer moralischen Grundhaltung ein allgegenwärtiges Moralisieren wird, wenn Menschen die eigene Moral zum Maßstab für alles machen und jede andere Moral verdammen, wenn also aus Moral Überheblichkeit, Hochmut, Arroganz und Abwertung wird, dann ist es Zeit für eine Antithese", schreibt der grüne Oberbürgermeister von Tübingen. "Sie lautet: Erst die Fakten, dann die Moral." Palmers Einlassungen zur Kommunalpolitik, zu Themen wie Windkraft, Tierversuchen und innere Sicherheit bestechen durch eine erfreulich unideologische Herangehensweise und beherzigen einen Satz des ersten Nachkriegs-Vorsitzenden der SPD Kurt Schumacher: "Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit."

Platz 7: Sacha Lobo: "Realitätsschock"

Sacha Lobo diagnostiziert einen durch Globalisierung und Digitalisierung ausgelösten "Realitätsschock" in westlichen Gesellschaften, der in der plötzlichen Wahrnehmung von Themen wie Klimawandel, Rechtsruck, künstlicher Intelligenz oder der veränderten Bedeutung Chinas besteht, und lobt dabei das Engagement der von ihm so genannten "Klimajugend". Allerdings vermisse ich eine für mich auf der Hand liegende Konsequenz seiner Überlegungen: weniger Menschen sind gut fürs Klima. Sehr viel weniger Menschen wären sogar noch sehr viel besser. Also wäre die beste Nachricht fürs Klima, wenn viele Menschen auf Nachwuchs verzichteten. Auf diesen Realitätsschock wartete ich in diesem Buch vergebens.

Platz 6: Stephen Hawking: "Kurze Antworten auf große Fragen"

Einer der klügsten Köpfe unserer Zeit widmet sich in seinem letzten Buch Kinderfragen und erläutert eloquent und elegant den Unterschied zwischen Information und Wissen, ob wir mehr Angst vor dem Zusammenstoß mit einem Asteroiden oder vor dem Klimawandel haben sollten und wie das überhaupt so ist mit der Angst. Hawkings ermutigendes Fazit: "Seid neugierig! Und ganz egal, wie schwierig euch euer Leben vorkommt: Es gibt immer etwas, das ihr tun – das ihr erfolgreich tun könnt."

Platz 5: Bahar Yilmaz: "Du wurdest in den Sternen geboren"

Lange habe ich keine solch törichte Ansammlung durch und durch verlogener Allgemeinplätze zur Lebenshilfe gelesen wie in diesem absurden Machwerk einer Youtuberin. "Dieses Buch soll dich dazu einladen, zu einer Forscherin in deinem eigenen Universum zu werden, unentdeckte innere Welten zu erobern und die Symphonie deines gesamten Wesens, so wie sie in den Sternen geschrieben wurde, zu empfangen", schreibt Yilmaz. Zu solch albernem Schrott hat der große deutsche Dichter Robert Gernhardt bereits vor über drei Jahrzehnten in seinem Gedicht "Selbstbefragung" das letzte Wort gesagt:  "Ich horche in mich rein. /  In mir muss doch was sein./ Ich hör nur »Gacks« und »Gicks«. / In mir da ist wohl nix."

Platz 4:  Thomas Gottschalk: "Herbstbunt"

So richtig ernst nimmt Thomas Gottschalk das Bücherschreiben offenbar nicht. Man merkt dies in seinem zweiten Memoirenband daran, dass er je nach Entstehungszeit der Kapitel noch mit seiner langjährigen Ehefrau zusammen ist und dann wieder mit einer neuen Partnerin. Hier war der Autor schlicht zu faul zum Überarbeiten. Aber wahrscheinlich kommt es in diesem Wust aus Erinnerungen, Rechtfertigungen und, in seinen besten Passagen, aufschlussreichen Einsichten in den Medienbetrieb wahrscheinlich wirklich nicht drauf an, bekennt Gottschalk doch mit entwaffnender intellektueller Koketterie: "Ich wollte immer als lustig und nicht als klug wahrgenommen werden."

Platz 3: Bas Kast: "Der Ernährungskompass"

Eine leicht verständliche Betriebsanleitung für den eigenen Körper: wenn Sie ein Diätbuch suchen, lesen Sie dieses. Aber, sehen Sie mir das offene Wort nach, es gibt wichtigeres als Diäten.

Platz 2: Peter Wohlleben: "Das geheime Band zwischen Mensch und Natur"

Was für ein Schatzhaus des Wissens! Staunend und dankbar habe ich bei der Lektüre erfahren, dass manche Bäume schlafen, Pflanzen mit den Wurzeln hören können,  die Nadeln der Douglasie nach Orangeat schmecken und die Raupen des Blutbärs sich durch die Giftstoffe des Kreuzkrauts vor Fressfeinden schützen. Dies alles zu wissen macht mich froh. Auch wenn ich keineswegs immer einer Meinung mit Peter Wohlleben bin – sind Fördter wirklich Baummetzger? Sollte man die Jagd in Deutschland verbieten? –, kann ich mir kaum eine lohnendere Lektüre vorstellen als dieses Schatzhaus des Wissen!

Platz 1: Edward Snowden: "Permanent Record"

Edward Snowden ist ein Held unserer Zeit. Als Systemadministrator deckte er 2013 auf, in welch ungeheuerlichem Umfang die US-amerikanische National Security Agency Menschen weltweit überwacht. Seither muss er undercover in Moskau leben, dies ist seine überraschend kurzweilige und einsichtsreiche Autobiographie. "Für einen kurzen, wunderschönen Zeitraum (…) wurde das Internet vorwiegend von Menschen für Menschen gemacht. Sein Zweck war es nicht, Geld zu verdienen, sondern aufzuklären", so Snowden. Liebe Frau Merkel, lieber Herr Steinmeier: Warum kann Edward Snowden, der großen Mut bewiesen und der Menschheit einen Dienst erwiesen hat, kein Asyl in Deutschland erhalten?

Stand: 15.10.2019 09:08 Uhr

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Bayerischer Rundfunk
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